Mit drastischen Worten wehren sich die Anwohner im Lautenhof gegen Raser. Foto: Bechtle

Schild aufgehängt. Anwohner beschweren sich über Motorradlärm. 

Bad Wildbad - Wenn der Frühling kommt, erwacht die Natur zu neuem Leben: Bäume werden grün, die Blumen blühen prächtig und man hört überall Vogelgezwitscher. Aber das schöne Wetter lockt auch die Motorradfahrer wieder nach draußen. Und auch wenn Spritztouren in Baden-Württemberg nach wie vor erlaubt sind, sorgt der steigende Lärmpegel im Oberen Enztal für Unmut bei den Anwohnern.

Es ist in jedem Jahr das Gleiche: Wenn die Temperaturen wärmer werden und das Wetter schöner, dann kommt auch die Zeit der Motorradfahrer. Und während die ihre Ausfahrten genießen, steigt der Unmut bei den Anwohnern über den steigenden Lärmpegel. Dabei ärgern sie sich über die Raser und Poser, die den Hahn bis zum Anschlag spannen, sich nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen halten oder gar auf einem Rad überholen, wie Sabine Gepperth berichtet. Sie wohnt im Bad Wildbader Lautenhof und damit direkt in der beliebten Einflugschneise der Motorradfahrer, die von Bad Wildbad aus in Richtung Enzklösterle oder Kaltenbronn fahren.

"Das ist eine Rennstrecke, das kann man nicht anders sagen", klagt Gepperth ihr Leid. Das betreffe aber nicht nur rasende Motorradfahrer, sondern auch Autofahrer: "Es gibt hier Autos, die sehen aus wie in der Formel drei", die regelrechte Rennen fahren würden, sagt sie. "Man hat ja nichts gegen die ›Normalen‹, aber man hat das Gefühl, die anderen sind in der Überzahl", so Gepperth weiter.

Gerade jetzt während der Corona-Krise hat sie noch weniger Verständnis für die Raser: "Sie nehmen in Kauf, zu verunglücken und blockieren dann Krankenhausbetten". Schon jetzt seien Ärzte und Pflegepersonal an den Grenzen der Belastbarkeit, so Gepperth weiter. Überall heiße es "stay home", "und die haben ihren Spaß", sogar noch mehr als früher, weil weniger Verkehr herrsche. Und mit dem zunehmenden Lärm treffe es dann genau die, die zu Hause bleiben würden und so keine Chance hätten, dem Krach zu entkommen: "Man muss im Rennbachtal ganz hinten raus laufen, bis man Ruhe hat. Wir halten uns an alle Regeln, bleiben zu Hause und die dürfen machen, was sie wollen."

Thema ist nicht einheitlich geregelt

Das Thema Motorradfahren ist deutschlandweit nicht einheitlich geregelt. So informiert der ADAC auf seiner Internetseite: "In den Bundesländern mit Ausgangsbeschränkung (Bayern, Sachsen und Saarland) ist eine reine Vergnügungstour kein ›triftiger Grund‹, die Wohnung zu verlassen, und gilt auch nicht als Sport an der frischen Luft. Erlaubt wäre hingegen eine Besorgungsfahrt, beispielsweise zum Einkaufen. Im Saarland und in Brandenburg ist die Motorradspritztour trotz Ausgangsbeschränkung noch erlaubt." Außerdem rät der Automobilclub generell von nicht notwendigen Fahrten in allen Bundesländern unter dem Aspekt des Gemeinwohls ab. ADAC-Jurist Stefan Bergmann: "Jede Ausfahrt birgt ein gewisses Risiko für Pannen oder Unfälle. Wer die Maschine stehen lässt, vermeidet im Ernstfall unnötige Gefahren für Pannenhelfer oder Einsatzkräfte."

Aber auch wenn die Corona-Krise irgendwann vorbei gehe, das Lärmproblem bleibe, ist sich Gepperth sicher. "Wenn ich die Wettervorhersage im Fernsehen sehe und es heißt, es kommt ein traumhaftes Wochenende, dann reicht es mir schon wieder", sagt sie. Und sie fühlt sich im Stich gelassen. Sie habe sich auch schon an die Stadtverwaltung gewandt, aber "der eine schiebt es auf den anderen", klagt sie.

