Sie diskutieren über Flächenfraß und regionales Gewerbegebiet (von links): Cornelia Häußermann von der Bürgerinitiative Pro Mühlbachebene, Jens Leyh vom Frauenhofer Institut, Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg, Bürgermeister Jens Keucher, Unternehmer Heinrich Sülzle sowie Moderator Martin Himmelheber. Foto: Steinmetz

Flächenfraß und regionales Gewerbegebiet: Zu diesem Thema veranstaltete der Kreisverband der Grünen eine Podiumsdiskussion im Bürgerzentrum Sigmarswangen.

Eingeladen hatten die Grünen im Kreis Rottweil, Cornelia Häusermann von der Initiative Pro Mühlbachebene, Jens Leyh, Building Culture Innovation Frauenhofer Institut IAO, Cindy Holmberg, Landtagsabgeordnete der Grünen und Sprecherin für den ländlichen Raum, Bürgermeister Jens Keucher und Unternehmer Heinrich Sülzle. Die Diskussionsrunde, in die auch die Besucher mit einbezogen wurden, moderierte der Journalist Martin Himmelheber.

Mit einem unwohlen Gefühl hatte sich Bürgermeister Keucher aufs Podium gestellt. Er habe zugesagt, weil es hieß, es gehe um Flächenfraß, dann sei aber der Themenschwerpunkt aufs regionale Gewerbegebiet gelegt worden. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich auf die Veranstaltung nicht eingelassen“, sagte er.

Er ist nicht der „Böse“

Seine Befürchtung, dass er als der „Böse“ da steht, ist jedoch nicht eingetreten. Es blieb die ganze Zeit über sehr sachlich. Obwohl Moderator Himmelheber gleich mit einer provozierenden Frage die Diskussion eröffnet hatte: Wozu würden 80 Hektar für ein Gewerbegebiet benötigt?

Keucher korrigiert

Das musste Keucher gleich korrigieren. Benötigt würden für die Ansiedlung eines großen Unternehmens 45 Hektar, der Rest sei für Flächenausgleich der Landwirte und Grünflächen vorgesehen. Keucher sprach von einem „Spagat“ zwischen Flächenverbrauch und der Zukunftsfähigkeit „unserer Wirtschaft“.

Auch Himmelhebers Feststellung, dass es keine Interessenten für das regionale Gewerbegebiet auf der Mühlbachebene gebe, widersprach Keucher. Konkrete Anfragen habe man bereits gehabt. Zudem wies er darauf hin, dass die Landesregierung Wert auf dieses regionale Gewerbegebiet lege.

Es sei politisch und demokratisch durch einen Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats legitimiert, und das müsse akzeptiert werden. Der Flächenverbrauch müsse jedoch in einem richtigen Verhältnis stehen. Jens Keucher: „Erschlossen wird erst, wenn klar ist, wer kommt und der Investor passt. Bis dahin stehen die Flächen der Landwirtschaft zur Verfügung.“

Die „wertvollsten“ Äcker

Die Gegenposition vertrat die Bürgerinitiative. „Mir geht es um die wertvollsten Äcker im Kreis Rottweil. Auf 45 Hektar kann man nicht verzichten“, sagte Cornelia Häußermann.

Es gibt bald Eckpunkte

Eine Pro- oder Kontra-Stellung zum regionalen Gewerbegebiet nahm die Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg nicht ein. Allgemein sagte sie, dass man mit Flächen sparsam umgehen müsse. Ziel sei die „Netto-Null“. Sie sah aber auch die Bedürfnisse des Wohnungsbaus und der Wirtschaft, weshalb man sich über Flächen Gedanken machen müsse.

„Wir beschäftigen uns gerade mit dem Handel von Flächenzertifikaten“, teilte sie mit. Sie kündigte an, dass die Eckpunkte des neuen Landesentwicklungsplans Ende des Jahres vorgestellt würden.

„Ich weiß es nicht“

Ob das regionale Gewerbegebiet auf der Mühlbachebene gebraucht werde, beantwortete der Wissenschaftler Jens Leyh vom Frauenhofer Institut mit einem „Ich weiß es nicht“. Was man dagegen wisse, sei, dass die Wirtschaft vor einer großen Transformation stehe. Daher stelle sich die Frage: Welche Möglichkeiten und Optionen seien dafür vorhanden und: „Wo ist die große Vision für die Region?“

Ein Unternehmer spricht

Mit dem „Green Innovation Park“ (GIP), Teil des interkommunalen Gewerbegebiets Sulz/Vöhringen, will Unternehmer Heinrich Sülzle jedenfalls die Vision vom „nachhaltigsten Gewerbegebiet der Zukunft“ realisieren. Auf einer Gewerbebrache, der ehemaligen Ziegelei, ist es ohne zusätzlichen Flächenverbrauch erschlossen worden.

Umso mehr bedauerte er, dass „wir nicht in den Start kommen“. Geplant sei gewesen, das Gebiet mit dem „Campus eins“ von vorne nach hinten zu entwickeln. Der Bauantrag könnte schnell genehmigt werden, doch nun hätten sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Die Förderung bleibe aus, die Baukosten seien um 30 Prozent gestiegen, die Bauzinsen um fünf Prozent.

„Es ist eine Schande“

Jetzt werde daran gedacht, das Gewerbegebiet für innovative Firmen von hinten nach vorne zu bebauen. Sülzle: „Es ist eine Schande, dass wir keine Unterstützung bekommen. Da hätten wir bewiesen, wie ein Gewerbegebiet der Zukunft ausschaut.“

Entmutigen lassen will er sich jedoch nicht: „Ich hoffe, dass der ,Green Innovation Park’ irgendwann entsteht.“ Die Landtagsabgeordnete bot Heinrich Sülzle an, sich seinen Fall nochmals anzuschauen.

Hinweis aus dem Publikum

Auf Unverständnis im Publikum stieß, dass ausgerechnet auf bestem Ackerboden ein Gewerbegebiet erschlossen werden soll. Habe man dafür nicht andere Flächen? Beschlüsse könnten auch wieder geändert werden.

„Woher soll unser Essen kommen, wenn die guten Ackerböden überbaut werden?“, fragte eine Zuhörerin. Davon seien auch Existenzen abhängig, und Lebensmittel würden zu teuer.

Antwort des Unternehmers

Sülzle hält den Flächenverbrauch dann für gerechtfertigt, wenn ein Unternehmen einen Mehrwert bringe, indem es attraktive Arbeitsplätze schaffe. Das müsse unter einem sozialen Aspekt gesehen werden, denn sonst wanderten die Kinder ab.

Dies würde sich die junge Landwirtin im Publikum auch wünschen. Doch sie befürchtet, dass es nicht bei der Versiegelung von 45 Hektar bleibe, denn es würden sich neben dem Großunternehmen noch andere Firmen ansiedeln.

Auch künftig sollte Landwirtschaft betrieben werden können: „Wir produzieren auf gutem Boden gute Lebensmittel. Ausgleichsflächen gibt es nicht. Das ist ein riesiges Problem.“