Hochkonzentriert arbeiten Auszähler nach der Kommunalwahl – die Stimmenzahl muss stimmen, wie der Name schon sagt. Foto: Kistner Foto: Schwarzwälder-Bote

Auszählen der Kommunalwahlergebnisse bindet alle Kräfte im Rathaus / Briefwahl en Vogue

Von Martin Kistner

Albstadt. Frank Merkle hat am Sonntag bis spät in den Abend hinein gearbeitet – und danach sicher gut geschlafen!? Merkle, bei dem während der Wahlen alle Fäden im Rathaus Albstadt zusammenlaufen, lächelt gequält: "Das werde ich, wenn das hier vorbei ist."

Das ist es am Montagmorgen noch längst nicht. Am Vorabend war im Rathaus Albstadt gerade mal eine von vier Wahlentscheidungen ausgezählt worden, die Europawahl, die eher zu den unproblematischen Urnengängen zählt – eine Stimme pro Wähler, da ist der Zeitaufwand überschaubar und die Gefahr, das Fehler unterlaufen, auch.

Die Urnen der Kommunalwahlen – drei sind es, Kreistag, Gemeinderat, Ortschaftsräte – blieben dagegen unangetastet; sie wurden lediglich aus den Ortsteilen nach Ebingen gebracht und in einem Raum des Rathauses Albstadt deponiert, zu dessen Lage sich Merkle nicht äußern mag – er will in Wahlnächten auch künftig ohne Wach- und Schließdienst auskommen.

Aber auch ohne die Gefahr der Wahlfälschung bleiben noch einige Unwägbarkeiten, die zuletzt Merkles Nachtruhe beeinträchtigten. Einige seiner Sorgen muten exotisch an, aber sie sind dennoch real. Das letzte Erdbeben hatte eine Stärke von 2,6 auf der offenen Richterskala – was, wenn die Erde am Montagmittag ein Beben mit Stärke 5,7 nachreichte? Oder wenn der Strom ausfällt, weil ein Baggerfahrer zu forsch zu Werke gegangen ist? Es sind die Un- und Wechselfälle der Kategorie "höhere Gewalt", vor denen sich Frank Merkle am meisten fürchtet.

Gegen die anderen hat er so gut wie möglich vorgebaut. Inklusive Gemeindewahlausschuss und EDV-Taskforce sind im Rathaus Albstadt an die 500 Mitarbeiter im Einsatz, darunter präzise 434, die auszählen. 62 Wahlvorstände gibt es; jeder hat sieben Mitglieder, von denen jeweils drei in einem Team arbeiten – der siebte Mann ist der Wahlvorsteher, der sich um die Eventualitäten kümmert – der Libero, wenn man so will. In den Dreier-Teams sind die Aufgaben so verteilt: Einer liest, einer tippt ein, einer achtet darauf, dass das Eingetippte auch mit dem Vorgelesenen identisch ist. Der Wahlvorsteher greift ein, wenn Probleme auftreten.

Der Wählerwille muss erkennbar sein

Ein Beispiel: Der Wählerwille muss erkennbar sein – wenn einer beim Panaschieren die Ordnungszahl auf dem Wahlzettel vermerkt, aber nur den Vornamen hingeschrieben hat, dann zählt die Stimme, vorausgesetzt der Vorname ist der richtige. Für den Nachnamen gilt das Gleiche – selbst wenn er allein steht, kann er akzeptiert werden, sofern der Kandidat keinen Namensvetter hat. Wer freilich "Thomas Müller" panaschierte, ohne die Ordnungszahl zu nennen, hat Pech gehabt – in Albstadt führen zwei Kandidaten Deutschlands häufigsten Namen.

Der Große Sitzungssaal ist am Montagmorgen ein Großraumbüro. Auf dem Boden liegen aufgerissene Wahlbriefumschläge; auf den Tischen der Gemeinderäte stehen Bildschirme, an denen leise und konzentriert gearbeitet wird. Die Briefwahl kommt laut Frank Merkle immer mehr "en Vogue", seit man nicht mehr begründen muss, warum man sie dem Urnengang vorzieht. Rund 2300 Briefwähler wurden 2009 gezählt, diesmal sind es an die 3700. Wieso? "Den Leuten ist der Sonntag heilig", mutmaßt Merkle, "den wollen sie sich von der Obrigkeit nicht verplanen lassen."

Von dem Plan, seinen Pass verlängern zu lassen oder einen Strafzettel bar zu bezahlen, sollte man an diesem Montag lieber absehen – die Auszählung bindet alle Kräfte. "Morgen wieder", sagt Frank Merkle. Wer dagegen nach Zwischenergebnissen fragen oder – es geschieht selten – dem Zählpersonal auf die Finger schauen möchte, der darf das; die Wahlauszählung ist öffentlich. Solange sie läuft, bleibt die Haustür offen, und kein Zaungast wird abgewiesen – auch um 21 Uhr nicht.

Frank Merkle hofft allerdings, schon früher Vollzug melden zu können – und nach einem entspannten Feierabend nachts tief und fest schlafen zu können.