Übernahme stärkt Lufthansa
Auf nicht wenigen Strecken in Deutschland und Österreich würde Lufthansa zum alleinigen oder mit Abstand wichtigsten Anbieter, was zu steigenden Ticketpreisen führen könnte. Es gilt daher als möglich, dass die Wettbewerbsbehörden den Kauf nur unter Auflagen dulden und der Marktführer Start- und Landerechte abgeben muss.
Lufthansa-Chef Spohr meint, die Flugpreise könnten wegen des harten Wettbewerbs in Europa mit Billigfliegern wie Ryanair sinken. Auf deutschen Strecken wie München–Köln werde die eigene Tochter Eurowings künftig statt Air Berlin fliegen und eigenständig dem Mutterkonzern Lufthansa Konkurrenz machen, um Kunden für ihre Jets zu bekommen. Die Übernahme stärke den Konzernim internationalen Wettbewerb mit großen Airlines aus den USA, Nahost und China.
Air Berlin soll den eigenen Betrieb am 28. Oktober mit der Eröffnung des abschließenden Insolvenzverfahrens einstellen. Damit sind alle Tickets für spätere Flüge ungültig. Der letzte Air-Berlin-Flug ab Stuttgart startet am 27. Oktober um 21.15 Uhr nach Düsseldorf (AB 6845).
Ansprüche auf Rückzahlung
Rund 200 000 Reisende sind von Flugstreichungen betroffen. Wer vor der Insolvenzanmeldung am 15. August gebucht hat, kann Ansprüche auf Rückzahlung nur noch beim Verwalter anmelden. Die Aussichten, in einigen Jahren etwas zurückzubekommen, gelten aber als gering. Denn Air Berlin ist hoch verschuldet, und es werden erst andere Forderungen beglichen. Wer nach dem 15. August gebucht hat, soll dagegen den Kaufpreis erstattet bekommen.
Bei großen Teilen der 8000 Beschäftigten von Air Berlin ist der Frust groß über das baldige Aus ihres Arbeitgebers. Viele erhalten die Kündigung und haben noch keine berufliche Perspektive. Man sei sehr unzufrieden über die bisherigen Verhandlungen über Auffanglösungen, sagt ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Vor allem für die 1400 Mitarbeiter in der Berliner Zentrale und die Angestellten bei den Bodendiensten könnte es schwierig werden, neue Jobs in der Branche zu finden. Das Land Berlin will eine Transfergesellschaft mitfinanzieren und auch selbst Beschäftigte übernehmen.
Piloten und Crews von Air Berlin haben dagegen bessere Chancen, anderswo unterzukommen. Eurowings wirbt seit Monaten um fliegendes Personal und hat zudem bereits 38 Flieger der einst mehr als 140 Jets des Konkurrenten langfristig gemietet. Die Lufthansa-Tochter will dem Vernehmen nach aber nur 1700 Beschäftigte von Air Berlin übernehmen, die dort nach derzeitigem Stand teils deutlich weniger verdienen werden.
Niki hat keine Insolvenz angemeldet
Auch andere Airlines hatten sich um den Ferienflieger Niki beworben, der einst in Wien vom Rennfahrer Niki Lauda gegründet worden war und später von Air Berlin übernommen wurde. Niki hat keine Insolvenz angemeldet, der Flugbetrieb soll weitergehen, für gebuchte Urlauber soll sich nichts ändern. Die Lufthansa veranschlagt für die Eingliederungen der Zukäufe mindestens ein halbes Jahr, dabei werde es auch „Ruckeleien“ geben, räumt Spohr ein.
Neben der Lufthansa will auch Easyjet Teile von Air Berlin übernehmen, angeblich rund 30 Jets. Die exklusiven Verhandlungen mit den Briten dauerten aber noch an, hieß es nach der Aufsichtsratssitzung. Falls dieser Handel scheitert, weil Easyjet zu wenig zahlen will, könnten andere Bieter wie der Ferienflieger Condor des Tourismuskonzerns Thomas Cook noch zum Zuge kommen.
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