Axel Petermann, Silke Grabherr und Jürgen Reinhardt brachten dem Publikum die Forensik näher. Foto: Bender Foto: Schwarzwälder Bote

Thalia-Theater: Ex-Profiler und Gerichtsmedizinerin plaudern aus dem Nähkästchen

Dezentes Gruseln war am Freitag im Tailfinger Thalia-Theater angesagt: Auf Einladung des Zollernalb-Klinikums nahmen zwei hochkarätige Referenten ein großes und hochinteressiertes Publikum mit auf die Sicherung von "Tatortspuren".

Albstadt-Tailfingen. Oberarzt Jürgen Reinhardt war "überwältigt" – allenfalls mit der Hälfte der Besucher habe man gerechnet, bekannte der Initiator der Veranstaltung. Er scheint die Attraktivität der eigenen Idee gewaltig unterschätzt zu haben – seltsamerweise, denn trocken war an diesem Abend allenfalls der Humor von Bestsellerautor Axel Petermann, aber ganz bestimmt nicht das Thema, dessen sich der Ex-Kriminaler aus Bremen und die Leiterin des Genfer Instituts für Rechtsmedizin, Silke Grabherr, annahmen. Es ging um Mord, Leichen und Gerichtsmedizin.

Also auf zum Tatort! Diejenigen, welche Petermann, vormalige Ermittler bei der Mordkommission, seinen Zuhörern vorstellte, waren sehr real – und die Leichen auf den Fotos, die er zeigte, ebenfalls. Ihre grauenvollen Verletzungen hatte man zwar kaschiert, aber der Eindruck von der Arbeit "auf der Spur" und der Sicherung von Blutspritzern und Fingerabdrücken geriet dennoch überaus lebendig.

Eine ganz andere Aufgabe als die Spurensicherung hat der Profiler – Petermann war 15 Jahre lang einer, von 1999 bis 2014. Wer "die Spur hinter der Spur" sucht, wer die Daten nicht nur sammelt, sondern interpretiert und aus ihnen Rückschlüsse auf den Täter zieht, muss unbequem sein und vieles hinterfragen. "Er darf nicht einfach die Ergebnisse bestätigen", erklärt Petermann, "sondern muss neue Ideen entwickeln." Er muss auch bereit sein, Zeugenaussagen anzuzweifeln – Axel Petermann hat selbst, kurz bevor er pensioniert wurde, einen 40 Jahre zurückliegenden Mord aufgeklärt, für den der falsche Mann eingesperrt worden war. Mit der Gewissheit, dass diese Tat doch noch gesühnt werde, ging er in den Ruhestand – und schildert seine Erlebnisse seither einer breiten Leserschaft.

Mit Humor und Ironie widmete sich auch Silke Grabherr, weltweit führende Rechtsmedizinerin, ihrem Thema. Zuerst ließ sie jedoch die Luft heraus: Anders als in den CSI-Serien aus den USA stehe man nicht "super sexy in feschen Posen im Seziersaal herum und komme mitten in der Nacht putzmunter und top gestylt an den Tatort". Und noch einem Klischee wurde der Garaus gemacht: "Die Rechtsmedizin spricht deutsch" – nicht etwa die Amerikaner seien führend auf dem Gebiet der Forensik, sondern die Schweiz, Deutschland und auch Österreich. Den Damen in Genf – unter 20 im Stab befänden sich nur drei Männer – sei es beispielsweise gelungen, einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang allein anhand von 3-D-Grafiken so zu rekonstruieren, dass die Schuld eindeutig festgestellt werden konnte. Die Arbeit fand am Rechner statt – nicht an der Bahre. Nicht immer, so Grabherr, sei eine Autopsie der Opfer zwingend notwendig.

"Ich habe nur wenige schockierende Bilder dabei", bekannte Grabherr, enttäuschte das Publikum dann aber doch nicht, sondern erklärte detailliert, wie eine Leichenschau vonstatten geht, warum sich Leichenflecken bilden und wann die Leichenstarre einsetzt.

Allerdings müssen die Opfer auch nicht unbedingt tot sein – die Gerichtsmedizin untersucht auch Lebende und nicht selten auch Täter oder Tatverdächtige. Der Gerichtsmediziner, so Grabherr, sei auch kein reiner Mediziner, sondern nicht selten Spezialist für Ballistik, für Biomechanik und natürlich für Recht. Beiden Referenten hätte man noch ewig zuhören können, so interessant und lebendig waren ihre Ausführungen. Obwohl es um Tote ging.