Noch schwebt der coupierte Container am Haken des Kranwagens... Foto: Schwarzwälder Bote

Maschenmuseum: Ein zersägter Überseecontainer symbolisiert die nicht nachhaltige Textilproduktion

Die neue Ausstellung des Tailfinger Maschenmuseums zur Geschichte der heimischen Textilindustrie nimmt Gestalt an – die allerjüngste die eines abgesägten Überseecontainers. Gestern traf das riesige Requisit im Haus ein.

Albstadt-Tailfingen. Das zu Ende gegangene Jahrzehnt wird in der neuen Ausstellung nicht im allerbesten und -hellsten Licht erscheinen – vielmehr sind gewisse Entwicklungen auf dem Weltmarkt Gegenstand skeptischer Betrachtung; das Motto lautet "Vom Verwenden zum Verschwenden". Zehn Karten aus Pappkarton mit kritischen Fragen werden in diesem Teil der Ausstellung ausliegen; sie sind bereits bedruckt. Beispiele: "Chemie im Kleiderschrank!?" steht auf einer, "Was passiert mit Kleiderretouren?" auf einer anderen, "Warum ist ein hoher Verbrauch von Baumwolle für die Umwelt problematisch?" auf noch einer dritten.

Die Antworten, durchweg unangenehme Wahrheiten, finden sich auf den Rückseiten: Retouren gehen oft nicht mehr in den Verkauf zurück, sondern werden weggeworfen – das ist am Ende billiger. Weltweit fallen Seen trocken; ganze Regionen versteppen, weil das Wasser für die immer durstige Baumwolle, die dort zum Zwecke des Billigexports angepflanzt wird, hinten und vorne nicht ausreicht.

Aus Europa wird im großen Maßstab Altkleidung nach Afrika verschifft, wo sie die einheimischen Märkte kaputt macht, eventuell aber auch keinen Absatz findet und in Ermangelung von Lagerraum verfeuert wird. Die Mikrofasern verwandeln sich dabei in Mikroplastikpartikel, die flächendeckend Luft und Gewässer verunreinigen – selbst in entlegensten Weltgegenden können sie mittlerweile nachgewiesen werden.

Ein großer Vorwurf steht mithin im Raum, genauer: hinten links im Foyer des neuen Maschenmuseums – der nämlich, dass die globale Textilindustrie nicht nachhaltig produziert, sondern Ressourcen vergeudet und die Umwelt zerstört. Dieser Vorwurf hat konkrete Gestalt angenommen, nämlich die eines Überseecontainers der Hamburger Reederei "Hamburg Süd" – die Flagge prangt auf dem Stahl. Natürlich hätte das Maschenmuseum auch einen nagelneuen, jungfräulichen Container erwerben können, aber genau das wollten Museumschefin Susanne Goebel und Innenarchitekt Herwig Schneider vom Stockacher Büro "design und mehr" nicht. Sie wollten vielmehr einen mit Vergangenheit und Gebrauchsspuren, einen, in dem womöglich wirklich schon Billigshirts aus China nach Europa oder abgelegte Altkleidung aus Deutschland nach Nigeria verschifft wurde.

Schräg wie die Wand – es passt millimetergenau

Rund 1500 Euro hat das gute Stück gekostet; mittlerweile ist es auf dem Umweg über Reutlingen nach Ebingen gelangt und dort von der Schlosserei Weißinger fachmännisch tranchiert worden: Nur das Heck, das immer noch 2,40 Meter im Quadrat misst, wird benötigt; über den Rest des ursprünglich 20 Fuß langen Ungetüms freut sich der Schrotthändler. Die Mitarbeiter von Weißinger haben den Schnitt schräg geführt, denn auch die Wand im Museum, an der das eine halbe Tonne schwere Stück Alteisen aufgestellt wurde, steht schräg. Den Transport übernahm ein Kranwagen der Firma Rupert Linder. Der Einbau war Millimeterarbeit; die Ecken von Container und Wand schließen bündig ab.

Und was fängt das Maschenmuseum jetzt mit dem stählernen Kasten an? Er hat eine Tür; die wird geöffnet und ein Stapel Billigtextilien hineingestellt. Daneben werden der Bildschirm, der die Informationen vermittelt, und zwei Stück Herrenunterbekleidung hängen: ein T-Shirt für fünf Euro und ein altes Leinenhemd aus Tailfinger Produktion. Eines, das noch den Anspruch hatte, ein Leben lang zu halten. Das neue Maschenmuseum wird aller Voraussicht nach Mitte November eröffnet. In welchem Rahmen, das steht coronabedingt noch nicht fest – wohl aber, dass es einen geben wird.