Getränke-Mebold war eine der Sammelstellen der Aktion, die nun endet. Foto: Wolffheim Foto: Schwarzwälder Bote

Rotary Club: Sammelprojekt endet – aber der Kampf gegen Kinderlähmung nicht

Die Plastikflut setzt der Aktion "Deckel gegen Polio" ein Ende. Am 30. Juni läuft sie aus – nach fünf höchst erfolgreichen Jahren.

Albstadt. "146 Millionen Deckel von Getränkeflaschen hat der Rotary Club Deutschland im Rahmen der Aktion ›Deckel gegen Polio‹ gesammelt", freut sich Hans Pfarr, der Polio-Beauftragte von Rotary Deutschland und frühere Oberbürgermeister von Albstadt. "Das reicht für drei Millionen Impfungen gegen Kinderlähmung." Denn die Bill- und Melinda-Gates Stiftung hat den Verkaufserlös für die Kunststoff-Deckel um 200 Prozent aufgestockt, wie sie es mit allen Spenden tut, die der Rotary Club International seit 1987 gesammelt hat, als der Startschuss zur Aktion "End Polio Now" – "Beendet Kinderlähmung jetzt" – in München gefallen war.

Eine der Methoden, Geld für Impfkampagnen und Aufklärung zu sammeln, war seit 2014 die Aktion "Deckel gegen Polio" des Vereins "Deckel Drauf", bei der 1105 Tonnen Plastikdeckel zusammengekommen sind. Im Norden Deutschlands, im Rotary Club Herzogtum Lauenburg-Mölln, hätten die Sammlungen angefangen, berichtet Hans Pfarr, und nach und nach sei die Aktion bis in den Süden Deutschlands umgesetzt worden. Pfarr selbst und seine Mitstreiter vom Rotary Club Ebingen-Zollernalb waren seit mehreren Monaten mehrmals wöchentlich zu den Sammelstellen in Albstadt und Umgebung gefahren, um Deckel abzuholen – meist in Einkaufs- und Getränkemärkten. Mitgemacht hatten aber auch viele Privatpersonen, darunter zahlreiche Kinder, die damit ihren Beitrag zur Ausrottung der Kinderlähmung geleistet haben.

Das Ziel ist in Sicht – aber noch nicht erreicht, betont Hans Pfarr und mahnt unermüdlich, jetzt nicht nachzulassen. Beim Rotary-Convent erst kürzlich in Hamburg sei das Motto "End Polio Now – Wir bleiben dran" ausgegeben worden. Im August sei Nigeria, wenn nichts mehr dazwischen kommt, seit drei Jahren frei von Polio-Erkrankungen und gelte erst damit als Polio-frei. Somit blieben nur noch Afghanistan und Pakistan, wo die Impf-Aktionen schon wegen des Geländes und der entlegenen Siedlungen besonders schwierig durchzuführen seien.

Gefahr besteht weiter – viele ignorieren sie

In Deutschland hingegen sei die Gefahr der Kinderlähmung bei vielen – selbst bei manchen Ärzten – komplett vom Radar verschwunden, ist Pfarr besorgt. Dabei lauere das nächste Virus nur eine Flugreise entfernt. "Von 100 Personen, die sich angesteckt haben, werden nur fünf sichtbar krank", weiß Pfarr. "Aber alle 100 tragen das Virus weiter." Wer damit in Kontakt komme und nicht geimpft sei, den erwarteten nicht nur furchtbare Folgen wie Lähmung und Verkrüppelung, sondern in späteren Jahren auch das äußerst schmerzhafte Post-Polio-Syndrom, das viele der rund 50 000 noch lebenden Polio-Erkrankten in Deutschland durchleiden müssten. Dass Baden-Württemberg in Deutschland sogar Schlusslicht ist in Sachen Impfungsrate, macht Pfarr ratlos – und traurig, sei es doch so einfach, sich und damit auch andere vor der gefährlichen Krankheit zu schützen.

Hoffnung setzt Pfarr in Holger Knaack vom RC Herzogtum Lauenburg-Mölln, der 2020/21 Präsident von Rotary International werden wird. Ein Deutscher an der Spitze der Organisation, die seit 32 Jahren für die Ausrottung der Kinderlähmung kämpft: Davon verspricht sich Pfarr, dass das Thema wieder mehr in den Blickpunkt rückt.

Dazu beigetragen hat die Deckel-Aktion allemal. Warum wird sie dann eingestellt? Weil wegen des chinesischen Importverbots für Plastik und der zunehmenden Plastikflut die Preise für Kunststoff sinken, könnten die Erlöse, die zur Finanzierung der Impfungen notwendig seien, nicht mehr erzielt werden. Außerdem verlange die Kunststoffstrategie der Europäischen Union, "die wir für richtig und notwendig halten", dass Deckel bei der Rückgabe künftig fest mit Flaschen verbunden sein müssten, heißt es in einer Stellungnahme von "Deckel Drauf". "Uns geht also mittelfristig das Sammelmaterial aus." Bis 30. Juni freilich sammeln die Rotarier noch. Und bis dorthin gilt: Jeder Deckel zählt.