Das Familiengrab, in dem auf dem Waldfriedhof Josef Weber bestattet ist, weist diesen als Bundesbahninspektor und Ehrenbürger der Stadt Wildbad aus.Foto: Schabert Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Nach dem Tod des ersten Nachkriegsbürgermeisters Karl Schlüter war Ehrenbürger Josef Weber Amtsverweser

Um die Bäderstadt haben sich viele Persönlichkeiten verdient gemacht, einige ganz besonders. Diese wurden dann durch Ratsbeschluss zu Ehrenbürgern ernannt. Manche früheren Namen haften noch im Gedächtnis. Beim Gang über den Waldfriedhof taucht auf einem der Grabsteine auf: "Josef Weber, Bundesbahninspektor, Ehrenbürger der Stadt Wildbad, 1884 – 1963". An dessen Wirken erinnern sich nur noch wenige.

Bad Wildbad. Aber Emil Günthner aus Calmbach, der gerade das Grab alter Freunde ganz in der Nähe aufsuchte, kennt die Geschichte dieses Ehrenbürgers und hat auf dessen Grabstein aufmerksam gemacht. Josef Weber war Bahnhofsvorstand und wohnte nach der Pensionierung noch im Wildbader Bahnhofsgebäude, wo später Emil Günthner als Berufskollege ein- und ausging. Weber leitete in kurzer, aber schwieriger Zeit die Geschicke der Stadt. Er saß vom 12. August 1947 bis zum 4. Dezember 1948 als Amtsverweser auf dem Bürgermeistersessel im Wildbader Rathaus.

Der erste Bürgermeister, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Wildbad gewählt wurde, war Karl Schlüter. In seinem Buch "Hoffnung Krieg Not" berichtet Heimatgeschichtler Fritz Barth aus Calmbach davon und über die erste Gemeinderatswahl nach dem Zweiten Weltkrieg. Beide Wahlen fanden am 15. September 1946 statt. Vier Bewerber gab es damals um das Amt des Stadtoberhaupts: Karl Huzel (Freie Wählervereinigung), Karl Schlüter (Freie Wählervereinigung 2), Wilhelm Faatz (CDU) und Fritz Funk (Wildbader Wählerschaft). Der seit 25. November 1945 die Rathausgeschäfte führende, von der französischen Besatzung eingesetzt gewesene Herrenalber Gustav Lang kandidierte nicht.

Bei der Wahl erhielt Gustav Lang 60 Stimmen, obwohl er gar nicht antrat

Schon 1946 galt, dass zur Wahl im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen notwendig sind. Dies erreichte keiner der Kandidaten. Karl Schlüter, von Beruf Zimmermeister, kam auf 1026 der abgegebenen, 2261 gültigen Stimmen, auf Faatz entfielen 777. Die beiden anderen Kandidaten hatten jeweils knapp 200 Wähler gewinnen können. Personen, die sich nicht bewarben, standen 70 Mal auf den Stimmzetteln. Allein 60 davon trugen den Namen Gustav Lang. Zur Stichwahl am 29. September 1946 traten nur noch Faatz und Schlüter an. Letzterer – Urgroßvater des heutigen Bürgermeister-Stellvertreters Jochen Borg – gewann mit großem Vorsprung.

Barth beschreibt den Start des Gewählten wie folgt: "Die Amtseinsetzung von Karl Schlüter fand am 6. Oktober 1946 im festlich geschmückten Kursaal durch Landrat Emil Wagner und Kreisgouverneur Hubert Frénot statt. Auch der Wildbader Stadtkommandant Paupart war anwesend. Nahezu 650 Wildbader Bürger waren Zeuge des feierlichen Aktes. Landrat Emil Wagner, Gouverneur Hubert Frénot und der bisherige Bürgermeister Gustav Lang hielten Reden zur Amtseinsetzung von Karl Schlüter. Karl Schober sprach im Namen des Stadtrats. Als Vertreter der älteren Generation sprach Oberlehrer Wildbrett."

Der beliebte und geachtete Handwerksmeister war nur zehn Monate im Amt

Nur zehn Monate übte Schlüter das Amt aus. An einer fortschreitenden Krankheit leidend verstarb er am 11. August 1947. Eine große Trauergemeinde begleitete den letzten Gang des beliebten und geachteten Handwerksmeisters und Kommunalpolitikers. Unisono betonten vom Landrat bis hin zu Bürgermeister-Stellvertreter Josef Weber in 13 Nachrufen die Redner den engagierten Einsatz zur Gestaltung der Geschicke der Stadt. Das SPD-Mitglied habe sein Amt jederzeit überparteilich ausgeübt. Jetzt wurde es Aufgabe des Stadtrats und Bahnhofsvorstehers Weber, als Bürgermeister-Stellvertreter die Dinge in die Hand zu nehmen.

Der spätere Ehrenbürger tat dies als Amtsverweser mit Umsicht und zielstrebig wie sein Vorgänger. Er war außerdem Mitgründer der CDU Württemberg-Hohenzollern. Mitgewirkt hat er an den Vorarbeiten zur Verfassungsgebenden Landesversammlung in Bebenhausen. Diese galten letztlich der Gründung des heutigen Südweststaates.

Die Rathaus-Geschäfte übergab Weber zum 5. Dezember 1948 an den frisch (wieder) gewählten Paul Kießling. Denn der neue war ein alter Rathauschef: Er war schon vom 5. Mai 1933 bis 20. April 1945 Bürgermeister und blieb nach einer Wiederwahl 1954 bis Ende Oktober 1959 im Amt.

Beim Gang über den Friedhof weckt so mancher Name auf einem Grabstein Erinnerungen. Oft geht es dabei um eine ganz persönliche Verbundenheit. Manchmal steckt dahinter aber – auch auf dem Waldfriedhof – ein Prominenter oder besonders verdienter Mitbürger. Dann interessiert die hinter dem Namen steckende Geschichte vielleicht viele Leser. In einer kleinen Serie soll in unregelmäßigen Abständen berichtet werden.