Kiesecker im Landtag Foto: Schwarzwälder Bote

Nachruf: Horst Kiesecker, einstiger SPD-Landtagsabgeordneter und Tailfinger Alt-Bürgermeister, ist gestorben

Er war der letzte Bürgermeister von Tailfingen, einer der Väter der Stadt Albstadt und insgesamt 16 Jahre lang Vertreter des Wahlkreises Balingen und der SPD im Stuttgarter Landtag. Nun ist Horst Kiesecker im Alter von 85 Jahren gestorben.

Albstadt-Tailfingen. Horst Kiesecker wurde am 24. September 1934 im südbadischen Hohentengen, unweit der Schweizer Grenze, geboren. Sein Vater war Zollbeamter, was häufigere Ortswechsel mit sich brachte: Als kleines Kind lebte Horst Kiesecker in Konstanz und in Breslau, die ersten Grundschuljahre verbrachte er in Stuttgart. Eine gewisse Kontinuität stellte sich erst mit dem Umzug der Familie nach Ulm ein. Dort besuchte Horst Kiesecker das Gymnasium und machte 1954 sein Abitur. Anschließend studierte er in Tübingen und Freiburg Jura; nach dem zweiten Staatsexamen wurde er zuerst Gerichtsassessor in Ellwangen und dann Staatsanwalt in Ulm.

Dann kam das Jahr 1966. Ohne große Erwartungen bewarb sich Kiesecker um das Amt des Tailfinger Bürgermeisters, das seit 20 Jahren Hermann Schöller innehatte, und war wohl selbst am meisten überrascht über den Wahlausgang: Bereits im ersten Wahlgang erhielt er 72 Prozent der Stimmen – der Amtsinhaber brachte es lediglich auf 20 Prozent.

Acht Jahre lang blieb Kiesecker Bürgermeister. Die erste Hälfte seiner Amtszeit stand im Zeichen der Expansion – die Textilindustrie boomte, und die Stadt wuchs – , in der zweiten gab es ein beherrschendes kommunalpolitisches Thema: die Gemeindereform. Gegen den Willen vieler Tailfinger handelten Bürgermeister, Stadtverwaltung und Gemeinderat einen Vereinigungsvertrag mit Ebingen aus, und so entstand 1975 die Stadt Albstadt. Womit Horst Kieseckers Karriere als Gemeindeoberhaupt beendet war: Bei der ersten Albstädter Oberbürgermeisterwahl unterlag er im Frühjahr 1975 Hans Pfarr.

Seine politische Laufbahn ging dennoch weiter. Seit 1971 war Kiesecker Kreisrat, seit 1972 SPD-Abgeordneter im Stuttgarter Landtag – er gehörte ihm bis 1984 und dann noch einmal von 1992 bis 1996 an. Die letzte Amtsperiode war die vielleicht interessanteste: Kiesecker war zum finanzpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion in der Großen Koalition avanciert und konnte entsprechenden politischen Einfluss ausüben. Mit dem damaligen Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) arbeitete er anfangs gut zusammen, doch später trugen ihm seine hartnäckigen Anfragen zur Graf-Steueraffäre die bleibende Antipathie des Ministers ein: Mitunter reichte es nicht einmal mehr zu einem Gruß.

Andere wussten die Leistungen des Mannes von der Zollernalb eher zu würdigen: Bereits 1978 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, 1983 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und 1987 mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

1996 sagte Horst Kiesecker der Politik Adieu; in den folgenden Jahren wirkte er als Rechtsanwalt in seiner 1975 gegründeten Tailfinger Kanzlei. Einen großen Teil seiner Freizeit widmete er dem Tailfinger Roten Kreuz: Von 1968 bis 1995 war er Ortsvereinsvorsitzender, danach Ehrenvorsitzender; zu den seltenen Anlässen, bei denen er sich in seinen letzten Jahren noch in der Öffentlichkeit zeigte, zählten die Tailfinger DRK-Hauptversammlungen und Rotkreuztage. Eine andere Passion, die er in späteren Jahren entdeckte, war der Alpinismus: Mit mehr als 60 Jahren bezwang er den 6008 Meter hohen Andengipfel Uturuncu in Bolivien und den nicht viel niedrigeren Kilimandscharo, Afrikas höchsten Berg. Horst Kiesecker ist am Freitag im engsten Familienkreis auf dem Tailfinger Waldfriedhof beigesetzt worden.