Tatsächlich hat die Stadt wenig Handhabe, denn die Straße ins Obere Enztal ist eine Landesstraße. "Ich kann die Beschwerden sehr gut nachvollziehen. Wir setzen uns deshalb für die Belange der Anwohner ein, wo wir nur können. Allerdings liegt die Entscheidung über Maßnahmen am Ende nicht bei uns, da in der Regel Bundes- oder Landesstraßen betroffen sind", sagt Bürgermeister Klaus Mack auf Anfrage des Schwarzwälder Boten. In Calmbach habe man innerorts beispielsweise im Jahr 2016 einen Lärmschutzaktionsplan mit groß angelegter Bürgerbeteiligung auf den Weg gebracht. Der Gemeinderat hätte dann beschlossen, dass in Calmbach auf allen Durchgangsstraßen Tempo 40 beantragt werden soll. Die Genehmigungsbehörde habe das aber abgelehnt. Beschränkungen dürfe es nur dort geben, wo nachweislich die Lärmwerte überschritten seien. Der Lärmschutzaktionsplan werde nach fünf Jahren, also 2021 neu aufgelegt. Dann könne man einen neuen Vorstoß wagen. Mack weiter: "In der Wildbader Straße wurde aus anderen Gründen eine 30er Zone eingerichtet. Dort haben wir jetzt eher die Beschwerden, dass zu viel geblitzt wird."

Aber auch der Bürgermeister würde sich in der Corona-Krise "mehr Zurückhaltung und Verantwortungsgefühl der Motorradfahrer wünschen. Aber solange es erlaubt ist, hat man keine Handhabe. Hier sollte der Gesetzgeber klare Regeln aufstellen", fordert er.

Bürgermeister fordert mehr Kontrollen

Auch für den Lautenhof habe man eine Geschwindigkeitsbegrenzung an der Einfahrt beantragt, "allerdings wurde dieser Vorschlag im Rahmen einer Verkehrsschau nicht befürwortet", so Mack weiter.

Von den vorgeschlagenen Displays, "die freundliche Hinweise zum langsamen Fahren geben", hält er nicht viel. Die seien sehr anfällig, zudem halte die Wirkung nur sehr kurz an. Die Stadt habe damit keine guten Erfahrungen gemacht, sagt er.

Über den Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord beteilige sich die Region und somit auch Bad Wildbad an der Initiative "Lärmarmer Schwarzwald". Viele Maßnahmen wie Flüsterasphalt oder technische Änderungen bei den Motorrädern würden aber "das Problem kurzfristig nicht lösen", glaubt der Bürgermeister.

Die Probleme im Lautenhof, im Bereich Christophshof und auf der B 296 Richtung Oberreichenbach bekomme man "meines Erachtens nur durch vermehrte Kontrollen in den Griff. Unser Ordnungsamt fasst derzeit die Beschwerden zusammen. Dann werden wir einen erneuten Anlauf nehmen. Wir werden das Landratsamt bitten, vermehrt auf Geschwindigkeitskontrollen speziell für Motorradfahrer zu setzen. Einfache Blitzer reichen da nicht aus", ist er überzeugt.

Auch Gepperth sagt, dass es viele Appelle geben würde, an die sich die Motorradfahrer aber nicht halten würden. "Wir wollen einfach nur unsere Ruhe und haben sie nicht", klagt sie und erzählt, sie sei wegen ihres Partners nach Bad Wildbad gezogen. Mittlerweile sei sie aber wegen des Lärms "am Überlegen, wieder wegzuziehen". Deshalb will sie, wenn die Corona-Krise vorbei ist, auch eine Unterschriften-Aktion starten. Und sie hofft, dass durch Geschwindigkeitsbeschränkung und stärkere Kontrollen endlich wieder Ruhe in dem Wohngebiet einkehrt, das derzeit nicht zu Unrecht Lautenhof heißt.