Ein Raum der Ausstellung "Aeviternity", in dem russische Urpflanzen unter spezieller Beleuchtung gezeigt werden. Foto: Klaus Pichler

Der aus Tailfingen stammende Christian Kosmas Mayer schafft in seiner Kunst das Unglaubliche

Christian Kosmas Mayer ist Künstler; er lebt und arbeitet in Wien, ist aber in Tailfingen aufgewachsen. Jetzt war er auf Heimatbesuch im Talgang und hat dem Schwarzwälder Boten von seiner aktuellen Ausstellung "Aeviternity" im Wiener Museum "mumok" erzählt.

Albstadt-Tailfingen. Christian Kosmas Mayer wurde 1976 in Sigmaringen geboren; mit sechs Jahren kam er nach Tailfingen. Seit frühester Jugend fasziniert ihn Kunst; mit Fotografien, Video und Film fing er an. "Ich habe Kunst gemacht, bevor ich wusste, dass es Kunst ist."

Nach dem Abitur begann Kosmas Mayer 1997 ein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Im Jahr 2000 wechselte er an der Akademie für Bildende Künste in Wien, für ein Semester, wie er dachte – es wurden fünf Jahre daraus. Nach dem Studium blieb er in Wien; längst er dort zu Hause – mit seiner Lebensgefährtin, die er dort kennengelernt ha, und seinem Sohn.

Auch das ihm gemäße Ausdrucksmittel hat er in Wien entdeckt: die Installation. Die ist eine Art Bezugssystem, wobei ein ganzer Raum als Ausstellung genutzt wird und die Gegenstände darin zusammenhängen. "Besucher sind mit der wichtigste Teil meiner Arbeit, weil sie eine Verbindung herstellen und jeder anders empfindet." Allerdings sind auch Collagen, Skulpturen aus verschiedenen Materialien und gefundene Objekte unter seinen Arbeiten.

Kosmas Mayer beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Zeit. Objekte, die eine "zeitliche Aufladung" haben, interessieren ihn besonders, etwa Versteinerungen. "Für manche ist es nur ein Stein, für mich ein Fenster in die Vergangenheit – und die Unvergänglichkeit." Die Zeit sei in seiner Arbeit spürbar, erklärt der 44-jährige. "Menschen versuchen, die Zeit aufzuhalten. Sie manipulieren Gene, sie wollen ihr Leben ausdehnen, sie klonen, sie wollen nicht mehr enden."

In seiner aktuellen Ausstellung "Aeviternity" im Wiener Museum "mumok" möchte er mit seiner Kunst genau das vermitteln. Ein Teil davon ist eine Höhle: Dort steht ein Regal, darin liegen verschiedene Plüschtiere, die in einer Kalkschicht versteckt sind, dahinter läuft Wasser die Wand hinunter. Ein Jahr lang wurden die Kuscheltiere in eine natürliche Quelle in Frankreich gelegt und versinterten dort ganz allmählich. Jetzt sind sie in Wien, wo die Höhle nachempfunden wurde. "Der Prozess fasziniert mich." Die Versteinerung schütze das Objekt einerseits – und töte es andererseits ab.

Nächste Station: New York City

Christian Kosmas Mayer schafft das Unglaubliche in "Aeviternity": einen sehr außerirdisch wirkenden Raum, der mit speziellem Licht beleuchtet wird. Dort sieht man Pflanzen aus einem russischen Labor. Der Hintergrund: In Sibirien wurde der 32  000 Jahre alte Erdbau eines arktischen Ziesels gefunden, eines Erdhörnchens, das Samen und Früchte darin lagerte. Die Samen waren tiefgefroren und wurden ins Labor gebracht. Die Wissenschaftler haben es geschafft, sie zu reaktivieren und zum Austreiben zu bringen, so dass Pflanzen wuchsen. Kosmas Mayer ist fasziniert: "Es ist ein Stück Natur verschwunden, aber es wurde wiederbelebt. Zu dieser Zeit lebten Mammuts – und dieser Organismus hat überlebt." Es war harte Arbeit, diese Pflanzen für die Ausstellung zu bekommen, betont der Künstler. Das spezielle Licht im Raum wird vom Betrachter anders wahrgenommen – er bekommt "den grünen Blick".

