Vor dem Amtsgericht Hechingen geht es am 13. Juli weiter im Prozess gegen einen jungen Albstädter. Foto: Müller

Hat er den Arm seiner Freundin absichtlich so lange umgedreht, bis der brach? Und hat er die Polizistin, die seine Wohnung durchsuchte, als "Schlampe" beleidigt und sie aufgefordert, ihm "einen zu blasen"? Die Vorwürfe gegen einen jungen Albstädter wiegen schwer.

Hechingen/Albstadt - Um vorsätzliche Körperverletzung geht es vor dem Hechinger Amtsgericht – und um Beleidigung. Der Angeklagte, Jahrgang 88, der von zwei Beamten in Hand- und Fußfesseln vorgeführt wird, macht bereitwillig Angaben. Ja, er habe die Polizistin beleidigt. Er habe sich rechtfertigen wollen, aber die Beamtin habe ihn nicht zu Wort kommen lassen. Dass er ausgerastet sei und sie beschimpft habe, tue ihm Leid.

Was den anderen Vorwurf angehe – das sei damals nicht so abgelaufen, wie das in der Anklageschrift stehe. Er habe mit seiner Freundin an jenem 13. Dezember 2021 in deren Wohnung in Bisingen gegessen und getrunken, dann sei es zum Streit gekommen, von Trennung sei die Rede gewesen. Als sie plötzlich laut um Hilfe rief und behauptete, sie habe Schmerzen, seien bei ihm die "Alarmglocken" angegangen. Er habe seinen Vater angerufen und ihn gebeten, ihn abzuholen.

Barfuß im Schnee hinterher

Aber wie war es zu dem gebrochenen Arm gekommen? Beim Streit um den Schlüssel zu seiner eigenen Wohnung, den sie nicht herausrücken wollte, habe sich der Schlüsselanhänger um ihren Arm gewickelt, sucht der Angeklagte eine Erklärung. Er habe heftig daran gezogen, dann habe es "geknackt". Sie habe ihn angefleht, zu bleiben, sei ihm barfuß durch den Schnee nachgelaufen. "Nach zwei oder drei Tagen haben wir uns getroffen, wir haben geredet, und ich habe gesehen, dass sie Gips am Arm hatte."

Das sei auch in der Vergangenheit so gewesen: "Mal wollte sie, dass ich gehe, dann wollte sie es nicht mehr." Die Beziehung, sagt der Verteidiger, sei "schwierig zu verstehen". Als Beweis liest er einen Brief vor, den die Freundin dem jetzt Angeklagten in den Knast geschickt hat. Darin heißt es unter anderem, dass sie ihn "abgöttisch" liebe, dass er immer ihr "Zuhause" sein werde. Der Brief endet mit den Worten: "Ich bin deine Frau."

"Rumgeschubst wie ein Tier"

Die 44-jährige Polizeihauptmeisterin, die bei der Durchsuchung der Wohnung beleidigt worden war, hatte auch die anfängliche Aussage der jungen Frau ausgenommen. Der Freund habe sie "rumgeschubst wie ein Tier", hatte jene damals ausgesagt. Sie sei, so die Beamtin, verängstigt gewesen, habe gar nichts mehr sagen wollen. Die Begründung: "Was glauben Sie, was geschieht, wenn er erfährt, dass ich Anzeige erstattet habe?" Hat er sie bedroht? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Fakt ist: Die junge Frau erschien bei der Verhandlung nicht und soll am 13. Juli um 14 Uhr von der Polizei vorgeführt werden. Eine "instabile Persönlichkeit"?, vermutet der Verteidiger. Eine "dissoziative Störung"? "Borderline"? Bisher, kontert der Staatsanwalt, gebe es dafür keine Anhaltspunkte. Immerhin könnte ein psychologisches Gutachten Klarheit schaffen. Klarheit besteht hingegen in anderer Hinsicht: Der Angeklagte, der keinen Schulabschluss und keine Ausbildung hat, hatte schon früh Kontakt mit Drogen. Erst Cannabis, später Heroin, und nach wiederholtem Entzug Alkohol als "Ersatzdroge".

Das Kerbholz ist lang

Passend dazu die 19 Eintragungen im Bundeszentralregister: Sie reichen von Fahren ohne Fahrerlaubnis mit nicht zugelassenem Fahrzeug über Raub und Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Betrug bis hin zum Erwerb und Handel mit Betäubungsmitteln. Und immer wieder Haftstrafen.

Ein beschlagnahmter Brief, den der Angeklagte aus dem Gefängnis an seine Mutter geschrieben hat, könnte eine Wende bringen: Er habe alles für seine Freundin gemacht, heißt es darin. Das mit dem Handgelenk sei ein Versehen gewesen, es sei beim Gerangel um den Schlüssel passiert. Und: "Ich denke, sie hat Angst vor einer Strafe, weil sie bei der Polizei eine Falschaussage gemacht hat." Sollte sich das bestätigen, käme laut Staatsanwalt eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht. Das wird sich frühestens am 13. Juli entscheiden. Dann sollen nicht nur die Freundin und der Sachverständige, sondern auch der Vater des Angeklagten aussagen, der einen Teil des Streits am Telefon mitgehört hat.