Inga Wolf erklärt den Teilnehmern des Workshops die Verbesserungsmöglichkeiten. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Fußverkehrs-Check: Bürger reden im Auftaktworkshop mit – und sollen auch mit entscheiden dürfen / Begehung am 27. September

Als eine von neun baden-württembergischen Kommunen nimmt Albstadt an der vierten Runde des Fußverkehrs-Checks des Landesverkehrsministeriums teil. Im Auftaktworkshop durften die Bürger mitreden.

Albstadt-Onstmettingen. Ziel des Fußverkehrs-Check ist es, die Wege und Straßen in Albstadt sicher und attraktiv zu machen, so dass die Albstädter 30 Prozent aller Wege bis 2030 zu Fuß bewältigen – ein ambitioniertes Ziel. Vor allem für Kinder sollen Anreize geschaffen werden, damit das Gehen Spaß macht, ja sogar Erlebnischarakter hat.

Inga Wolf, Mitarbeiterin vom Planungsbüro Planersocietät in Dortmund und Leiterin des Fußverkehrs-Checks in Albstadt, beglückwünschte die Teilnehmer des Workshops im Gemeindesaal der Kirche St. Maria in Onstmettingen, dass Albstadt als eine von neun Kommunen unter 59 Bewerbern den Zuschlag zur Teilnahme bekommen hat, wenngleich die Stadt die einzige Kommune ist, die ihre Teilnahme selbst selbstfinanzieren muss.

Warum wurde für den Fußverkehrs-Check gerade Onstmettingen ausgesucht? Stadtplaner Gerhard Penck erklärte, dass im drittgrößten Stadtteil seit 30 Jahren nichts mehr in diese Richtung geschehen sei, und dass es darum gehe, angesichts des hohen Verkehrsaufkommens von rund 8000 Fahrzeugen täglich die Fußgängersicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die Ortsmitte zu beleben. Denn es sei der Anblick von Menschen, der eine lebenswerte Stadt ausmache.

Der "Fußverkehrs-Check" soll die Belange der Fußgänger stärker ins Bewusstsein von Bürgern, Politik und Verwaltung rücken und Impulse für die Förderung des Fußverkehrs in Baden-Württemberg geben. Erkenntnisse und Lösungsansätze aus den Teilnehmerkommunen sollen Vorbildcharakter für weitere Kommunen haben – das Land strebt an, dass bis 2030 landesweit 30 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt werden.

Warum rückt das Gehen in den Fokus? Baubürgermeister Udo Hollauer betonte in seiner Begrüßung, dass das "zu Fuß Gehen" nicht so etabliert sei wie die Fortbewegung auf Rädern. Inga Wolf erläutert anhand einer Präsentation, dass eine neue "Bewegungskultur" nötig sei und die bislang vernachlässigten Fußgänger in den Fokus rücken sollen. Eine Statistik besagt laut Wolf, dass Fußgänger untereinander kommunizieren, ebenso wie mit Radfahrern. Kinder säßen pro Tag 25 Minuten im Auto, seien dadurch unausgelastet und nervös. Liefen sie zur Schule anstatt zu fahren, wären sie ausgeglichener und vor allem fit und wach.

Nur bei Tempo 30 ist rechzeitiges Bremsen noch möglich

In den Fokus rücken auch die Tempo-30-Zonen in den Städten, denn bei dieser Geschwindigkeit sei es noch möglich, zu bremsen. Wolf nannte Möglichkeiten zur Entschärfung der Verkehrssituation in Innenstädten: Elternhaltestellen und den laufenden Schulbus, wie es ihn etwa in Bitz gibt. Zuerst jedoch müsse ein Umdenken stattfinden: Fußgänger und Radfahrer zuerst. Dabei sei auf Barrierefreiheit – sie ist auch ein Problem an Haltestellen –, auf behindertengerechte Proportionierung bei der Gestaltung und auf taktile Streifen für Menschen mit Sehbehinderung zu achten. Erst dann kommt für die Expertin das Auto.

Wege sollten bespielbar gemacht werden, Möglichkeiten für Senioren zum Anlehnen und Ausruhen vorhanden sein – wenn sie Kindern gleichzeitig als Spielgerät dienten: um so besser.

Die Onstmettiger lud Inga Wolf ein, Wünsche zu äußern – und die ließen sich das nicht zweimal sagen: Überquerungsmöglichkeiten an der Hauptstraße, am Rathausplatz, bei der Post, der Bank, am südlichen Ortseingang und nach der Ampel in Richtung Tailfingen wünschen sie sich. Hohe Bordsteine und schwierige Oberflächen wie Kopfsteinpflaster seien mit Rollstuhl oder Rollator schwer zu meistern, Zebrastreifen schwierig zu überqueren.

Ortsvorsteher Sigfried Schott betonte, dass die Gehwege durchgehend problematisch seien und überall Hindernisse lauerten. An Treppenaufgängen sollten zu beiden Seiten Geländer angebracht werden, meinte er, und für Personen mit Rollator seien sie erst recht ein Problem.

Was kann die Stadt tun? Dafür hatten die Teilnehmer schon einige Ideen: eine Mehrgenerationenbank am Platz vor der "Traube", neue Beläge, Plateaus auf den Straßen, um den Verkehr auszubremsen, verkehrsberuhigte Zonen, optische Hilfen, ein Kinderleitsystem zu Kindergarten, Schule und Park – Möglichkeiten gibt es viele.

Das Planungsbüro werde all diese Wünsche genau auf Onstmettingen zuschneiden, um ein stimmiges Gesamtbild zu entwerfen, so Wolf. Am 27. September folgt eine Begehung in Kooperation mit der Schule.

Zahlen und Fakten zum Fußverkehr und Gründe, verstärkt zu Fuß zu gehen, hat die Firma Planersocietät beim Workshop vorgelegt:

 Knapp ein Viertel aller Wege legen die Deutschen zu Fuß zurück. 61 Prozent entfallen hingegen auf die Nutzung motorisierter Individualfahrzeuge wie Autos oder Quads.

 Frauen legen je nach Alter bis zu neun Prozent längere Fußwege zurück als Männer. Diese Differenz kommt laut Planersocietät "durch Begleitwege, die überwiegend noch von Frauen durchgeführt werden", zustande.

 Auch zwischen verschiedenen Altersgruppen gibt es Unterschiede: Besonders Senioren, Kinder und junge Erwachsene legen anteilig viele Fußwege zurück.

 Gerade bei kurzen Wege verzichten viele auf Auto, öffentlichen Nahverkehr und Co.: 26 Prozent aller zu Fuß zurückgelegten Wege sind kürzer als ein Kilometer. Planersocietät sieht hier aber zusätzliches Potenzial: "Vier von zehn Wegen sind kürzer als zwei Kilometer. Aber auch auf diesen kurzen Wegen wird häufig schon das Auto genutzt, obwohl gerade auf diesen kurzen Strecken viel CO2-Emissionen entstehen."

 Fast die Hälfte aller getöteten Fußgänger sind über 64 Jahre alt, knapp ein Viertel sind Kinder. Die Firma Planersocietät sieht vor allem in Straßenquerungen Konfliktpunkte.

 Das Zufußgehen hat laut Planersocietät mehrere Vorteile: Zum einen habe tägliche Bewegung einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung und steigere die Lebensqualität. Zum anderen nutze die Entscheidung, zu Fuß zu gehen, der Umwelt und ermögliche die Teilhabe aller am öffentlichen Leben.