Ein weiteres Objekt der Ausstellung ist das Bild des "Bergmanns". Dieser kommt unter Tage ums Leben; die Leiche, die unverwest blieb, wird erst 50 Jahre später gefunden – die einstige Verlobte des Toten kommentiert, dass er genauso aussehe wie der junge Mann, den sie vor 50 Jahren heiraten wollte. Diese Geschichte hängt wie die beiden anderen Ausstellungsräume zusammen: "Längst Vergangenes kommt wieder und wirkt aufeinander." Insgesamt anderthalb Jahre Vorbereitung hat Christian Kosmas Mayer in die Ausstellung "Aeviternity" investiert.

Die nächste Reise wird Christian Kosmas Mayer und seine Familie im Sommer für sechs Wochen nach New York City führen. Seine Lebensgefährtin, die auch Künstlerin ist, präsentiert dort eine Ausstellung.   "Aeviternity" ist noch bis zum Sonntag, 16. Juni, im Museum "mumok" in Wien zu sehen, und zwar täglich von 10 bis 19 Uhr.

Albstadt-Tailfingen/Wien. Christian Kosmas Mayer ist Künstler und in Tailfingen aufgewachsen. Mittlerweile arbeitet und lebt er in Wien. Bei seinem Heimatbesuch hat ihn der Schwarzwälder Bote interviewt.

Warum sind Sie Künstler geworden?

Kunst und Musik wurden in meinen Teenager-Jahren ein immer wichtigerer Teil meines Lebens. Meine Interessen waren breit gestreut, von Skulptur und Fotografie über Video bis hin zum Musikmachen. Die Bildende Kunst schien mir das interessanteste Feld zu sein, da sich hier alle diese Medien miteinander verbinden lassen. Also bewarb ich mich an Kunsthochschulen. Als ich von einer angenommen wurde, war es beschlossene Sache: Kunst sollte mein Beruf werden.

Was machen Sie, außer Kunst, sonst noch gerne?

Vieles, wofür leider zunehmend die Zeit fehlt.

Ist Kunst wichtig für die Gesellschaft?

Das Leben ist im Grunde doch seltsam, unbegreiflich und absurd. Kunst versucht, sich dieser Erkenntnis zu stellen, einen Ausdruck dafür zu finden. Das stellt alles in Frage und kann gleichzeitig eine Orientierung geben. Gerade in Zeiten zunehmender Orientierungslosigkeit könnte sie da an Bedeutung gewinnen, wenn sie es schaffen würde, breite Schichten anzusprechen.

Ärgert Sie Kritik?

Nicht, wenn sie inhaltlich argumentiert.

Hat Ihr Vater Sie für Ihre Kunst inspiriert?

Meine Eltern haben mich beide inspiriert mit ihrer Neugier und ihrem Interesse für Kultur. Besonders die Gründung des Vereins Tal-Gang-Art, dessen Vorsitzender mein Vater für einige Jahre war, hat mich sehr begeistert.

Was könnte man künstlerisch aus Tailfingen machen? Es gibt ja viele leerstehende Gebäude.

Tal-Gang-Art beweist seit Jahren, dass man ein interessantes Kulturangebot in Tailfingen schaffen kann und wie wichtig das ist, um eine gemeinsame Identität und ein Miteinander zu fördern, das niemanden ausschließt, auch nicht die neu Zugezogenen. Das ist meiner Meinung nach der einzig denkbare Weg in eine friedliche und solidarische Zukunft.

Gibt es auch Tage, an denen Sie keine Lust haben? Wie motivieren Sie sich dann?

Natürlich gibt es diese Tage. Erfolgsdruck und ökonomische Zwänge wirken da genauso als Motivationshilfe wie der Wunsch, die eigene Kunst einen Schritt weiterzuführen.

Was ist Ihr Leibgericht?

Linsen mit Spätzle.

Wo gehen Sie hin, wenn Sie Zeit für sich brauchen?

In den Wald.

Ihr Leben ohne Kunst wäre...?

Nicht vorstellbar.

Wo sind Sie in fünf Jahren?

Diese Frage nicht beantworten zu können, ist mir wichtig. So bleibt alles möglich.

Ihr Lieblingsort in Wien?

Mein Atelier im Prater.

Early Bird oder Langschläfer?

Seit der Geburt meines Sohnes bin ich vom Late zum Early Bird mutiert.

Mit wem wollten Sie nicht an einem Tisch sitzen?

Mit Rechtspopulisten jeder Art.

Gibt es einen Traum, den Sie sich erfüllen wollen?

Eine weitere Sprache erlernen.