Ökologisch über jeden Zweifel erhaben, in punkto Ökonomie in der Kritik: die Ebinger Klärschlammtrocknungsanlage. Foto: Kistner

Nach sieben Jahren ist in Ebingen Ernüchterung eingetreten: Erwartungen haben sich nicht erfüllt.

Albstadt-Ebingen - Ende 2010 ging, mit Vorschusslorbeeren dekoriert, die Ebinger Klärschlammtrocknungsanlage in Betrieb. Sieben Jahre später ist Ernüchterung eingetreten. Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt.

Die Idee war, zugegeben, wunderschön: Ein mit Holzhackschnitzeln – also regenerativ – befeuerter Ofen bringt über einen zwischengeschalteten Thermoölkreislauf das Silikonöl eines zweiten Kreislaufs zum Sieden; der Dampf betreibt eine sogenannte ORC-Turbine, die Strom erzeugt. Die dabei entstehende Abwärme heizt Luft auf, mit der Klärschlamm getrocknet wird, bis er den Brennwert von Braunkohle besitzt und seinerseits als Energieträger verwendet werden kann. Der ökologische Clou: Gleich zwei Abfallprodukte – Abwärme und Klärschlamm – werden genutzt und etliche Fliegen mit einer Klappe erlegt.

Dass mit dem ökologischen Nährwert nicht unbedingt ein ökonomischer korrespondieren würde, war freilich von Anfang an klar gewesen – Holcim zahlt nicht etwa für den Brennstoff aus Ebinger Produktion, sondern kassiert ganz im Gegenteil für seine Abnahme, und der technische Aufwand hat natürlich seinen Preis. Indes war die Entsorgung des Klärschlamms immer ein Zuschussgeschäft gewesen, seit man ihn nur noch unter Auflagen auf den Feldern ausbringen durfte, und so wurden neben der Stadt Albstadt noch etliche weitere Umlandgemeinden Mitglieder der Klärschlammverwertung Albstadt GmbH.

Unter ihnen grassiert jetzt die späte Reue. Die Klärschlammverwertung nach Albstädter Art ist, wie Albstadts Baubürgermeister Udo Hollauer einräumt, "zwar die ökologisch sinnvollste, aber nicht unbedingt die günstigste". Das liegt laut Hollauer zum einen daran, dass die Anlage im Ebinger Osten nie komplett ausgelastet war. Ihre Jahreskapazität wird mit 3565 Tonnen vorgetrockneten Klärschlamms beziffert, aber im ersten Betriebsjahr 2011 wurden lediglich 2340 Tonnen getrocknet, was einer Auslastung von 65 Prozent entsprach. Der Wert stieg in den Folgejahren dezent an, überschritt aber auch 2016, im letzten Jahr, das bislang statistisch ausgewertet wurde, nicht die 70-Prozent-Marke – und das, obwohl seit 2012 der Versuch unternommen wurde, Fremdschlämme zu akquirieren. An den Betriebskosten hätte eine höhere Auslastung natürlich nichts geändert, aber im Konkurrenzvergleich hätte Albstadt eine wesentlich bessere Figur gemacht.

Von den 2010 am Bau beteiligten Firmen gibt es viele gar nicht mehr

Gravierender fällt allerdings ein zweites Problem ins Gewicht, und zwar je länger, je mehr: Die Albstädter Klärschlammtrocknungsanlage ist ein Pilotprojekt, und das bedeutet Kinderkrankheiten. Beispielsweise musste der Aufleger der ORC-Turbine nachjustiert werden; die Lippendichtung leckte, und das Silikonöl lief aus. Später setzte betriebsbedingter Verschleiß die Förderbandwelle der Schlammtrocknung außer Betrieb, und das Ersatzteil wurde richtig teuer, weil der ursprüngliche Hersteller nicht mehr existierte und nur die Alternative Einzelanfertigung blieb. Die Firmen, die die Ebinger Anlage gebaut haben, waren zu einem guten Teil Pioniere auf ihrem Gebiet, wagemutig und innovativ, aber nicht unbedingt kapitalkräftig. Viele von ihnen sind mittlerweile vom Markt verschwunden, gingen entweder pleite oder in größeren Unternehmen auf – beides bedeutete unter Umständen den Verlust von Know-how.

Die Folge: Das Prinzip der "Kraft-Wärme-Klärschlamm-Kopplung" hat sich nicht durchgesetzt; die Ebinger Anlage ist in Deutschland ein Solitär geblieben. Nach wie vor, berichtet Bernd-Michael Abt, Geschäftsführer der Klärschlammverwertung Albstadt GmbH, gebe es Besichtigungstermine mit auswärtigen Interessenten; Schule habe das Albstädter Beispiel aber nicht gemacht.

Es steht zu befürchten, dass es als technische Sackgasse in die Industriegeschichte eingehen wird – einfallsreich, aber eben letztlich nicht konkurrenzfähig, ähnlich wie der Wankelmotor. Und die GmbH? Wird das Projekt vermutlich fortführen, bis es abgeschrieben ist – und dann die Lichter ausmachen.