So sieht Rebecca Dernelle-Fischers Buch aus. Foto: Schwarzwälder Bote

Adoption: Pia, die Tochter von Tailfingens neuem Pfarrerehepaar, hat Trisomie 21

Wie viele andere Sechsjährige kann die kleine Pia aus Tailfingen ihren ersten Schultag kaum erwarten. Allerdings wird sie am 10. September nicht in einer Regelschule eingeschult, sondern in der Truchtelfinger Rossentalschule. Pia hat Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt.

Albstadt-Tailfingen. Ihre Mutter Rebecca Dernelle-Fischer ist dankbar, dass es in Albstadt ein Bildungszentrum mit dem Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" gibt. Sie und ihr Mann Christoph Fischer, der neue Pfarrer der Tailfinger Pauluskirche, sind seit Anfang August in Tailfingen. Sie haben drei Töchter: die 13-jährige Ann-Céline, die elfjährige Emma – und Pia, die sie als Baby adoptierten. Den Weg zu dieser Adoption hat Dernelle-Fischer in ihrem Buch "Und dann kam Pia – Du hast uns gerade noch gefehlt!" festgehalten, das 2017 erschienen ist – vom Gedanken an eine Adoption bis hin zu dem Moment, als endlich die entscheidenden Unterschriften unter dem Adoptionsvertrag standen.

Rebecca Dernelle-Fischer schreibt mit Humor und Offenheit über die Achterbahn der Gefühle, die diese Adoption bedeutete – und sie verschweigt Ängste und Zweifel nicht. Sie und ihr Mann hatten sich damals sehr bewusst dafür entschieden, ein Kind mit Down-Syndrom zu adoptieren. Geplant war das freilich zunächst nicht, doch nach einem Treffen mit anderen adoptionswilligen, meist kinderlosen Paaren nahm der Plan gestalt an, einem Kind ein Zuhause zu bieten, das offenbar wenig Chancen auf eine eigene Familie hatte.

Die gebürtige Belgierin Dernelle-Fischer hat während ihres Psychologiestudiums und der Ausbildung mehrere Menschen mit Down-Syndrom kennen gelernt – und lieben für ihre Fröhlichkeit, die oft so ansteckend sei. Aufgrund dieser beruflichen Begegnungen wusste sie freilich auch sehr genau, auf was sie sich mit der Adoption einließ, und steckte auch sehr bewusst die Grenzen dessen ab, was sie als leistbar ansah. Als soziales Engagement, das einem Pfarrer und einer Psychologin gut zu Gesicht stehe, will sie die Adoption nicht missverstanden wissen. Nein, im Vordergrund stand der Wunsch, einem ungewollten Kind ein liebevolles Zuhause zu geben.

Liebe auf den ersten Blick war es aber nicht – zumindest nicht bei ihr. Sehr ehrlich bekennt Rebecca Dernelle-Fischer, wie sie zunächst gar keine Muttergefühle beim Anblick dieses Babys empfand, das so ungewöhnlich aussah und "dringend eine frische Windel gebraucht hätte". Ganz anders fiel die erste Begegnung von Christoph Fischer und Pia aus. "Nur ein Blick und ein Lächeln, und sie gehörten zusammen", heißt es im Buch. Bei Dernelle-Fischer hingegen bedurfte es diverser Gespräche mit dem "Sicherheitsnetz" – sprich: den guten Freunden und der Familie, die von Anfang an eingebunden waren – und vieler Gebete und Gedanken, bis auch sie zum "Ja" zu diesem Kind gefunden hatte.

Seither hat sich vieles verändert – und auch wieder nicht. Eine ganz normale Familie möchten die Fischers sein – und sind es wohl auch, denn Rebecca Dernelle-Fischer muss auf die Frage, was sich durch Pia geändert hat, länger nachdenken. Ein Mitglied dieser Lebensgemeinschaft hat ein Handicap, gewiss, doch wie in anderen Familien dominiert doch das Bedürfnis, jeden Tag miteinan-der zu verbringen, Zeit füreinander zu haben und neue Herausforderungen gemeinsam zu meistern. "Vor allem am Anfang mussten wir manchmal unser Umfeld enttäuschen, wenn wir keine Besuche wollten. Aber die Ruhe war wichtig: So könnten wir die nötigen Kapazitäten aufbauen, um gelassen zu bleiben." Und weiter: "Wir waren immer müde, sind es heute noch."

Keine Frage, Pia braucht mehr Zeit und Geduld als andere Gleichaltrige – und die großen Schwestern, die Pia sogleich in ihr Herz schlossen, viel mit der Kleinen spielen und ihr die Welt erklären, sollen auch nicht zu kurz kommen. Die beiden achten auf ihre Freiräume – und bekommen sie zugestanden. "Manchmal überlege ich, was ich noch besser machen könnte", bekennt Rebecca Dernelle-Fischer. "Aber ich habe gelernt zu sagen: Es ist genug. Die Liebe, die ich für meine drei Kinder habe, genügt – und ich muss mir ihre auch nicht verdienen, ich bekomme so viel Liebe geschenkt." Mit Unwillen vernimmt sie den Gemeinplatz, sie sei mutig und habe "eine große Aufgabe" übernommen. "Nein", sagt sie und schüttelt den Kopf. "Wir haben keine Aufgabe über-, sondern ein Kind aufgenommen."

DAS BUCH: Rebecca Dernelle-Fischer: Und dann kam Pia. Neufeld-Verlag, 14,90 Euro.