Demonstration von Landwirten Anfang Januar in Stuttgart. Foto: Archiv/Lichtgut/Max Kovalenko

Die Proteste der Landwirte setzen sich auch im neuen Jahr fort. Wir erklären, warum die Bauer streiken und was die Hintergründe sind.

Die Ampel-Regierung muss 2024 sparen – und zwar Milliarden. Deswegen wurde im vergangenen Jahr wochenlang verhandelt, wo etwas gestrichen werden könnte. Unter anderem traf es die deutschen Bauern. Die Branche soll mit etwa einer Milliarde Euro ihren Beitrag leisten. Das gefällt den Landwirten logischerweise gar nicht – obwohl die Bundesregierung jüngst Nachbesserungen bei den geplanten Kürzungen beim Agrardiesel bei der Kfz-Steuer angekündigt hat. 

Aus für Steuervergünstigungen

Die Bundesregierung hatte Ende letzten Jahres beschlossen, die Subventionen für Agrardiesel und die bisherige Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Das sieht eine Einigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zum Bundeshaushalt 2024 vor.

Aus Protest gegen die geplante Streichung von Steuervergünstigungen gehen seit Mitte Dezember die Landwirte mit ihren Traktoren auf die Straße - und blockieren mit verschiedenen Aktionen deutschlandweit den Verkehr in den Städten. Auch in Stuttgart zogen kurz vor Weihnachten Tausende mit Traktoren durch die Innenstadt und sorgten so für Chaos. 

 „Wir nehmen das nicht hin“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied bei einer Kundgebung in Berlin Mitte Dezember.

Ein Aus für Regelungen zum Agrardiesel und für die Kfz-Steuerbefreiung sei „eine Kampfansage“, und diese nehme man an. Er forderte die Ampel-Koalition auf, die Einsparplänen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer zurückzunehmen und drohte größere Aktionen für Januar an.

Ampel-Koalition mit Nachbesserungen 

Der Protest der Landwirte zeigte Wirkung: Anfang des Jahres (Donnerstag, 4. Januar) machte die Bunderegierung einen Teil-Rückzieher bei Kürzungen für Landwirte. So will die Koalition auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden. Das teilte ein Sprecher der Bundesregierung in Berlin mit.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verständigten sich also auf Änderungen der ursprünglichen Pläne. Auf die Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft werde verzichtet, um den "zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand" für die betroffenen Unternehmen zu vermeiden. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll in mehreren Schritten abgeschmolzen werden. Das solle den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung geben. In diesem Jahr erfolgt laut Bundesregierung eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent, in den Jahren 2025 und 2026 jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen gebe es keine Subvention mehr. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 bleibe unverändert. 

Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen aber für unzureichend - und hält an einer ab Montag (8. Januar) geplanten Aktionswoche fest. Geplant sind bundesweit eine Vielzahl an Aktionen, wie Kundgebungen, Traktor-Kolonnen und Mahnwachen.

Erneute Proteste Ende Januar

Aus Sicht der Landwirte sind die Nachbesserungen der Politik nicht genug. Auch die schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Subventionierung solle zurückgenommen werden, fordern sie.  „Diskussionen über landwirtschaftliche Themen, die seit vielen Jahren erfolglos besprochen werden, helfen uns an dieser Stelle nicht weiter. Wir halten an unserer Forderung fest: Die Agrardieselrückvergütung muss bleiben“, sagt Hans-Benno Wichter, Vize-Präsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg.

Im Südwesten hatten die Landwirte ab dem 25. Januar wieder zu einer Aktionswoche mit Protesten aufgerufen. Am Dienstag, 30. Januar, findet eine große Sternfahrt nach Stuttgart statt. Die Aktion wird vom Verein Land Schafft Verbindung Ba-Wü organisiert. Die Landwirte stützten sich bei ihren Protesten auch auf Zustimmung aus der Bevölkerung, heißt es. „Wir sind gezwungen uns nochmals Gehör zu verschaffen“, sagt Jürgen Maurer. Man sei sich bewusst, dass man die Bevölkerung mit weiteren Protesten erneut auf die Probe stelle. Deshalb bittet der Vize-Präsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis: „Wir kämpfen um den Erhalt der heimischen Landwirtschaft und für eine sichere Lebensmittelversorgung aus der Region.“

Streik der Bauern: Um was es genau geht

Die Landwirtschaft steht bei den Sparplänen der Regierung gleich doppelt im Visier: Wegfallen soll die Regelung, dass sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen können – mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter.

Zudem sind derzeit land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit. Dieser Sonderstatus sollte wegfallen - tut es nun aber doch nicht. Nach Angaben des Bauernverbands würde die Branche durch einen Wegfall pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet werden. 

Aktion von Landwirten gegen Wirtschaftsminister Habeck

Landwirte haben Bundeswirtschaftsminister Habeck am Donnerstagabend (4. Januar) daran gehindert, auf dem Rückweg von einem Urlaub eine Nordsee-Fähre zu verlassen. Sie hätten am Donnerstag den Anleger in Schlüttsiel blockiert, sagte ein Polizeisprecher. Habeck habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen. Erst in der Nacht erreichte der Vizekanzler das Festland mit einer weiteren Fähre. Das bestätigte die Flensburger Polizei und ein Ministeriumssprecher am Freitagmorgen.

Die Polizei sprach von mehr als hundert Demonstranten. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen. Auch hätten sie Pfefferspray eingesetzt, so ein Polizeisprecher. Von Verletzten war nichts bekannt. Bundesregierung und Politiker von Grünen, FDP und CDU kritisierten die Protestaktion. Der Deutsche Bauernverband distanzierte sich ebenfalls von der Aktion. Der Präsident des Bauernverbands, Ruckwied, erklärte, Blockaden dieser Art seien ein „No-Go“. Man wahre die demokratischen Gepflogenheiten, hieß es in einer Pressemitteilung. Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern. Ähnlich äußerte sich Bauernverband-Generalsekretär Krüsken.

Die Bundesregierung bezeichnete die Blockade der Ankunft von Habeck auf dem Anleger als beschämend - und äußerte sich auf der Plattform X, ehemals Twitter dazu:

„Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein“, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit am frühen Freitagmorgen auf der Plattform X, vormals Twitter. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen Schüttsiel „ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders“, hieß es dort. 

Meinungen zu ursprünglichen Sparplänen

Einige Politiker stellten sich auf die Seite der Bauern und signalisierten ihre Unterstützung. Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, ein Agrardiesel-Ende sei angesichts hoher Lebensmittelpreise und vieler anderer Subventionen verschmerzbar. „Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte indes, dass das gleichzeitige Aus für die Kfz-Steuerbefreiung ein falsches Signal an einen Berufsstand sende, der einem enormen Veränderungsdruck ausgesetzt sei. Wichtig wäre nun etwa auch eine Förderung für den Umstieg auf alternative Antriebe.

Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115 400 Euro – ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.