Ronny Bargil schöpft aus seinen Erfahrungen im Kloster immer noch viel Kraft. Foto: Cools

Er hat drei Staatsangehörigkeiten, war Anwalt für Menschenrechte, Mönch in einem Kloster in Burma und ist seit einiger Zeit Teil des Zimmertheater-Teams in Rottweil: Ronny Bargil hat einiges zu erzählen.

Rottweil/Zimmern o. R. - 20 Stunden am Tag meditieren, nicht lachen, nicht schreiben und nachts auf einem harten Brett schlafen – das ist eine Erfahrung, die einen verändert, sagt Ronny Bargil. Der Zimmerner hat sie fünf Monate lang gemacht und ist seitdem ein anderer Mensch, wie er meint. Wie es zu dieser Zeit im Kloster kam, was er in seiner Heimat erlebt hat und wie Rottweil sein neuer Lebensmittelpunkt wurde, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Anwalt in Israel

Ronny Bargil wurde in Israel geboren. Sein Großvater war Tscheche und kam vor dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina. Dort studierte er Jura und eröffnete seine eigene Kanzlei, in der er sich vor allem für die Menschenrechte benachteiligter Gruppen, wie Homosexueller, einsetzte. Parallel lernte er Yoga und schloss ein zweites Studium in Literatur ab. Sein großes Hobby sei immer die Philosophie gewesen, sagt Bargil. Zudem habe er in seiner Freizeit getanzt und Performances und Workshops organisiert. Später war er als Lebensberater tätig.

Dass er ins Kloster ging, ergab sich eher zufällig, wie Bargil lachend erzählt. Weil anfangs die Motivation zum Jura-Studium fehlte, stellte er sich selbst eine Thailand-Reise als Belohnung in Aussicht. Als er diese dann vor rund 20 Jahren antrat, schoss ihm die Idee in den Kopf, auch noch einen Abstecher nach Burma (heute Myanmar) zu machen.

Besondere Begegnung

Dort entdeckte er im Norden des Landes ein imposantes Kloster, das er sich ansehen wollte. Jedoch habe eine Schlange von Hunderten von Leuten davor gestanden, erzählt der Zimmerner. "Ich wollte nicht warten und habe deshalb ganz frech einen anderen Eingang gesucht", sagt Bargil lachend. Tatsächlich habe er sogar einen gefunden und sei da auf einen alten Mann getroffen, der ihn einlud, sich zu ihm zu setzen. Auch eine Robe und eine Gebetskette habe er von dem Mann erhalten. Erst später habe er erfahren, dass dieser als einer der heiligsten Männer im Land galt.

Für Ronny Bargil war das wie ein Zeichen. "Und ich dachte, wenn ich Robe und Kette schonmal habe, dann kann ich auch eine Weile ins Kloster gehen", erzählt er lachend. Was ihn dort erwartete, war hart. Zeitweise habe er täglich 20 Stunden lang meditieren müssen, mal sitzend, mal gehend. Darüber soll Weisheit erlangt werden, erklärt Bargil. Beim Essen durfte man nicht sprechen und niemandem in die Augen schauen. Elektronische Geräte waren ebenso verboten wie sich etwas aufzuschreiben oder zu lachen. Geschlafen wurde auf einem Brett. "Ich habe zumindest ein Kissen bekommen, weil ich nicht schlafen konnte. Das war aber eine Ausnahme", sagt Bargil.

Wie ein anderer Mensch

Auch wenn die fünf Monate, die er im Kloster verbrachte, hart waren, so habe er nicht einmal daran gedacht, abzubrechen, sagt der 45-Jährige. "Es war ein Veränderungsprozess. Als ich das Kloster verließ, war ich ein anderer Mensch."

Mit der Lehre des Theravada-Buddhismus, der ältesten Form des Buddhismus, habe er sich gleich identifizieren können, sagt Bargil. Die Zeit im Kloster habe ihm die Zuversicht gegeben, dass es für jedes Problem im Leben eine Lösung gibt. "Mein Bewusstsein hat sich weiterentwickelt. Diese Meditationsblase, in der ich immer noch bin, ist wie ein Topf für eine Pflanze. Sie bietet einen stabilen Rahmen, in dem man sich weiterentwickeln kann", erklärt Bargil das Gefühl.

