Antik ist auch dieser Türbeschlag im "Schlössle". Foto: Schwarzwälder Bote

"Schlössle": Bei der Sanierung des Ebinger Hauses Grüngrabenstraße 64 wird Geschichte greifbar

Die Zielvorgabe ist sportlich – bis Ende des Jahres möchte der Binsdorfer Architekt Bernd Haensch die Sanierung des "Schlössles" in der Ebinger Grüngrabenstraße 64 abschließen. Seit März wird das Haus umgebaut; im Winter hat Haensch Bestandsaufnahme gemacht.

Albstadt-Ebingen. Wer ein 200 Jahre altes Gebäude saniert, der darf sich auf Überraschungen gefasst machen. Böse, weil kostenträchtige sind so gut wie garantiert, ob auch freudige im Angebot sind, hängt davon ab, wie viel historisches Interesse Bauherr und Architekt – im Falle des "Schlössles" besteht Personalunion – mitbringen. Bernd Haensch hat im Lauf von 30 Berufsjahren so manches jahrhundertealte Gemäuer instandgesetzt; im Haus Grüngrabenstraße 64, in das er selbst einziehen möchte, wenn er in einigen Jahren in den Ruhestand geht, kann er nach vollzogener "Sektion" lesen wie in einem offenen Buch. Einem dicken, in dem eine Menge drinsteht.

Die Lektüre beginnt im Gewölbekeller. Seine Wände bestehen zu einem guten Teil aus großen – frisch abgestrahlten – Quadersteinen, wie sie auch in anderen Häusern im Grüngraben und im Unteren Stadtgraben vermauert sind. Haensch schließt daraus, dass sie aus der alten Stadtmauer stammen, die bis zur Wende zum 19. Jahrhundert jenseits des Grüngrabens stand und dann nach und nach geschleift wurde – die Steine, die dabei abfielen, fanden dankbare Abnehmer. Sie waren aus Kalk; das hatte unter anderem den Vorteil, dass sie, im Gegensatz zum Buntsandstein, dem Haensch im Badischen begegnet ist, so gut wie kein Wasser ziehen. Der Keller blieb trocken, obwohl von einem damals noch unverdolten Schmiechazufluss eine Wasserader unter den Kellerraum führte. Dem ersten Hausherrn dürfte es recht gewesen sein; er war mit großer Wahrscheinlichkeit Gastwirt, und die natürliche Klimaanlage unter dem Kellerboden hielt ihm den Weißwein und das Bier kühl.

Die Zimmerleute haben exquisite Arbeit geleistet

Eine Fundgrube für den Bauhistoriker ist auch das 200 Jahre alte Fachwerk und Gebälk. Bei so manchem handbehauenen Balken liegt, genau wie bei den Kalkquadern im Keller, der Verdacht nahe, dass er schon vorher irgendwo Verwendung gefunden hatte – gutes Holz kann viele Jahrhunderte überdauern, wenn es sachgerecht verbaut wird. Die Zimmerleute, die vor 200 Jahren am Werk waren, haben laut Haensch exquisite Arbeit geleistet – "nichts geschraubt, alles gezapft, und das millimetergenau". Dass sich im Lauf der Zeit dennoch Feuchtigkeit an den Auflagepunkten sammelte und das Holz trockenfaul wurde, dafür konnten sie nichts: Die ignorante Nachwelt verlegte beispielsweise ohne Rücksicht auf die Logik der Konstruktion Leitungsrohre und perforierte dafür Balken – ob tragend oder nicht tragend, das war ihr wurscht. An manchem Fußpunkt muss nun das Holz erneuert werden; an anderen Stellen werden neue Nachbarbalken den kranken Veteranen entlasten. Dass sich im Dachstuhl einzelne Balkengelenke "ausgerenkt" haben, ist gleichfalls nicht den Handwerkern anzulasten, sondern dem unterschiedlich festen Baugrund, der Arbeit des Materials und dem einen oder anderen Erdbeben. Die Sache lässt sich auch – buchstäblich – wieder einrenken.

Anders als ursprünglich angenommen, lag nicht das gesamte Fachwerk unter Putz; Profilierungen am Holz, das im Mittelrisaliten verbaut wurde, sind ein Indiz dafür, dass es ursprünglich teilweise sichtbar war – diesen Zustand will Bernd Haensch wiederherstellen. Auch die Holzböden von 1800 sollen, so weit möglich, wieder zum Vorschein kommen. Sie bestanden aus bis zu fünf Meter langen und bis zu 80 Zentimeter breiten Dielenbrettern und waren teilweise unter vier weiteren Böden – punktuell Terrazzo, vor allem aber profanem Kunststein oder gar Beton begraben: "Die Decken gingen in die Knie", sagt Bernd Haensch. Mit dem Schutt, der bei der Freilegung anfiel, wurde ein knappes Dutzend Container befüllt, von denen jeder fünf bis sieben Kubikmeter fasst – auf fünf Tonnen pro Ladung schätzt Haensch das Gewicht.

Aber natürlich gehört nicht alles, was im Lauf der Zeit zur ursprünglichen Ausstattung hinzukam, in den Container. Nicht nur die Wandvertäfelungen der ursprünglichen Einrichtung – der Fachmann nennt sie "Lamperien" –, sondern auch die Reste der geblümten Tapete aus der Gründerzeit, die an einer Zimmerwand im ersten Obergeschoss hingen, werden aufgehoben. Bernd Haensch wird sie dokumentieren und womöglich im Café ausstellen, das im Keller entstehen soll, genau wie die klassizistischen Türbeschläge, die Jugendstilfliesen oder die Füllungen der Wand, die 1878 im Erdgeschoss eingezogen wurde: Neben Rupfenbahnen waren auch Zeitungen verwendet worden; nur deshalb kennt man jetzt das Datum des Umbaus.

Wer ein altes Gebäude saniert, der steht immer vor der Frage, wie originalgetreu das Ergebnis sein muss und kann. Im ursprünglichen "Schlössle", das kein Mensch so nannte, zog der Rauch von zwei Herdstellen durch quadratische Öffnungen durch drei Zimmerdecken hinauf zur Bühne – Ofenrohre oder Kaminummauerungen gab es nicht. Etwas mehr Wohnkomfort darf heute schon sein. Einen Fahrstuhl bekommt das neue, alte Haus auch – Barrierefreiheit wird nicht drin sein, wohl aber "Barrierearmut" – und natürlich neue Bäder und Heizungen. Auf jedem der drei Vollgeschosse entstehen zwei gleich große Wohnungen, direkt unterm Dach zudem eine siebente, die sich Bernd Haensch als komfortables Altenteil einrichten wird. Insgesamt elf neue Gauben werden dafür sorgen, dass auch dieses Dachgeschoss geräumig ist. Auch das Denkmalamt ist damit einverstanden.