Beim "Wild Hog"-Festival 2019 war die Welt noch in Ordnung: Heute spüren (von links) Lukas Abendschön, Anna Waldvogel, Julian Ochs, Lea Abendschön, Theresa Lienen und Philipp Leitschuh die Auswirkungen von Corona in vielen Bereichen ihres Lebens. (Archivfoto) Foto: Gegenheimer

Ihr "Wild Hog"-Festival werden sie dieses Jahr nicht veranstalten. Auch sonst hat sich im Leben des Organisatoren-Sextetts manches durch Corona verändert. Die Mittzwanziger berichten.

Bad Herrenalb-Bernbach - Die sechs jungen Frauen und Männer, alle zwischen 23 und 25 Jahre alt und mit Liebe zur Musik, kennen sich teils schon aus Bernbacher Grundschulzeiten. Sie haben die Kontakte über unterschiedliche Hobbys und berufliche Wege hinweg nie verloren, andere neu aufgebaut. Seit 2016 ziehen sie – vier davon von Beginn an – für das "Wild Hog"-Festival Jahr für Jahr an einem Strang. Hier erzählen sie, wie sie die besondere Corona-Zeit wuppen, die auch an Mittzwanziger viele Herausforderungen stellt.

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Theresa Lienen kam in der Grundschulzeit mit ihrer Familie vom Niederrhein in den Höhenort. Nach dem Studium hat die 24-Jährige im Coronajahr 2020 als Marketingmanagerin für ein Unternehmensnetzwerk gearbeitet. Und wurde von den Ereignissen voll getroffen: Ab März 2020 war sie in Kurzarbeit im Homeoffice, teilweise mit nur zwei Arbeitsstunden täglich. Dann wurde ihre Stelle zum Februar 2021 ganz abgebaut – Veranstaltungen sind schließlich weiterhin keine möglich.

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Doch so wie sie Pech hatte, hatte die junge Frau auch Glück: Nahtlos konnte sie wieder in der Redaktionsassistenz beim SWR anfangen. Dort, wo sie bereits zu Studienzeiten gearbeitet hatte, ist sie am Dreh von Youtube-Videos beteiligt – genau ihr Ding.

Corona macht Striche durch die Rechnung

Auch privat hat Corona bei ihr einige Striche durch Rechnungen gemacht: Der Kreta-Urlaub wurde schnell noch umgebucht nach Österreich, doch zwei Tage vor Urlaubsstart wurde das Gebiet zum Hochrisikogebiet heraufgestuft: Urlaub ganz geplatzt. Stattdessen wurde sie zu Hause kreativ: "Malen und Makramee!" Kontakte wurden ins Internet verlagert, Facetime ersetzt Besuche. Und das nicht nur beim Kontakthalten mit gleichaltrigen Freunden: "Meine Oma ist über 80. Wir haben ihr ein Tablet geschenkt, und nun freut sie sich, mit uns zu skypen!"

Und sonst? Sind bei Theresa Lienen in normalen Zeiten jedes Jahr drei Wochen fürs Sommernachtstheater "fest verbucht". "Jetzt sprechen wir nur unsere Texte per Zoom. Das ist kein wirkliches Theatergefühl! Jeder fiebert darauf hin, bis es endlich wieder wirklich losgeht."

Bodensee statt Griechenland

Lukas Abendschön, ebenfalls 24, ist gebürtiger Bernbacher. Auch wenn er momentan "ausgewandert" ist ins Murgtal: "Langfristig gibt es die Planung, nach Bernbach zurückzukehren." Seinen Berufszweig Informationstechnologie hat er in der Pandemie noch mehr schätzen gelernt: keine Sorge wegen Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust. Zwar fehle der persönliche Kontakt, aber virtuelle Meetings mit Kunden und Kollegen – bis hin zu "Kaffeepausen-Meetings" aus dem Homeoffice – halten die Kontakte aufrecht. Mit Freunden läuft viel über Facetime und Zoom.

Auch bei ihm – samt Freundin Anna Waldvogel (25) – musste die Urlaubsplanung 2020 an Corona angepasst werden: Bodensee statt Griechenland. Im Hobbybereich heißt es jetzt Hundespaziergang statt Fitnessstudio. Die beiden haben einen Welpen aus dem Tierschutz geholt.

"Der Trend zum Homeoffice, der wohl bleibt, und unsere flexiblen Arbeitszeiten ermöglichen das Kümmern auch nach Corona", ist sich Lukas Abendschön sicher. Die Orchesterproben mit seinem Musikverein lassen sich allerdings nicht ersetzen, bedauert er. Und falls irgendwo in der Region ein motiviertes Team sich das gelungene "Wild Hog" 2020 zum Vorbild für eine Veranstaltung 2021 nehmen möchte, bietet er gern seine Unterstützung an.

Bislang keine Bandproben

Aus dem Murgtal kommt ursprünglich Anna Waldvogel, die durch ihren Freund zum Bernbacher Festival gekommen ist. Dort ist sie seit einigen Jahren doppelt engagiert: in der Organisation und mit ihrer Band B.A.N.K. Dass mit dieser keine Proben stattfinden können und das seit vielen Monaten, sei sehr schade. Ebenso vermisst sie größere Familientreffen. Ihre Freizeitgestaltung hat sich verändert: statt Fitnessstudio kommt bei ihr neben dem Gassigehen noch "Laufen oder Yoga mit Theresa" dazu.

Auch sie ist im Beruf nicht von Einschnitten betroffen: "Ich arbeite im Vertriebsmanagement in der IT-Branche." Seit über einem Jahr ist sie bereits im Homeoffice. Was für manchen eine echte Herausforderung ist, meistern die beiden Twens in der gemeinsamen Wohnung gut: "Man ist über die Technik gut vernetzt und spart Zeit." Doch auch Anna Waldvogel sagt: "Die Kaffeepause mit Kolleginnen und Kollegen fehlt!"

