Die "Traube" in Berneck hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Heute ist sie im Besitz der Islamischen Gemeinschaft. Foto: Köncke

Früherer Eigentümer tritt Gerüchten entgegen. Gebäude hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich.

Altensteig-Berneck - In der Gerüchteküche brodelt es: Wird aus der "Traube" in Berneck eine Moschee? Für Hans-Dieter Wurster sind solche Vermutungen "absurd". Der frühere Eigentümer des Hotels wohnt mit seiner Frau im hinteren Teil des siebenstöckigen Gebäudes. Wenn der heutige Hotelbesitzer, die Islamische Gemeinschaft, dieses Ziel verfolgen würde, "hätten wir das bemerkt", sind sich beide sicher. Und fügen ergänzend hinzu: "Wir haben einen Generalschlüssel für das ganze Haus und können damit in jeden Raum."

Obwohl das Ehepaar kein festgeschriebenes Dauerwohnrecht hat, dürfen sie – sei ihnen versichert worden – solange im Hotel bleiben, wie sie wollten. Trotzdem würde Brigitte Wurster gerne zur Tochter nach Althengstett ziehen. Ihr Mann will bleiben. "Meine Nieren arbeiten nicht mehr. Ich muss jede Woche dreimal zur Dialyse nach Nagold. Hier kann ich mit dem Lift ins Erdgeschoss fahren", ist für den 72-Jährigen ein wichtiges Argument.

Der Verkauf des mitten in Berneck gelegenen 100-Betten-Hotels mit Tagungsräumen, Hallenbad, Sauna, Kegelbahnen und das Schicksal der Familie Wurster sind eng miteinander verknüpft und weisen tragische Züge auf.

Die Anfänge waren erfreulich. Vor 40 Jahren übernahm der gelernte Koch und Metzger die Bauernwirtschaft seiner Eltern. Weil seinerzeit ein Ferienaufenthalt im Schwarzwald beliebt war und viele Gäste ihren Urlaub in Berneck verbringen wollten, entschloss sich Wurster, das Gasthaus durch einen Neubau zu ersetzen und die Immobilie Stück für Stück zu erweitern "Damals wurde das Mittagessen noch in drei Schichten serviert", erinnert sich Brigitte Wurster an die Glanzzeiten in der "Traube". An einen geregelten Feierabend sei damals nicht zu denken gewesen. An manchen Tagen hätten beide ohne Unterbrechung 16 Stunden gearbeitet. Oft seien spät am Abend noch Busse mit hungrigen Gästen vorgefahren.

Das bekamen die vier Kinder hautnah mit. Der älteste Sohn absolvierte zwar eine Lehre als Koch in einem Sternehotel, zog es dann aber vor, sein Geld in einer Computerfirma zu verdienen. Der zweite Sohn leitet heute die Filiale eines Lebensmitteldiscounters. Die Töchter wollten aus ähnlichen Gründen nicht in den elterlichen Hotelbetrieb einsteigen.

Also machten Hans Dieter und Brigitte Wurster alleine weiter in der Hoffnung, die "Traube" im Alter an einen geeigneten Nachfolger zu verpachten oder – besser noch – zu verkaufen.

Vor 15 Jahren erkrankte Hans-Dieter Wurster schwer an Diabetes. "Dabei habe ich nie geraucht und nur mäßig Alkohol getrunken", hadert der 72-Jährige mit dem Schicksal. In der darauffolgenden Zeit fiel er über 20 mal ohne Vorwarnung um. Seine Frau machte sich nicht nur Sorgen um den Gesundheitszustand ihres Mannes, sondern fragte sich, wie es mit dem gastromischen Betrieb weitergehen soll. Nach einem Herzstillstand und einer diagnostizierten Leberzirrhose lag ihr Mann ein halbes Jahr im Krankenhaus. Im rechten Bein hatte er irgendwann kein Gefühl mehr, verweigerte aber eine ärztlich empfohlene Amputation. Später mussten "nur" einige Zehen entfernt werden. Dann stürzte seine Frau und verletzte sich lebensgefährlich am Kopf. Ihnen sei letztlich nichts anderes übrig geblieben, als die "Traube" möglichst schnell zu verkaufen, weil allein die monatlichen Nebenkosten 10 000 Euro verschlangen.

Ein Wurstfabrikant aus Baden Württemberg zeigte Interesse an einer Übernahme, sei aber, laut Brigitte Wurster "nach einem Besuch im Altensteiger Rathaus" wieder abgesprungen. Ein anderer Investor bot 1,3 Millionen Euro. "Dann kam die Pleite der amerikanischen Lehman-Investmentbank und er verlor sein Geld", bedauert der frühere Besitzer den Rückzug. Verzweiflung machte sich breit.

Als der eingeschaltete Makler das Ehepaar wissen ließ, er hätte einen Kaufwilligen, der aber weit weniger als die verlangte Summe bezahlen könne, hätten sie "weil uns alles über den Kopf gewachsen war", das Hotel an die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs verkauft. "Die Leute sind unheimlich nett", kann das Ehepaar Wurster bis jetzt nichts Nachteiliges über die Hilfsorganisation sagen. Trotzdem "hätten wir noch zuwarten sollen", bereut Brigitte Wurster nach drei verschobenen Notarterminen den 2013 vollzogenen Schritt.

Wie es mit ihnen weitergeht? "Vielleicht ziehen wir bald zu unserer Tochter", sagt Brigitte Wurster. Ihr Mann schweigt.