Die Albstädter "Foodsharing"-Initiative stellt sich dem Fotografen – links vorne hockt Demian Eppler. Foto: Kistner

Albstädter Initiative will überschüssige Lebensmittel an Abnehmer vermitteln. "Es bleibt unglaublich viel liegen."

Albstadt - In den Metropolen und Großstädten gibt es sie schon seit Jahren, aber in jüngster Zeit entstehen auch in den Mittelstädten "Foodsharing"-Initiativen. Jetzt macht in Albstadt eine auf sich aufmerksam.

Das Phänomen ist "sattsam" bekannt: Tagtäglich werden auf der ganzen Welt tonnenweise Lebensmittel weggeworfen, und zwar nicht etwa, weil sie verdorben wären, sondern weil der Lagerbestand zu groß, die Ware nicht mehr ofenfrisch oder ein Verfallsdatum abgelaufen ist, das im Zweifelsfall früher als unbedingt notwendig angesetzt war. Oder weil Ostern vorbei ist und Schoko-Eier nicht mehr ins Sortiment gehören. Einen Teil der überschüssigen Nahrung nehmen zwar die Tafeln ab, aber erstens können sie schon aus quantitativen Gründen nicht alles verwerten, zweitens entspricht das Angebot nicht immer der Nachfrage, und drittens geben die Tafeln – anders als gelegentlich behauptet wird – keine abgelaufene Ware ab. Es wandern also trotz allem sehr viele Lebensmittel in den Abfall. Schade um die guten Sachen – und um die Ressourcen und die Energie, die bei ihrer Herstellung verbraucht oder richtiger: vergeudet wurden!

Das finden zumindest einige junge Albstädter, die Ende 2017 eine "Foodsharing"-Initiative ins Leben gerufen haben. "Foodsharing" ist englisch und heißt "Essen teilen", und der Grundgedanke, der sich hinter diesem Etikett verbirgt, ist genau der: Wer zuviel Lebensmittel hat, gibt sie, ehe er sie fortwirft, lieber an jemanden ab, der sie brauchen kann. Das muss – und hier unterscheidet sich "Foodsharing" fundamental vom Tafel-Prinzip – kein Armer sein; vom "Foodsharing" kann jeder profitieren, dem es nichts ausmacht, dass der Laugenwecken am Vortag gebacken wurde. Demian Eppler, gebürtiger Ebinger und derzeit Student in Stuttgart, hat das "Foodsharing" am großstädtischen Studienort kennengelernt und praktiziert es seit gut und gern zwei Jahren – er hat seine Ausgaben für Lebensmittel in dieser Zeit drastisch reduziert und schätzt sie auf ein paar hundert Euro im Jahr.

Kühlschrank stammt von einer Wohnungsauflösung

Warum soll so etwas nicht auch auf der Alb gehen? Eppler und mehrere junge Leute aus seinem Albstädter Bekanntenkreis haben sich Ende des vergangenen Jahres zusammengesetzt und sich überlegt, wie sich in Albstadt "Foodsharing" organisieren ließe. Was wird benötigt? Zum einen ein Transportnetzwerk – wenn einer, der etwas abzugeben hat, sich meldet, dann muss jemand da sein, der sich ins Auto setzt und die Ware abholt. Außerdem ein Lagerraum – den gibt es mittlerweile; den Kühlschrank haben die "Foodsharer" bei einer Wohnungsauflösung ergattert. Anders als in Stuttgart ist das Lager abgeschlossen; in der Landeshauptstadt existieren dagegen "Foodsharing-Verteiler", wo jedermann ans Regal heran kann.

Letzteres setzt natürlich voraus, dass dieser Verteiler regelmäßig von einem "Diensthabenden" kontrolliert wird, der putzt, nicht mehr genießbare Lebensmittel aussortiert und gegebenenfalls den guten Tipp gibt, dass die Eier nicht gerade ausgeschlürft, sondern gekocht werden sollten – Lebensmittelskandale brauchen die "Foodsharer" so wenig wie irgendjemand sonst. Leitfäden für den korrekten Umgang mit dem Essen gibt es bei der Dachorganisation; die Albstädter halten aber auch Kontakt zu zwei Sigmaringer Hochschulstudentinnen, die einen "Foodsharing-Hygieneplan" erstellt haben und sich bestens auskennen.

Doch jetzt die wichtigste Frage – wo kommt das Essen her? Demian Eppler und seine Mitstreiter fragen derzeit bei Bäckern, Metzgern, Gastronomen und kleineren Geschäften an, ob diese Restware haben, die sie abgeben könnten. Die großen Märkte lassen sie vorerst in Ruhe; für die brauchen sie das "Go" des in Stuttgart stationierten "Foodsharing-Kettenteams", das direkt mit den Konzernzentralen verhandelt. In den nächsten Wochen und Monaten wollen sie ihr Feld intensiv beackern. Haben sie Angst, auf Unverständnis zu stoßen? Eigentlich nicht: "Die Leute vom Fach kennen das Problem ja", sagt Demian Eppler. "Es bleibt unglaublich viel übrig. Wer sich nicht damit befasst hat, kann es sich nicht vorstellen."

 Die Albstädter "Foodsharer" sind für potenzielle Lieferanten und Abnehmer unter der Rufnummer 0177/ 6764684 und über die E-Mail-Adresse foodsharing-albstadt @freenet.de und den Facebook-Account "foodsharing albstadt" erreichbar.

In Villingen-Schwenningen wird schon lange Foodsharing betrieben, wie unser Video zeigt: