Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg Foto: Schwarzwälder Bote

Jahrestag: Heute vor 75 Jahren starb Melitta von Stauffenberg beim Abschuss ihres Flugzeugs

Heute vor 75 Jahren nahm das Leben von Melitta von Stauffenberg ein jähes Ende. Die "fliegende Gräfin" wurde von einem amerikanischen Jäger abgeschossen und starb an den Folgen des Absturzes.

Albstadt-Ebingen. Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg war die Frau von Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, dem Bruder von Claus und Berthold von Stauffenberg. Geboren wurde sie am 9. Januar 1903 in Krotoschin als Tochter des preußischen Baurates Michael Schiller, eines zum Protestantismus konvertierten Juden, und seiner Frau Margarethe. Sie und ihre vier Geschwister verbrachten eine behütete Kindheit und Jugend in der preußischen Provinz Posen, wo Melitta die höhere Mädchenschule besuchte.

Nach dem Krieg wurde Posen polnisch; die Schillers zogen ins schlesische Hirschberg, wo Melittas Großmutter lebte und wo sie selbst 1922 ihr Abitur machte. In diese Zeit fielen auch ihre ersten Erfahrungen mit dem Segelflug. Fliegen hatte sie schon als Kind fasziniert; es traf sie hart, dass sie, als sie 1923 um Aufnahme in die Akademische Fliegergruppe ersuchte, brüsk zurückgewiesen wurde – die Herren Flieger trauten einer Frau nichts zu und wollten unter sich bleiben. Von 1922 bis 1927 studierte sie an der TH München Mathematik, Physik und Flugmechanik, wurde mit Auszeichnung diplomiert und arbeitete seit 1927 bei der "Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt" (DVL) in Berlin Adlershof, 1936 wechselte sie zu den Askania-Werken in Berlin-Frie- denau – und am 11. August 1937 heiratete sie Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, den sie sechs Jahre zuvor kennengelernt hatte.

Inzwischen besaß sie die Flugzeugführerscheine sämtlicher Motorflugklassen, und dazu den Kunstflugschein und alle Befähigungsscheine im Segel- und Segelkunstflug. Kurz: Sie war die am vielseitigsten ausgebildete Flugzeugführerin Deutschlands und ihre Ernennung zur Flugkapitänin im Oktober 1937 nur folgerichtig.

Bereits vor dem Krieg hatte Melitta von Stauffenberg an der Verbesserung von Bombenzielgeräten gearbeitet; nach Kriegsausbruch wurde sie dienstverpflichtet und wirkte fortan bei der Flugerprobungsstelle der Luftwaffe in Rechlin an der Verbesserung der Zielgeräte für Sturzkampfbomber (Stuka) mit. Die physisch und psychisch extrem fordernden Testflüge – rund 2500 Sturzflüge aus 5000 auf knapp 1000 Meter Höhe – übernahm sie selbst; die wenigsten männlichen Kollegen konnten ähnlich viele vorweisen. Im Februar 1942 wurde sie zur Technischen Akademie der Luftwaffe in Berlin-Gatow abkommandiert, 1943 erhielt sie aus Hermann Görings Händen das Eiserne Kreuz zweiter Klasse und kurz darauf das Militärfliegerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen.

Sie wollte fliegen – um jeden Preis

Warum opferte sie sich so sehr für einen Staat auf, dem sie schon aufgrund ihrer Herkunft denkbar fern stehen musste? Sicher nicht wegen irgendeiner geistigen Affinität zum Regime, sondern weil sie um jeden Preis fliegen wollte – und weil ihr Pflichtgefühl es ihr verbot, Abstriche bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu machen. Dass sie von Verfolgung verschont blieb, verdankte sie dem Umstand, dass ihre Arbeit als Testpilotin als kriegswichtig eingestuft wurde – und sie selbst durch das Reichssippenamt als "deutschblütig".

Dann kam der 20. Juli 1944. Es ist bis heute strittig, ob Melitta in die Attentatspläne eingeweiht war – Tagebucheinträge, die das nahelegen könnten, sind am Ende nicht detailliert genug; zudem erschweren viele Abkürzungen das Verständnis.

Nach dem 20. Juli wurden Melitta und Alexander von Stauffenberg inhaftiert. Alexander, der nicht am Attentat beteiligt war, kam ins Konzentrationslager, Melitta wurde in verschiedenen Berliner Gefängnissen eingesperrt, nach sechs Wochen Haft aber auf freien Fuß gesetzt – vermutlich, weil die Entwicklung von "optischen Nachtlande-Verfahren" für die Jagdflugzeuge Messerschmitt Me 109 und Focke-Wulf Fw 190 als kriegswichtig galt. "Gräfin Schenk" nahm ihre Arbeit wieder auf – und nutzte ihre Privilegien, um die internierten Familienangehörigen aufzuspüren und zu besuchen, wann immer es ihr möglich war.

Gegen Kriegsende wurde ihre Dienststelle aus Berlin nach Süden verlegt. Auf abenteuerlichen (Luft-)Wegen gelangte Melitta im April nach Bayern, wo sie ihren inhaftierten Mann vermutete. Am Morgen des 8. April 1945 war sie östlich von Straubing in einer "Bücker Bü 181", unterwegs – ohne Bordwaffen – , als gegen 7.40 Uhr ein amerikanischer Jäger auftauchte. Zwei Kilometer östlich des niederbayerischen Dorfs Straßkirchen wurde Melitta von Stauffenberg abgeschossen und stürzte aus geringer Höhe auf ein Feld beim Weiler Loh. Sie lebte noch und war bei Bewusstsein, als sie aus dem Wrack befreit wurde, starb aber auf dem Weg ins Straubinger Krankenhaus Azlburg. Sie wurde in Straubing begraben und später von ihrem Mann, der KZ und Krieg überlebt hatte, nach Lautlingen überführt und in der Erbgruft der Stauffenbergs beigesetzt.

Die historische Forschung hat Melitta von Stauffenberg lange Zeit nicht beachtet; erst 1990 erschien die erste Biografie, verfasst vom Braunschweiger Militärhistoriker Gerhard Bracke, 2013 eine Zweitauflage. Er zeichnet das Porträt einer Frau, die ganz bestimmt kein politischer Mensch war – auf neudeutsch würde man sie wohl einen "Flug-Junkie" nennen. Denn Fliegen war ihr Leben.