Hat den Lockdown kreativ genutzt: Friedhelm Patzelt aus Burgfelden.Foto: Moser Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Friedhelm Patzelt aus Burgfelden stellt 264 Tusche-Porträts in der früheren Buchhandlung Grotz aus

Friedhelm Patzelt zeichnet und malt für sein Leben gern und allmorgendlich nach der Zeitungslektüre das Porträt einer Person, die er im Schwarzwälder Boten entdeckt hat. Nun hat der Künstler etwas Neues ausprobiert.

Albstadt-Ebingen (mak). Unter dem Titel "Hölderlins Geister" stellt Friedhelm Patzelt derzeit in den früheren Schaufenstern der Buchhandlung Grotz getuschte Porträts von historischen Persönlichkeiten aus, die in irgendeinem Bezug zu Friedrich Hölderlin stehen – sei es, dass sie ihn inspiriert haben, sei es, dass er über sie schrieb, sei es, dass sie von ihm beeinflusst wurden. Patzelts Gewährsmann ist der Schriftsteller Karl Heinz Ott, Verfasser des gleichnamigen Buches.

Entstanden sind die Zeichnungen im Frühjahr. Patzelt porträtiert schon seit längerem mit Ölpastellkreiden, Kohle, Bleistift, Öl und Acryl, aber die Tuschezeichnung auf chinesischem Reispapier hat er erst während des Lockdowns für sich entdeckt. Anders als die fernöstlichen Tuschekünstler verwendet er dafür nicht den Pinsel, sondern die Rohrfeder; was ihn an der Technik reizte, war die Kontingenz, mit der man leben muss, wenn man sich ihrer bedient: Die Linienführung, so Patzelt, lasse sich nur bedingt steuern; immer wieder komme es zu unerwarteten Effekten, wenn die Tinte auf dem extrem saugfähigen Papier zerfließe.

Zur Beschäftigung mit Hölderlin hat sich Patzelt durch dessen Jubiläum, den 250. Geburtstag, inspirieren lassen – er fühlt sich dem Dichter nicht zuletzt durch biografische Parallelen verbunden: Genau wie er hat Patzelt die Klosterschule in Maulbronn besucht und im gotischen Hörsaal über der Brunnenkapelle Homer übersetzt. Hölderlins Porträt machte den Anfang; es folgten die von Schelling und Hegel, den Zimmergenossen im Tübinger Stift, und dann kam ein "Geist Hölderlins" nach dem anderen an die Reihe: Knapp 280 Personen bringt Ott – einige Albstädter kennen ihn von seiner Pfeffinger Wohnzimmerlesung bei den Albstädter Literaturtagen – in einen mehr oder weniger direkten Zusammenhang mit Friedrich Hölderlin.

Von Anaximander bis Martin Heidegger

Das Spektrum reicht vom vorsokratischen antiken Philosophen Anaximander über die griechischen Tragödiendichter Aischylos und Sophokles, die Weimaraner Überväter Goethe und Schiller, den Tübinger Schreinermeister Zimmer, der den umnachteten Dichter jahrzehntelang beherbergte, und den Wiederentdecker Hellingrath bis zu Paul Celan, dem Kollegen, und Martin Heidegger, dem philosophischen Verehrer und Vereinnahmer.

Die Bildvorlagen samt dem historischen Hintergrund besorgte sich Patzelt bei Wikipedia und absolvierte dabei en passant einen Schnelldurchgang durch 250 Jahre europäische Kultur- und Philosophiegeschichte. Anschließend las er Otts Buch ein zweites Mal, erstellte ein Register mit 278 Personen und zeichnete, bis er sämtliche Personen, zu denen sich eine Abbildung fand, auf Reispapier festgehalten hatte.

Parallel dazu las er diverse Hölderlin-Biografien und hörte Radio – alles, was SWR2 anlässlich des Hölderlin-Jahres gesendet hatte, darunter auch "Hyperion", den einzigen Roman des Dichters.

Und die Zeichnungen? Verschwanden erst einmal in der Schublade. Bis Patzelt zufällig mit Norbert Schütz, bis vor einem halben Jahr Inhaber der Buchhandlung Grotz, ins Gespräch über Leerstände in der Ebinger Innenstadt kam – und über die Möglichkeit, verwaiste Schaufenster als Ausstellungsflächen zu nutzen. Das Ehepaar Grotz-Schütz war sofort aufgeschlossen für die Idee, "Hölderlins Geister" in ihrem Schaufenster zu beherbergen. Und so sind seit dieser Woche 264 Tusche-Porträts ein Blickfang in der Sonnenstraße.