Flucht 2013

Nach seiner Zeit im Kloster kehrte Ronny Bargil nach Israel zurück. 2013 traf er dann die für ihn schwere Entscheidung, seine Heimat zu verlassen. "Die politische Situation in Israel wurde sehr schwierig. Als Aktivist habe ich mich gegen Rassismus und für Gleichberechtigung aller Glaubensgruppen eingesetzt", erklärt er. Er sei gegen die Bombardierung des Gazastreifens auf die Straße gegangen und habe sich für ein friedliches Miteinander von Juden und Muslimen engagiert.

Seit gut 15 Jahren schreibt Ronny Bargil auch literarische Texte. Doch diese in Israel zu veröffentlichen, war zu heikel. "Irgendwann wurde es für mich unmöglich, in Israel zu bleiben. So ging es auch vielen anderen Menschen. Für Künstler, Autoren und andere freidenkende Personen war kein Platz mehr, deshalb haben viele das Land verlassen." Er sehe sich also ebenfalls als Flüchtling, sagt der 45-Jährige.

Umzug in den Süden

2013 zog er also allein nach Deutschland und landete zunächst in Berlin. "Deutschland wurde schnell meine neue Heimat", sagt er. Mit seinem Umzug bekam Bargil die deutsche Staatsbürgerschaft und durfte die israelische und die tschechische behalten, wie er sagt. Zähle man jetzt noch seine Zeit als Mönch in Burma (heute Myanmar) mit – das Kloster sei ein bisschen wie ein Staat im Staat – dann wären es sogar vier Staatsangehörigkeiten, wie er meint.

Bargil arbeitete in Berlin vor allem als Therapeut und Lebensberater mit Menschen aus aller Welt zusammen. Dort habe es ihm gefallen, aber "Berlin ist ein Multi-Kulti-Platz und nicht typisch für Deutschland", sagt er. Deshalb wollte er unbedingt noch einen anderen Ort kennenlernen und zapfte seine Kontakte, die er inzwischen überall in Deutschland geknüpft hatte, an.

"Ich habe meine Freunde und Bekannten quasi gefragt: Wer will mich in seiner Nähe haben?" Eine der ersten Personen, die darauf geantwortet hätte, sei die Rottweiler Stadträtin Gabriele Schneider gewesen. Kennengelernt habe er sie zufällig mal im Rahmen einer Urlaubsreise, erzählt Ronny Bargil. Danach habe man Kontakt gehalten. 2015 zog er daraufhin zunächst nach Balingen und wenig später in den Kreis Rottweil um. "Ich wurde mit offenen Armen empfangen", sagt er.

Buddha-Wave-Organisator

Viele kennen den fröhlichen 45-Jährigen aus dem Rottweiler Zimmertheater, wo er als Sachbearbeiter im Büro tätig ist. Zudem arbeitet er als Lebensberater, lehrt Theraveda-Buddhismus, nimmt an künstlerischen Projekten teil und organisiert regelmäßig Veranstaltungen. Immer donnerstags trifft sich eine Meditationsgruppe unter seiner Leitung im Studio Yoga Rottweil. Zudem veranstaltet er seit vier bis fünf Jahren die "BuddhaWave", bei der es um Meditation und Tanz geht. Auch als Autor ist er aktiv und widmet sich vor allem Lebensgeschichten von Immigranten in Deutschland. Derzeit hofft er, bald sein erstes eigenes Buch veröffentlichen zu können.

Clown-Workshop

Zusammen mit Ingrid Schorscher organisiert er derzeit den "Clown-Workshop – auf der Suche nach der ureigenen Komik unserer Körpersprache mit Andre Casaca", ein Kooperationsprojekt des Zimmertheaters und der Edith-Stein-Schule. Der Workshop findet von Freitag, 29. April, bis Sonntag, 1. Mai, statt. Weitere Informationen über Bargils Projekte und ihn als Person gibt es unter www.ronbargil.com.