Akademiedirektorin Carmen Mattheis (links) im Gespräch mit Sara Atzmon. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Holocaust: 85-Jährige Sara Atzom in Bad Wildbad

Bad Wildbad. Sicherlich der informativste, aber auch erschütterndste Teil der Fortbildungsveranstaltung der Landesakademie Wildbad zum Thema "Reichspogromnacht" war der persönliche Bericht der heute 85-jährigen Israelin Sara Atzmon, die durch einen glücklichen Zufall den Holocaust überlebte. Sie war mit ihrem Ehemann Uri nach Bad Wildbad gekommen, um ihr Leben darzustellen, aber auch, um den mit ihr im Jahr 2012 gedrehten Film "Holocaust light gibt es nicht" zu kommentieren.

Sara Atzmon ist gebürtige Ungarin. 1944 wurde die Familie Gottdiener (Mädchenname) mit einem Kindertransport nach Auschwitz deportiert. An der polnischen Grenze wurde der Zug gestoppt und sie erfuhren, dass Auschwitz "voll" sei. Der Zug wurde nach Österreich in das Arbeitslager Strasshof weitergeleitet, wo der Vater an Auszehrung starb. Im KZ Bergen-Belsen, verbrachten sie über ein halbes Jahr und mussten zusehen, wie die Leichen zu den Krematorien transportiert wurden. Drei Brüder und zahlreiche Verwandte, insgesamt 60 Mitglieder der Familie, kamen dort ums Leben. Nach der Befreiung durch das amerikanische Militär, die zwölfjährige Sara wog damals noch 17 Kilo, kam sie als Waise nach Palästina, wo sie nach ihrer Schulzeit in verschiedenen Berufen arbeitete, in Abendkursen ihre Ausbildung machte und sich schließlich als Siebzehnjährige zum israelischen Heer meldete. 1954 heiratete sie den Offizier Uri Atzmon, mit dem sie einen landwirtschaftlichen Betrieb gründete, sie schenkte sechs Kindern das Leben, heute hat sie 22 Enkel. Über den Holocaust wurde zu Hause 40 Jahre lang nicht gesprochen.

Bekannte Malerin

Sie selbst hatte mit 55 Jahren zu malen begonnen. Themen waren dabei Erlebnisse ihres Lebens, vor allem über ihre Kindheit, die keine war. Atzmon zählt heute zu den bekanntesten israelischen Malerinnen, deren Werk im In- und im Ausland gezeigt werden. Vor zwei Jahrzehnten begann sie, Vorträge in israelischen und deutschen Schulen über den Holocaust zu halten. Sie war außerdem der Ansicht, man müsse ihre Erlebnisse für spätere Generationen in einem Film festhalten.

Ein Lehrer aus Mundelsheim, an dessen Schule sie einen Vortrag zum Thema Holocaust hielt, überredete sie, selbst in einem Film mitzuwirken, der schließlich mit ihr und ihrer Enkelin gedreht wurde. Atzmon erzählt mit diesem sehr persönlichen Film der Enkelin ihre Lebensgeschichte, zeigt Fotos ihrer früheren Familie, betrachtet Filmausschnitte vom Leben und Sterben in den Konzentrationslagern und bringt so ganz persönlich diese Zeit dem Filmzuschauer nahe. Sprecherin ist Iris Berben. Der Film kann heute im Internet als DVD erworben werden.

Bei der sich anschließenden Vorführung des Films im KiWi-Kino konnten die Besucher, auch viele Nicht-Teilnehmer des Lehrgangs, einen Einblick in dieses berührende und erschütternde Werk bekommen, zu dem Atzmon abschließend noch Stellung nahm: "Ich will keine Schuld zuweisen. Ich will, dass die Menschen Verantwortung übernehmen. Das Wissen um die Barbarei der Nazis schafft ein Gespür, heute Unrecht, Rassendiskriminierung und Unterdrückung zu erkennen."