Oblaten am Nylonstring – Danuta Karsten hat Tausende aufgefädelt.Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

"Offshore": Lautlinger Kirche nimmt eine aus 25000 Oblaten bestehende Installation von Danuta Karsten auf

In der Lautlinger Pfarrkirche der Ausstellungsreihe kann ab sofort die Installation "Zwischen Himmel und Erde" von Danuta Karsten bestaunt werden. Sie ist Bestandteil der Reihe "Offshore", mit der das Kunstmuseum Albstadt seine temporäre Schließung überbrückt.

Albstadt-Lautlingen. Der Anblick ist spektakulär: Unter der tonnengewölbten Kirchendecke schwebt ein neun Meter durchmessendes luftiges, weißes Ellipsoid, dessen Materialität sich erst auf den zweiten Blick erschließt: An mehreren tausend Nylonfäden von maximal 1,70 Meter Länge hängt – Brot. Oblaten, um genau zu sein, bis zu 14 an einem Faden, der Kirchgänger kennt sie ebenso gut wie der Makronenbäcker. Die weißen Scheibchen bestehen aus ungesäuertem Teig, den die Spezialbäckerei auf Karstens Wunsch noch mit etwas Kartoffelmehl angereichert hat, weil das den matten Glanz verstärkt. Das Ganze ist geeignet, Assoziationen an eine elliptische Galaxie oder eine interstellare Wolke zu wecken.

Die sind nicht unbedingt intendiert, und das große "Aha"-Erlebnis auch nicht. Was Danuta Karsten, aus dem Norden Polens stammende und in Recklinghausen lebende Installationskünstlerin, anstrebt, kann man durchaus als Spiritualität bezeichnen. Wenn ein Luftzug durch eine offene Tür streicht oder Körperwärme aus der versammelten Gemeinde aufsteigt, dann bewegen sich die – nicht geweihten! – Oblaten ganz leicht und senden Lichtreflexe aus. Viele Menschen, sagt Danuta Karsten, sind im Lauf von über 100 Jahren in diese Kirche gekommen mit ihren Gebeten, mit ihren Wünschen, mit ihrem Kummer oder mit ihrem Dank, und aus der historischen Distanz erscheinen diese Gebete, Wünsche, Tränen ähnlich flüchtig wie die Lichtreflexe der Oblaten. Aber sie waren da, sie sind irgendwie noch da, und Danuta Karsten möchte sie in ihrer Flüchtigkeit sichtbar machen – als Teil eines Dialogs "zwischen Himmel und Erde".

Dialog ist ein weiterer Leitgedanke dieser Installation – so lange sie andauert, hängt links im Chorraum Karl Caspars Gemälde "Mannalese", auf dem die Israeliten das vom Himmel gefallene Brot aufsammeln – der materialisierten Kommunikation zwischen Gott und den Menschen entspricht die zwischen Karstens Kunst und der von Caspar. Als Dialog begreift die Künstlerin auch das Verhältnis ihres Objekts zu seiner Umgebung – der Rundung des facettierten Tonnengewölbes antwortet die des Ellipsoids: Die Fäden sind in der Mitte am längsten, an den Rändern kürzer; die Unterkante beschreibt also einen Bogen, durch den sich das Gebilde in ein Verhältnis zum Raum setzt.

Das kann natürlich nur gelingen, wenn präzise gearbeitet wurde. Von schätzungsweise 25 000 Oblaten hat Danuta Karstens mindestens zwei Drittel persönlich auf die Nylonschnur – die sie vor Jahren bei einem ihrer zwei früheren Albstädter Gastspiele geschenkt bekam – aufgefädelt; "wahnsinnig wie eh und je", lautete der Kommentar von Kollege Jürgen Palmtag. Bei der Hängung im Kirchenschiff wurde peinlich genau darauf geachtet, dass die richtigen Fäden an der richtigen Stelle sitzen. Das erforderliche hat die Firma Rupert Linder unentgeltlich zur Verfügung gestellt und die Expertise ihrer Mitarbeiter dazu. Danuta Karstens war voll des Lobes über deren Präzision und Professionalität: "Sie haben fantastische Arbeit geleistet." Die Installation "Zwischen Himmel und Erde" soll bis zum 25. Oktober, an dem das "Offshore"-Projekt endet, in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer bleiben – es sei denn, die Kirchengemeinde ist bereit, sie noch länger zu behalten.