Der 72-jährige ehemalige Diskus-Meister Alwin Wagner warnt aus eigenen Erfahrungen vor Doping. Foto: Günther

Der fünffache Deutsche Meister im Diskuswurf Alwin Wagner hat Gymnasiasten in Oberndorf vor Doping-Mitteln gewarnt. Wagner weiß, wovon er spricht.

Oberndorf - Manchmal wird es sehr still im Saal, zum Beispiel, als Alwin Wagner mit dem Beamer das Foto von Heidi Krieger einblendet. Sie hatte für ihre Sportkarriere als Kugelstoßerin so massenhaft Anabolika zu sich genommen, dass sie schließlich nicht mehr als Frau leben konnte, sondern sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen musste. Sie heißt heute Andreas Krieger.

Nicht das einzige Mal, dass der 72-jährige Alwin Wagner sein Publikum beim Präventionstag am Gymnasium in Bann zog. Rund 80 Schüler der Jahrgänge 11 und 12 waren seine Zuhörer. Wagner redete ihnen eindringlich ins Gewissen. "Lasst die Finger vom Doping", lautete seine Botschaft beim "Präventionstag" des Gymnasiums am Rosenberg. Und Wagner lässt keinen Zweifel daran, dass er genau weiß, wovon er redet.

Jährlicher Tag mit altersgerechten Themen

Der "Präventionstag" findet jährlich am Oberndorfer Gymnasium statt. Lehrer Thorsten Simon, der ihn organisiert, kann auf eine Reihe altersgerechter Themen verweisen: Um Essstörungen geht es da, um Alkohol und Drogen, um Gewaltprävention und Cybermobbing, sowie – für Mädchen und Jungen getrennt – um Verhütung. Thorsten Simon hatte aber auch die Idee, Alwin Wagner einzuladen.

Einen besser informierten Referenten hätte er kaum finden können als den fünffachen Deutschen Meister im Diskuswerfen, der außerdem immer noch seinen 1982-er Fabelweltrekord von 86,92 Metern im Schleuderballwurf hält. Wagner sagt zum Thema Doping von sich: "Ich war Zeuge, Täter und Opfer."

"Du kannst zu den Weltbesten gehören"

Was er deutlich macht: Er ist auch Ankläger, und er erzählt unermüdlich seine eigene Doping-Geschichte. Er war sportlich auf dem Weg zur Weltspitze, wurde zu nationalen Lehrgängen eingeladen, da nahm ihn sein Trainer beiseite. "Du bist gut", sagte der, "aber wenn du das hier nimmst, kannst du einer von den Weltbesten werden." Die bunten Pillen versprachen nicht nur sportliche Erfolge, sondern auch viel Geld.

Alwin Wagner hatte gezögert, doch er griff schließlich zu – ohne schlechtes Gewissen, denn "ich betrüge ja niemanden, wenn das alle nehmen."

Doch Wagner bekam immer größere Zweifel am systematischen Doping, wie es seinerzeit im Deutschen Leichtathletik-Verband betrieben wurde. Er ging mit seinem Wissen schließlich an die Öffentlichkeit und brachte die Funktionäre in schwerste Erklärungsnöte.

Ein Dutzend Schüler würde zugreifen

Wagner macht bei den Schülern die Probe. "Wer von euch würde Dopingmittel nehmen?" Keiner meldet sich. "Na, dann kann ich ja nach Hause gehen", sagt Alwin Wagner, er hakt dann aber noch mal nach. "Und wenn es euch 100 Millionen, 200 Millionen Euro einbringen würde, was dann?" Ein gutes Dutzend der Schüler gibt offen zu, die Sache in diesem Fall anders zu beurteilen.

Keine Überraschung für Alwin Wagner, darum ist er ja hier. Nüchtern zählt er die unerwünschten Wirkungen von Dopingmitteln auf. Die reichen von Kreislaufproblemen über Leberschäden bis zu Krebserkrankungen, schweren Depressionen und Suizidgedanken. Er selbst ist glimpflich davongekommen. Doch ein Herzschrittmacher musste auch ihm eingesetzt werden.

Schon im Breitensport lauern Gefahren

"Doper stehen mit einem Bein im Grab", fasst Alwin Wagner zusammen, "es lohnt sich nicht." Viele seiner Freunde seien früh gegangen, hat er unserer Redaktion berichtet. "Ich könnte 100 Leute aufzählen, die gedopt haben und wahrscheinlich daran gestorben sind."

Die Doping-Gefahr sieht er nicht nur im Hochleistungsbereich, schon im Breitensport lauern Gefahren, Kunden von Fitness-Studios etwa würden oft in Versuchung gebracht. Oder im Berufsleben.

Wagner verlässt Oberndorf in Richtung seiner Heimat Melsungen in der Hoffnung, hier etwas bewirkt zu haben. Betrüger hätten es im Sport künftig schwerer, glaubt er, dank eingefrorener Proben für Nachtests etwa.

Illusionen gibt er sich allerdings nicht hin. "So lange es Sport gibt", glaubt er, "wird es auch Doping geben."