Philipp Leitschuh ist wiederum in Bernbach aufgewachsen, das Vereinsleben schätzt er. Ein "echtes Dorfkind" eben, wie der 24-Jährige es humorvoll beschreibt. Und jede Menge Beispiele liefert, die eben seit dem vergangenen Jahr nicht so laufen wie vorher: Bei der Feuerwehr trifft man sich lediglich zum Wartungsdienst in kleinen Gruppen, die anderen Bernbacher Dorfhexen hat er schon lange nicht gesehen. Die Feste und Ausflüge der Freizeitkicker fehlen – ein Arbeitseinsatz auf dem Sportplatz war das einzige "Event".

"Die Feste vermisse ich am meisten", gesteht Philipp Leitschuh, "da hat man immer Leute wiedergetroffen, die man lange nicht gesehen hatte. Und sich auf jedes weitere Wochenende gefreut, um woanders in der Umgebung der schrecklichen Volksmusik zuzuhören und mitzupfeifen!" Tickets für Festivals und Musicals verfielen, Kontakte reduzieren sich auf ein Minimum, stellt er fest.

2020 war noch mehr Vorbereitung nötig

Im Beruf, als Projektleiter in einer Werbeagentur, hat sich die Arbeit durch viel Homeoffice verändert. Dass "Teams, Zoom und Co. daily business" geworden sind, entlarvt den solcherart anpassungsfähigen "Digital Native". Doch auch er sehnt sich "ein bisschen nach den Vor-Ort-Terminen".

Wer hat nicht schon einmal Lea Abendschön singen gehört in Bernbach? Ob auf dem "Wild Hog"-Festival oder beim Benefizkonzert in der Kirche mit dem Akkordeonorchester. Haarscharf vor dem ersten Corona-Lockdown gab es Anfang März 2020 den letzten solchen Auftritt. Mit ihrer Tanzgarde in Michelbach, wo sie herkommt, war 2021 selbst Training Fehlanzeige, bedauert sie.

Ihre Ausbildung zur Finanzassistentin läuft ebenfalls grundlegend verändert: "Die hat in der Pandemie begonnen", so die 23-Jährige, "und manche Kollegen kenne ich ausschließlich mit Maske. Mittlerweile finden Unterricht und Seminare nur noch online statt, was das Lernen nicht einfacher macht." Im familiären Umfeld mussten 2020 Feste wie ein 18. Geburtstag ebenso ausfallen wie eine Konfirmation.

Seit drei Jahren wohnt Lea Abendschön in Bernbach – mit einem, der ebenfalls von Beginn an zum "Wild Hog"-Team gehört, nämlich Julian Ochs. Der Ur-Bernbacher hat als Mechatroniker in der Automobilbranche 2020 Kurzarbeit bis hin zur Arbeitszeitverkürzung erlebt. Strenge Hygienevorschriften und regelmäßige Coronatests begleiten ihn bei der Arbeit nach wie vor. Das berufsbegleitende Studium zum Wirtschaftsingenieur läuft zum Glück komplett online.

Und in der Freizeit? Musste ein Hausbooturlaub storniert werden, haben sich Kontakte verringert – den Coronavorschriften Rechnung tragend. Was viele Leute erlebt haben, bestätigt auch der 24-Jährige: "In der Anfangsphase des ersten Lockdowns gab es durchaus positive Seiten. Wir haben Dinge erledigt, die wir lange geschoben hatten. Wohnung streichen oder neue Kochrezepte ausprobieren!"

Keine Sonderaktionen gab es bei der Feuerwehr, berichtet er bedauernd, auch Übungen lange Zeit keine. "Seit Ende 2020 üben wir alle vier Wochen in festen Gruppen, Ausschusssitzungen gibt es nur über Zoom." Seit zwei Jahren ist der engagiere Jung-Bernbacher auch Ortschaftsrat. Hier, erklärt er, gebe es weiterhin Präsenzsitzungen, allerdings unter strengen Hygieneauflagen.

Auf ihr "Wild Hog"-Festival 2020, im Corona-Jahr, sind alle sechs besonders stolz. Es sei das intensivste Festival mit der meisten Vorbereitung gewesen. Erschwert dadurch, dass vieles virtuell abgesprochen werden musste. Dass das Festival funktioniert hat, als eines der ganz wenigen mitten in der Coronazeit mit einem ausgefeilten Konzept und dann noch ein großer Erfolg wurde, spricht für sie. Und lässt sie vorausschauen auf das Jahr 2022 und eine mögliche Fortsetzung. Zu der ihnen weiter viel Optimismus und Bereitschaft zum Engagement in einer schwierigen Zeit zu wünschen ist.

Corona hat Auswirkungen auf unser aller Leben. Die Einschränkungen, zumal im Lockdown, sind groß. Besonders heftig treffen sie junge Menschen. Zum einen passen Kontaktbeschränkungen und die Pflicht, daheimzubleiben, so gar nicht zu ihrem Alltag. Zum andern stehen sie an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt: Wer die Schule abschließt, will die Welt erkunden, eine Ausbildung machen oder zum Studium in eine neue Stadt ziehen. Die Möglichkeiten sind groß, die Welt steht offen. Normalerweise. Vieles macht Corona unmöglich. In einer Serie stellen wir Jugendliche und junge Erwachsene vor, deren Pläne die Pandemie über den Haufen geworfen hat. Außerdem kommen Experten zu Wort, die einordnen, was diese Situation für junge Menschen bedeutet.