Gespannt schauen die Landräte Helmut Riegger (rechts im Vordergrund) und Christoph Schnaudigel (Karlsruhe) mit Bad Herrenalbs Bürgermeister Norbert Mai auf die Abstimmung der Landtagsabgeordneten zum Thema Landkreiswechsel Bad Herrenalbs nach Karlsruhe. Foto: Kunert

Bad Herrenalb bleibt im Landkreis Calw. "Riss durch die Gemeinde muss gekittet werden." Mit Kommentar

Stuttgart/Kreis Calw - Mit den Stimmen der Regierungsparteien Grüne und CDU sowie der Oppositionsparteien SPD und FDP hat der baden-württembergische Landtag auf seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause einen Landkreis-Wechsel der Kurstadt Bad Herrenalb erwartungsgemäß abgelehnt.

"Ich bin sehr zufrieden", so Calws Landrat Helmut Riegger unmittelbar nach der Abstimmung im Landtag. "Ich freue mich richtig, dass unsere Einschätzungen hier so eindeutig bestätigt wurden." Riegger hatte gemeinsam mit seinem Landrats-Kollegen Christoph Schnaudigel aus dem Kreis Karlsruhe und Bad Herrenalbs Bürgermeister Norbert Mai von der Empore des Plenarsaals aus die teils mit den Abgeordneten der AfD sehr polemisch geführten Debatte verfolgt.

Auch für Bürgermeister Mai geht der Landtagsentscheid in Ordnung: "Wenn sich beide angesprochenen Landkreise gegen einen Landkreiswechsel aussprechen, müssen wir das so akzeptieren." Herrenalbs Stadt- und Kreisrat Manfred Senk (Grüne), der an diesem Vormittag ebenfalls mit nach Stuttgart gereist war, ergänzt: "Wichtig ist jetzt, dass wir die seit dem Bürgerentscheid zum Landkreiswechsel tief gespaltete Bürgerschaft wieder zusammenbringen. Es gilt, den tiefen Riss durch die Gemeinde zu kitten." Helfen könne dabei aber sicher die übergroße Euphorie, die mit der Gartenschau im vergangenen Jahr in Bad Herrenalb – trotz der Diskussionen um den angestrebten Landkreiswechsel – die gesamte Bürgerschaft erfasst habe.

Von der Landesregierung und den meisten Parteien im Landtag nehmen Bad Herrenalb und die Landkreise Calw und Karlsruhe zudem die verbindliche Aufforderung mit, den ablehnenden Bescheid zum Landkreiswechsel zum Anlass zunehmen, die interkommunale Zusammenarbeit über Kreisgrenzen hinweg weiter auszubauen.

Botschafter ins Rheintal

"Wobei wir das bereits seit Jahren und sehr intensiv auf den verschiedensten Felder machen", so Riegger und Kollege Schnaudigel einmütig, wobei sie Herrenalbs Bürgermeister Mai symbolisch (und fürs Foto) zwischen sich nehmen - "nicht um an ihn stellvertretend für Bad Herrenalb zu zerren", wie Landrat Riegger augenzwinkernd kommentiert. Sondern, um Bad Herrenalb künftig als "Brücke" zwischen Nordschwarzwald und Rheintal – und "als Botschafter ins Rheintal hinein" (Zitat MdL Thomas Blenke) zu nutzen.

Weshalb wohl Norbert Mai den Anlass auch "sehr bewusst nutzen" will, die gewachsene Bedeutung seiner Stadt eben an der Nahtstelle der beiden Landkreise und die neu gewonnene Aufmerksamkeit erst durch den Bürger-, und nun durch den Landtagsentscheid in konkrete Zukunftsperspektiven umzumünzen.

Zum Beispiel beim Thema Thermalbad-Sanierung: Calws Landrat Riegger bestätigt, dass man sich seitens des Landkreises "sehr intensiv" für Bad Herrenalb einsetze werde, um für dieses wichtige Projekt an Fördertöpfe der Landesregierung heranzukommen. "Herrenalb war und ist da ein nicht nur touristischer Leuchtturm für uns."

"Da sollte helfen, dass die Abgeordneten im Landtag jetzt Bad Herrenalb kennengelernt haben", so Mai ergänzend. Und gerade diese übergroße touristische Bedeutung der Kurstadt für den Bäderkreis Calw war auch in den gestrigen Debattenbeiträgen im Landtag immer wieder herausgehoben worden als Beleg dafür, warum Herrenalb Teil des Kreises Calw bleiben sollte. Mai würdigt aber auch, dass sich der Landkreis bereits bisher "immer wieder sehr für Bad Herrenalb engagiert" habe – etwa bei der Gartenschau, dem Zuschuss zum ÖPNV oder erst ganz aktuell beim Zuschuss zur Kulturarbeit der Stadt wie dem Sommernachtstheater.

Für Landrat Helmut Riegger ist der Entscheid des Landtags, den Landkreiswechsel von Bad Herrenalb abzulehnen, auch eine Fortsetzung einer bereits sehr erfolgreichen "Woche der ganz großen Entscheidungen" für den Landkreis: Verabschiedung des Mega-Haushalts für 2019, einvernehmliche Einigung auf die Erhöhung der Kreisumlage, Aufnahme des Kreises in den Landeskrankenhausplan mit Gewährung des Millionen-Zuschusses für die Sanierung der Kliniken Nagold. "Jetzt würde eigentlich nur noch ein Einlenken des Nabu bei der Hessebahn in der Fledermaus-Frage fehlen." Aber auch so sei allein der Verbleib von Bad Herrenalb in Landkreis Calw "ein wirklich tolles Weihnachtsgeschenk".

Riegger rechnet zudem damit, dass "mit der wachsenden Digitalisierung in der Verwaltung" viele Forderungen der Kreiswechsel-Befürworter nach kürzeren Wegen zu Verwaltungen und Kreis-Organisationen "sich erledigen werden" – weil man zum Beispiel sein Auto künftig wird vom heimischen Schreibtisch aus an- und ummelden können. "Das ist keine bloße Zukunftsmusik, das sind konkrete Vorhaben der Verwaltung, die wir umsetzen werden." Auch deshalb rechnet er – wie auch Herrenalbs Bürgermeister Mai – in absehbarer Zeit nicht damit, dass es irgendwann einen zweiten, neuen Anlauf für einen Landkreiswechsel geben könnte. "Die Kommunen und Landkreise werden auch so in allen Bereichen immer weiter und immer schneller zusammenwachsen."

Kommentar: Weckruf

Von Axel H. Kunert

Okay – mit dem Landkreiswechsel hat es für Bad Herrenalb nicht geklappt. Aber es war im baden-württembergischen Landtag spürbar: Das erstmalige Ansinnen einer Kommune im Land überhaupt, die Kreiszugehörigkeit ändern zu wollen, war ein Weckruf. Innenminister Thomas Strobl begründete die Ablehnung des Wechselwunsches auch damit, dass das Land keinen Präzedenzfall habe schaffen wollen. Um da den "Deckel auch künftig sicher auf den Topf" halten zu können, wird es Anstrengungen geben müssen – über pure Ablehnungsbescheide wie in diesem Fall hinaus. Zum Beispiel mit einer Zuschussgewährung für ein sanierungsbedürftiges Thermalbad "mit kreisüberschreitender Strahlkraft". Das wäre sicher das richtige Signal an andere "wechselwillige Kommunen", lieber konkrete Projekte anzugehen, als gleich eine "große Gebietsreform" zu fordern.