Trauerbegleiter und Pfarrer Klaus Onnasch. Fotos: Stieber Foto: Schwarzwälder-Bote

Akademietagung über Aspekte des Seelenbegriffs / Verrücktes Experiment

Bad Herrenalb. "Wie viel wiegt die Seele?", fragte vor 100 Jahren ein amerikanischer Arzt und unternahm ein makabres Experiment: Er stellte ein Bett mit einem Sterbenden auf eine Waage und stellte fest, dass dieser nach seinem Tod 21 Gramm weniger wog. Da er der Ansicht war, dass die Seele nach dem Tod aus dem Körper entweicht, behauptete er, nun sei bewiesen, dass die Seele eben 21 Gramm wiegen würde.

Aus heutiger Sicht sei dies ein verrücktes Experiment, sagte Akademiedirektor Klaus Nagorni zur Eröffnung der Akademietagung "Und wo bleibt die Seele?". Jedoch sei dahinter der Wunsch zu erkennen, das spürbare und doch nicht greifbare "Phänomen Seele" fassen zu wollen.

Heute neige die Hirnforschung dazu, "Seele, Geist und Selbst als idealistische Gespenster endgültig aus der Welt zu verbannen", betonte der Psychiater und Philosoph Thomas Fuchs (Heidelberg) in der Evangelischen Akademie in Bad Herrenalb. Infol-gedessen sei das Gehirn nicht mehr nur der Sitz des Geistes, sondern werde "zum Nachfolger der Seele". Fuchs warnte davor, den Reichtum psychologischen Wissens und hermeneutischen Verstehens, das man in der 3000-jährigen abendländischen Geschichte gesammelt habe, zugunsten einer reduktionistischen Beschreibung physikalischer Prozesse im Gehirn über Bord zu werfen. Eine solche Verdinglichung leiste Götzenbildern Vorschub, "die das Lebendige und Erlebte in Mechanisches und Totes verwandeln".

Schon im 19. Jahrhundert wurde mit diversen philosophischen und psychologischen Theorien des Bewusstseins der Versuch unternommen, die "Einheit des Bewusstseins" ohne Rückgriff auf das Konzept "Seele" zu beschreiben und zu erklären. Daran erinnerte der Kulturphilosoph Gerald Hartung (Wuppertal). Inzwischen rückten die Grenzen dieser Theorien in den Blick und heute sei durchaus wieder vom "Seelenleben" die Rede.

Selbst und Seele setzte der Philosoph Matthias Jung (Koblenz-Landau) in seinem Beitrag "Der Möglichkeitsmensch" in Bezug. Ohne die kreative Überschreitung dessen, was ist, würde es keine Religion, Ästhetik oder Ethik geben.

Für einen weiten Leibbegriff, in dem das Seelische gleichsam schon enthalten ist, plädierte Gernot Böhme, Direktor des Instituts für Praxis der Philosophie (Darmstadt).

Der Theologe Wolfgang Drechsel (Heidelberg) zeigte in einem Beitrag über die Seelsorge, dass die Rede von der Seele niemals wertfrei sei, sondern immer auch eine spezifische Deutung menschlicher Lebenswirklichkeit beinhalte. Für eine positive Rezeption der Neurobiologie im Bereich der konkreten Seelsorge sprach sich der Trauerbegleiter und Pfarrer Klaus Onnasch (Kiel) aus: Die Erkenntnisse der Hirnforschung könnten zum Verständnis von seelischem Schmerz und Trauer beitragen.

Die Kunsthistorikerin Ulrike Rein (Pforzheim) illustrierte auf der Akademietagung, die gemeinsam mit der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg und dem Zentrum für Seelsorge der Evangelischen Landeskirche in Baden veranstaltet wurde, wie das Seelische in der Kunst thematisiert wird. Der Begründer der Kunstwissenschaft, Johann Joachim Winckelmann, habe wie selbstverständlich in den Meisterwerken zumeist der griechischen Kunst "eine große und gesetzte Seele" erkannt. In der Kunst der Gegenwart würde das Seelische eher indirekt und verhüllt gezeigt.