Geodät Otto Bogenschütz aus Hechingen hat federführend an der Gestaltung der Ausstellung in der Stadtbücherei mitgewirkt – das Bild zeigt ihn mit einem Modell des Holzturms, der 1936 auf dem Raichberg errichtet wurde. Fotos: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote

Ausstellung: Vor 200 Jahren gab König Wilhelm I die Vermessung von ganz Württemberg in Auftrag

Eine Ausstellung in der Stadtbücherei in Ebingen dokumentiert derzeit die Anfänge der Landvermessung im Königreich Württemberg. Sie liegen 200 Jahre zurück – und fielen in eine Zeit des Um- und Aufbruchs.

Albstadt-Ebingen. Gerade einmal anderthalb Jahrzehnte lag zu diesem Zeitpunkt die sogenannte Mediatisierung zurück, eine von Napoleon veranlasste politische Flurbereinigung im großen Maßstab. Durch sie verloren viele kleine Adelsherrschaften im deutschen Südwesten die sogenannte Reichsunmittelbarkeit und wurden zu württembergischen Vasallen. Württemberg vergrößerte sich dadurch nicht nur beträchtlich, sondern wurde zudem vom Herzogtum zum Königreich. Zu den bis dahin selbstständigen Territorialherren, die zwar ihre grundherrlichen Einnahmen behielten, aber die württembergische Landeshoheit anerkennen mussten, zählten auch die Stauffenberger in Lautlingen und Margrethausen.

Mit der politischen Umwälzung ging die wirtschaftliche Krise einher. Das neugebildete Königreich lag nach Jahren des Krieges am Boden; zudem reichten die Einnahmen aus der Landwirtschaft nicht aus, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren – und 1816 kam es dann auch noch zur Klimakatastrophe: Im heutigen Indonesien brach der Vulkan Tambora aus. Es war der heftigste Vulkanausbruch in historischer Zeit; in seinem Gefolge kam es auf der ganzen Welt zu Temperaturstürzen, Ernteausfällen und Hungersnöten. Auch in den Gemeinden des heutigen Albstadt wurde gehungert – die Stadt war ein Zentrum der Strumpfwirkerei und der Anteil der Handwerker, die sich nicht selbst mit Nahrungsmitteln versorgen konnten, vergleichsweise hoch. Viele verarmten.

Aber auch den Bauern ging es nicht gut. Nur die Hälfte des Ackerlandes im Tal gehörte ihnen; die andere Hälfte war Eigentum des Lehensherren, der Martinspfründe oder des Spitals. Von der 1816 ohnehin extrem niedrigen Ernte mussten sie den Zehnten an den Zehntherrn und ein Drittel an den Lehensherrn abtreten. Der neue König Wilhelm I. zog daraus dieselbe Konsequenz wie einige Jahre zuvor der preußische "Kollege": Gegen den erbitterten Widerstand des Adels setzte er die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Befreiung der Bauern von den Lasten durch. Zwar mussten die Bauern dafür eine Ablöse an den Grundherrn zahlen und sich dafür bei der neu eingerichteten Kreditanstalt hoch verschulden – aber sowohl Landwirtschaft als auch Gewerbe im bis dato rückständigen Württemberg erlebten einen merklichen Aufschwung.

Was hat all das mit der württembergischen Landesvermessung zu tun? Um alle Grundbesitzer einheitlich besteuern zu können, musste die Größe jeder einzelnen Parzelle ermittelt werden. Deshalb ordnete der König am 25. Mai 1818 die Vermessung seines Königreichs an. Als Bezugs- und Nullpunkt des Koordinatensystems bestimmte der mit der Leitung beauftragte Tübinger Professor Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger die Sternwarte im Nordostturm von Schloss Hohentübingen, weitere Bezugspunkte waren die Salmendinger Kapelle und die Burg Hohenzollern. Die schnurgerade Straße, die Schloss Solitude mit Ludwigsburg verband, wurde exakt mit Messstangen ausgemessen, und vom Anfangs- und Endpunkt dieser Strecke aus wurden, wiederum mit Winkelmessgeräten, sogenannten Theodoliten, prominente Geländepunkte oder Kirchtürme anvisiert. Auf diese Weise ließen sich Dreiecksverbindungen herstellen und die Streckenlänge errechnen. Dieses Verfahren dehnte Bohnenberger aufs ganze Land aus; am Ende hatte jeder Winkel des Königreichs seinen Platz auf einer Flurkarte im Maßstab 1:2500.

Übrigens wurden diese Bezugspunkte ein Jahrhundert später, 1936, neu bestimmt, und dabei kam auch der Onstmettinger Raichberg zu Ehren. Auf einem über 40 Meter hohen Holzgerüst wurden mit einem hochgenauen Winkelmessgerät – die Richtungsabweichung durfte nur 0,5 Millimeter pro Kilometer betragen – die Richtungen zum Schloss Solitude, nach Donnstetten, zum Bussen, zur Dreifaltigkeitskirche und zu weiteren Punkten bei Hochmössingen und Emmingen gemessen. Ohne das Holzgerüst hätte man keine direkte Sicht auf sie gehabt – es stand bis in die Nachkriegszeit auf dem Raichberg.