Aus nach 15 Jahren: Petra Geisler hört zum 30. September als Pächterin des beliebten Naturfreundehauses Nagold auf. Foto: Kunert

Für ihre Fans – und die ihrer Küche im Nagolder Naturfreundehaus – war die Nachricht ein Schock: Petra Geisler hört zum 30. September als Pächterin des beliebten Ausflugslokals oberhalb der Remigiuskirche auf. "Die Ehe zwischen den Naturfreunden und mir ist gescheitert!"

Nagold - Der letzte Satz von Petra Geisler, die als Kassiererin auch Vorstandsmitglied des Wirtekreises im Nagolder Gewerbeverein ist, klingt bitter. Sie sei müde, sie sei ausgelaugt. Stehe kurz vor einem Burnout, sagt sie. Auch der beste Job der Welt sei es nicht wert, dass man sich die Gesundheit so ruiniere. Deshalb werde sie sich "erst mal um mich selber kümmern", wenn sie im Naturfreundehaus die Schürze an die Wand hängt.

Ob das dann wirklich für immer sein wird? Petra Geisler ist 59 Jahre alt, war die letzten 15 Jahre Wirtin des Nagolder Naturfreundehauses. Auch davor betrieb sie – anfangs gemeinsam mit ihrer Mutter – über 25 Jahre lang ein Naturfreundehaus: In Markgröningen (Kreis Ludwigsburg). Eigentlich sei sie gelernte Floristin, blickt Geisler auf ihr bisheriges, langes Berufsleben zurück. "Aber ich habe schon mit 15 Jahren mit in einer Pommes-Bude gearbeitet." Die Leidenschaft für die Gastronomie habe sie nie losgelassen. Ein paar Jahre habe sie Floristik und die Arbeit in der Küche parallel gemacht. "Beides sind sehr kreative Berufe." Bevor sie dann doch ihrer wahren Leidenschaft für die Gastronomie "mit Haut und Haaren" verfallen sei.

Mix zwischen Funktionalität und Atmosphäre

Das Projekt Naturfreundehaus Nagold habe sie damals schnell gereizt, als sie davon erfuhr. Und Petra Geisler erläutert, wie sich die Architektur, die Lage eines solchen Hauses, die Raumaufteilung, die Ausstattung auf den Service für die Gäste auswirken. Kurze Wege – damit das Essen immer möglichst heiß serviert wird. Und die Servicekräfte sich nicht auf endlos langen "Lieferwegen" verschleißen. Der Mix zwischen Funktionalität und Atmosphäre, der in einem Naturfreundehaus immer "von der Lage am Waldrand", also mitten in der Natur, geprägt wird.

Während Petra Geisler das alles erzählt, fällt die Bitternis für einen Augenblick von ihr ab. Die ungebrochene Leidenschaft als Gastronomin wird sichtbar. Und sie berichtet, wie sie mit dieser Leidenschaft versucht habe, ihr Unternehmen – und vor allem ihre treuen, langjährigen Mitarbeiter – durch die Corona-Krise zu führen. Zu keinem Zeitpunkt habe sie Kurzarbeitergeld beantragt, sondern mit den Überbrückungshilfen und den Umsätzen aus dem kurzfristig realisierten Lieferdienst versucht, "meine Leute durchzuziehen". Unglaublich viel Engagement, auch für den Azubi – "die mit Note 1,4" ihre Prüfungen bestanden habe. Stolz klingt da bei Petra Geisler an, dass sie auch unter Corona-Bedingungen eine gute Ausbildung anbieten konnte. Keine Selbstverständlichkeit in einer Branche, die über Monate im fast kompletten Lockdown ausharren musste.

Ehemann Ulli Mutz kommt hier, auf der Terrasse der Naturfreundehauses, kurz vorbei, will sehen, ob es seiner Petra gut geht. Ulli arbeitet – wenn er nicht gerade nach Feierabend Essen fürs Naturfreundehaus ausfährt – "in der IT". In ein "tiefes Loch" fällt Petra Geisler deswegen nicht, wenn sie am 30. September als Gastronomin aufhört. Im Gegenteil – Tochter ("Hat auch ihre Ausbildung bei mir gemacht") und Enkelkind ("Mit der Kleinen habe ich auch gut zu tun") freuen sich, mehr Zeit mit Mama und Oma verbringen zu dürfen. Ein Lächeln gibt nun Kraft, über das zu reden, was die Ehe mit den Nagolder Naturfreunden scheitern ließ.

"Das Tischtuch ist ein für alle mal zerschnitten"

Es ist ein Bericht von Misstrauen, Verdächtigungen, einer zunehmend eskalierenden Kommunikation. In der sich wohl ab einem gewissen Punkt immer mehr auch Missverständnisse mit hineinmischten – bis ein "Knäul" entstand, der sich auch mit noch so viel Wohlwollen nicht mehr auflösen ließ. Bis zur maximalen Eskalation, in der Petra Geisler die Kündigung ihres Pachtvertrags aussprach – und zeitgleich die Widerkündigung durch die Naturfreunde kassierte. Ein Punkt, der keine Umkehr, keine Versöhnung mehr zulässt – wie das in gescheiterten Ehen nun mal so ist. "Das Tischtuch ist ein für alle mal zerschnitten."

Petra Geisler sagt, dass sie das alles – die Kündigung, das Ende dieser Doppel- und Dreifachbelastung aus Corona-Folgen, den Betrieb aufrecht zu erhalten und den Problemen mit dem Verpächter – auch "als eine echte Befreiung" erlebe. Schon 2018 sei sie sehr "schwer erkrankt", musste eine komplizierte OP über sich ergehen lassen, war neun Monate krank geschrieben. Beruflich hieß das auch, "kürzer zu treten". Statt nur einem Ruhetag, führte sie damals einen zweiten Ruhetag ein. Durch die Corona-Krise kam dann auch noch ein dritter Ruhetag dazu. Auch das, weiß Geisler, traf sicher nicht nur auf Verständnis bei den Naturfreuden – für die das Naturfreundehaus eben auch das Vereinsheim, Dreh- und Angelpunkt ihrer Vereinsarbeit ist.

Aber ist das nun wirklich das Ende für sie als Wirtin? "Es ist doch immer so: Eine Tür geht zu, zwei neue dafür auf." Sie wisse, was sie als Gastronomin könne. Daher: Wenn sie wieder "zur Ruhe gekommen" sei – mal sehen. Jetzt gehe es ja auch noch darum, die "Scheidung" abzuwickeln. Ein neuer Pächter scheint schon gefunden – mit dem müsse der Übergang organisiert werden. Das meiste in Küche und Ausstattung sei ihr Besitz – "aber da werden wir eine gute Lösung finden". Auch um die Zukunft ihres "unfassbar tollen Teams" habe sie sich bereits gekümmert. Gutes Personal sei gerade ja sehr gefragt in der Branche. Und dann listet Petra Geisler auf, an wen ihr Dank alles geht: Die tollen Lieferanten, natürlich das Team, die Jäger vom hiesigen Hegering. "Und die vielen treuen Gäste." An dieser Stelle versagt Geisler dann doch die Stimme. Es bleibt halt ein wirklich harter Schnitt.

Sekt oder Taschentücher?

Genau deshalb wisse sie nicht, ob sie eine große Abschiedsparty wird feiern können. Sekt oder Taschentücher? "Vermutlich würde ich nur flennen." Da sind nun mal jede Menge tiefer Emotionen im Spiel. Und Petra Geisler blickt auf Mops Jackson, das bisherige Maskottchen des Naturfreundehauses. "Ich glaube, ihm wird das alles hier wohl am meisten fehlen!"