Hier geht es zum Parkplatz. Foto: dapd

Am vergangenen Samstag haben wir uns mit dem Begriff "Haierle" beschäftigt.

Am vergangenen Samstag haben wir uns mit dem Begriff "Haierle" beschäftigt. Ein Schild mit dieser Aufschrift steht am Bisinger Friedhof - um den Parkplatz für den Herrn Pfarrer zu markieren. Die Vermutung lautete, Haierle sei von "Hoher Herr" oder "heilig" abgeleitet. Dem widerspricht Leser Erich Adolf Röhrle aus Stuttgart entschieden: Nach meinen langjährigen schwäbischen Erfahrungen (bin 81-jähriger geborener Stuttgarter) hat "Haierle" gar nichts mit heilig und wenig mit "Hoher Herr" zu tun. Mein Argument:

Im Schwäbischen, Albnähe, wird oft das "e" als ein "ai" ausgesprochen. Versuche eines Beweises:

1. Etwa vier Jahre lebte ich in Urach und besuchte dort ein Jahr das Gymnasium, damals Oberschule genannt. Bei einem späteren Besuch in Urach fragte mich ein ehemaliger Klassenkamerad: "Hosch koi Hoimwaih kriegt?"

2. Beim Ernteeinsatz bei meinem Onkel, einem Landwirt, in der Nähe von Schwäbisch Gmünd, soll ich eines Tages (1943) auf dem Dachfirst einer Scheuer gesessen und dort Lieder geschmettert haben. Dorfbewohner befragten ihn: "Was hosch denn do fier en komische Vogel?" Da ich als Einziger weit und breit besagte Oberschule besuchte und damit Latein lernen musste, war für den Onkel mein späterer Beruf "Pfarrer" klar. Er beschied die Mitbürger: "Lasset den no senge, der wird schbäter doch a Herrle" - gemeint war ein Pfarr-Herr, dessen Laufbahn eben als Vikar, als junger und gar nicht hoher Herr, eben als "Herrle" beginnt.

Mit "Herrle" wurden damals in Tübingen aber nicht nur Theologiestudenten, sondern Lernbeflissene aller Fakultäten bezeichnet. Dort sprach/spricht man nämlich nicht das Älbler-Schwäbisch, sondern - wie natürlich auch in Schtuegert - ein gepflegtes Honoratioren-Schwäbisch: "e" anstatt "ai"! Zum Beleg darf ich einen Goge-Witz erzählen: Geht ein Tübinger Student nach langem Abend schwer "geladen" auf die Neckarbrücke. Dort muss er sich erleichtern und "kotzt" über das Brückengeländer in den Neckar. Kommt ein Wengerter vorbei und sait (sagt): "So isch's recht, Herrle, no's Arschloch g'schont!"

Leserin Angelika Laub merkt ihrerseits an: "Ich selbst bin in Bisingen aufgewachsen und vor langer Zeit nach Stuttgart bzw. ins Remstal ,ausgewandert'. Demgemäß komme ich nicht mehr so oft auf den Bisinger Friedhof. Als ich aber vor Jahren den für den ,Haierle' ausgewiesenen Parkplatz sah, war ich begeistert. Noch heute freue ich mich über den ausdrücklichen Hinweis, dass hier gefälligst nur der Pfarrer parken darf.

Als ich noch in Bisingen zur Schule ging, hat uns entweder der katholische Pfarrer selbst oder einer der Lehrer über den ,Haierle' aufgeklärt: Da er als Pfarrer ein Herr ist, was aber im Hohenzollerischen keiner sagt, wurde aus dem Herrn der Herrle. So spricht in Bisingen jedoch niemand, dort wird der Pfarrer immer schon als ,dr Haierle' bezeichnet.

Übrigens, jedes Mal, wenn ich dem Friedhof einen Besuch abstatte, ist der Parkplatz vom ,Haierle' frei gehalten. Also wird er von den Bisingern auch als solcher respektiert."