Hannah Miriam Jaag lässt das Wasser im Hüfinger Stadtbächle untersuchen. Das Labor findet darin Abbauprodukte von Glyphosat. Doch wie ist das Pflanzengift in das Wasser gelangt? Unsere Redaktion begab sich auf Spurensuche.
Die Stadtverwaltung Hüfingen setzt zur Unkrautbekämpfung heißes Wasser ein. Unliebsame Gewächse können so umwelt- und mitarbeiterschonend entfernt werden. Doch offenbar legt nicht jeder so viel Wert auf Naturschutz.
Diesen Verdacht hegt Gemeinderäten Hannah Miriam Jaag und hat im Namen des Vereins Freunde der Natur vor einigen Wochen eine Wasserprobe aus dem Stadtbächle genommen. Die Ergebnisse des Labors ICP-Analytik aus Preetz in Schleswig-Holstein liegen nun vor: Glyphosat wurde nicht nachgewiesen. Dafür war der Wert für das Hauptabbauprodukt Aminomethylphosphonsäure, kurz AMPA, deutlich erhöht und über dem Grenzwert.
Für Hannah Miriam Jaag ist das ein Hinweis darauf, dass 2023 irgendwo entlang der Hauptstraße dieses Pflanzengift zum Einsatz kam und durch Niederschläge in das Bächle gespült wurde. Im vergangenen Jahr deshalb, weil man bei der Halbwertszeit von Glyphosat, also der Zeit, in der die Substanz zur Hälfte abgebaut ist, von Werten von wenigen Tagen bis hin zu zwei bis drei Jahren ausgehe, je nach Bodenbeschaffenheit, erklärt die Naturschützerin. Mit ihrer Wasserprobe will sie ein Bewusstsein für das Thema schaffen.
Rückstände nicht zwingend vor Ort entstanden
Entgegen ihrer These, zieht Hüfingens Hauptamtsleiter Erich Lafera in Betracht, dass die Rückstände auch auf einem anderen Weg in die Innenstadt gelangt sein könnten. „Beispielsweise von am Gewässer angrenzender Landwirtschaft, die glyphosathaltige Mittel eingesetzt hat“, teilt er mit. Es könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die Rückstände vor Ort entstanden oder eingeleitet worden seien. Diesen Weg hält auch Gerhard Bronner vom Umweltbüro in Donaueschingen für denkbar: „Das Glyphosat beziehungsweise seine Abbauprodukte können von landwirtschaftlichen Flächen im Oberlauf stammen, auf denen Glyphosat legal verwendet wurde.“ Möglich sind also beide Varianten. Das Wasser im Stadtbächle werde erst aus der Breg in die Seemühle zur Stromgewinnung eingespeist. Von dort gelange es ins Stadtbächle, „bevor es wieder in die Breg läuft“, erklärt Erich Lafera.
Dass die Stichprobe von Hannah Miriam Jaag keine amtlich gesicherte Feststellung ist, ist klar. Das betont auch Erich Lafera: „Es muss festgehalten werden, dass es sich bei der besagten Beprobung um keine amtliche Beprobung handelte oder von einem hierfür zertifizierten Unternehmen.“ Probennehmer würden der regelmäßigen Fortbildungspflicht unterliegen, damit die Entnahme, die Lagerung und der Versand in qualifizierter Form das Prüflabor erreichen. „Andernfalls sind die eingereichten Probeentnahmen fragwürdig“, erklärt der Hauptamtsleiter. Um die Wasserqualität zu überprüfen, nimmt die Stadt Hüfingen selbst stichprobenartig Beprobungen an den Hüfinger Gewässern vor. Hier habe es keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben, teilt Erich Lafera mit. Grenzwerte seien immer eingehalten worden.
Mehrere Messstellen im Schwarzwald-Baar-Kreis
Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) misst alle drei Jahre. „Die untersuchten Stoffe sind in der Oberflächengewässerverordnung festgelegt und orientieren sich an europaweit einheitlichen Umweltqualitätsnormen“, erklärt Heike Frank, Sprecherin des Landratsamts. Es sei eine Vielzahl von Wirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln aufgeführt. Untersucht würden je nach Stoff das Wasser, die Flusssedimente oder Fische und Muscheln.
„Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es je eine Messstelle in der Breg bei Hüfingen, in der Brigach bei VS-Marbach und in der Donau bei DS-Pfohren“, führt sie aus. An der Messstelle in Hüfingen sei das Wasser zuletzt 2022 auf 32 Stoffe von Pflanzenschutzmitteln untersucht worden. „Sofern eine Bestimmung möglich war, wurden die Grenzwerte der Oberflächengewässerverordnung deutlich unterschritten“, so die Sprecherin. Die chemische Wasserqualität zum damaligen Zeitpunkt könne als gut bewertet werden.
Einsatz von Glyphosatumstritten
Der Einsatz von Glyphosat auf Feldern oder im privaten Bereich ist umstritten. Das Umweltbundesamt stuft glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel als Bedrohung für den Artenreichtum ein. Das Totalherbizid vernichte alle Pflanzen und entziehe so Insekten und Wirbeltieren die Lebensgrundlage. Erlaubt ist der Einsatz dennoch, teilt Heike Frank mit. „Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist die Nutzung in besonderen Fällen zulässig, zum Beispiel bei Problemunkräutern, Resistenzen, Direkt- und Mulchsaat.“ Nicht eingesetzt werden dürfe Glyphosat auf befestigten Flächen, wie Plätzen, Hof- und Betriebsflächen. Ausnahmegenehmigungen seien möglich.
Privatpersonen dürften nur Mittel für Haus- und Kleingarten anwenden. Dabei seien die Anwendungsbestimmungen einzuhalten, so Heike Frank. Gerhard Bronner ergänzt: „Sie dürfen aber nicht auf befestigten Flächen verwendet werden, sondern nur auf ‚gärtnerisch genutzten Flächen‘.“ Es gebe noch immer Glyphosat-Produkte für den privaten Hausgebrauch zu kaufen. Er empfiehlt jedoch, besser die Finger davon zu lassen.
So wird Glyphosat angewendet
Das ist Glyphosat:
Glyphosat ist laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein sogenanntes Totalherbizid. Das bedeutet, dass es unspezifisch wirkt und jegliche Pflanze nach dem Kontakt mit den Blättern absterben lässt. Glyphosat ist das am häufigsten eingesetzte Mittel und wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtet auf seiner Internetseite, dass durch den Einsatz Pflanzen und Boden stark beeinträchtigt werden. Auch soll Glyphosat der Artenvielfalt schaden, weil Insekten, Vögel und anderen Tieren ihre Nahrungsgrundlage entzogen werde.
So wird es angewendet:
Um den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern zu verringern oder zu verhindern, gelten Anwendungsvorschriften. „Des Weiteren kann durch einen möglichst natürlichen Gewässerrandstreifen der Eintrag von Schadstoffen in die Oberflächengewässer verringert werden“, erklärt Heike Frank. Darauf wirke das Amt für Umwelt, Wasser- und Bodenschutz fortlaufend hin und wende auch die geltenden gesetzlichen Vorgaben zu Gewässerrandstreifen an. Bei Verstößen im Bereich der Landwirtschaft bestehe die Möglichkeit von Sanktionen im Förderrecht ober über Ordnungswidrigkeiten.
Das gilt für das Stadtbächle:
„Das Stadtbächle hat aufgrund seiner Klassifizierung keinen gesetzlichen Gewässerrandstreifen“, so Frank.