Phillipp Gonser hatte die Idee zu Go-Medicus und kooperiert mit den Arztpraxen Ullrich Mohr aus Bisingen und Friedemann Ruoff aus Rangendingen. Foto: Kauffmann

Gesundheit: Unternehmen arbeitet an Zukunft der Praxen von Ullrich Mohr und Friedemann Ruoff / Mehrere Bewerber

Wie geht es weiter mit der Hausarztversorgung in ländlichen Gegenden wie Bisingen? Eine Frage, die auch Roman Waizenegger während seines Wahlkampfes aufwirft. Antworten gibt es auch von privater Seite, etwa von der Firma Go-Medicus aus Rottenburg.

Bisingen/Rangendingen. Roman Waizenegger hüstelt am Montagabend noch ein wenig bei der Wahlkampf-Veranstaltung im Alten Schulhaus in Thanheim, und die Zuhörer erfahren auch, warum: Einen grippalen Infekt soll er kürzlich gehabt haben. Schnell mal in Bisingen bei einem Arzt vorbeischauen? Fehlanzeige. Auch als Bürgermeister muss man sich einreihen. Seinen Hausarzt habe er noch in Schömberg, bei dem er dann doch noch kurzfristig einen Termin ergattern konnte.

Die Situation, wie sie Waizenegger erfahren hat, ist symptomatisch: Zu viele Ärzte leben und arbeiten in Ballungsgebieten, zu wenige auf dem Land. Daher würde die Gemeinde den Ärzten bei der Suche nach Praxisräumen helfen, zudem werden Ärzte bei der Vergabe von Bauplätzen im Neubaugebiet Fronwiesen-Raubrühl bevorzugt.

Zu viel Verwaltung, zu wenig Zeit für die Patienten

Doch ein weiterer Kern des Problems wird damit nicht gelöst: Die Kinderärztin Claudia Noll-Streich sprach von Formularen, Schriftsätzen und Datenschutz – von immer mehr Aufwand fernab von der eigentlichen Patientenversorgung. Seit Juli dieses Jahres arbeitet sie deshalb mit einer Firma Paedoc MVZ aus Lenningen (Kreis Esslingen) zusammen, die ihr die Verwaltung der Praxis in der Steinhofener Straße abnimmt. Der Effekt: Sie kann tun, wofür sie ausgebildet ist, nämlich für ihre kleinen Patienten da sein.

Da setzt auch das Unternehmen Go-Medicus aus Rottenburg an, das die Praxen von Ullrich Mohr in Bisingen und Friedemann Ruoff in Rangendingen übernommen hatte. Gründer Phillipp Gonser ist Hals-Nasen-Ohrenarzt in Hechingen (siehe Info) und hat das Unternehmen mit einem Geschäftspartner gegründet. Er erklärt die Funktionsweise: Go-Medicus übernimmt, wie im Falle der Kinderarztpraxis, die Verwaltungsaufgaben und stellt die Hausärzte sozialversicherungspflichtig an. Darüber hinaus sorgt die Firma für den Transport der Ärzte aus Ballungsgebieten aufs Land. Gonser rechnet mit maximal einer Stunde Fahrzeit, auf Dauer von mehreren Standorten in Baden-Württemberg.

Mit diesem Konzept reagiert er auf den Wunsch vieler junger Ärzte, nicht mehr selbstständig sein zu wollen und gleichzeitig in der Stadt wohnen bleiben zu können. Während der Fahrt könnten die Mediziner beispielsweise per Telemedizin arbeiten. Am Abend werden die Ärzte wieder zurückgefahren. Potenzial sieht er für die Idee, zumal es zahlreiche Landärzte gibt, deren Praxen aus Altersgründen kaum eine dauerhafte Perspektive haben.

Interesse an der Praxis von Mohr in Bisingen ist vorhanden

Ullrich Mohr aus Bisingen war einer der Ersten, mit denen das neu gegründete Unternehmen zusammenarbeitet. Für die Patienten ist er die kommenden drei Jahre noch da.

Und danach? Das Interesse an seiner Position scheint vorhanden: Wie Gonser berichtet, führe er bald das vierte Vorstellungsgespräch mit potenziellen Interessenten, die vielleicht in Bisingen praktizieren könnten – der richtige Kandidat muss gleichwohl noch gefunden werden. Gonser kann sich auch vorstellen, dass in der Praxis Mohrs gleich mehrere Ärzte auf Teilzeitbasis beschäftigt werden, denn seine jungen Kollegen wollten nicht mehr zwingend zu 100 Prozent arbeiten. Mit dem richtigen Termin-Management würden Patienten meist dennoch vom gleichen Arzt behandelt. Ergänzt wird Gonsers Konzept von Kooperationen mit Kliniken, wie sie bereits mit dem Uni-Klinikum Tübingen besteht. Auch Ärzte, die für ihre Weiterbildung eine Praxisphase absolvieren müssen, könnten in den Praxen, die bei Go-Medicus angeschlossen sind, arbeiten – und so die Ärzteversorgung weiter absichern. Für die Patienten von Mohr in Bisingen und Ruoff in Rangendingen bedeutet Go-Medicus, dass die nächsten Jahre erst einmal alles bleibt wie bisher und ein Nachfolger ernsthaft gesucht wird.

n VerwaltungDas Unternehmen Go-Medicus fährt Ärzte aus Ballungsräumen wie Tübingen und Stuttgart zu Hausarztpraxen aufs Land und übernimmt die Verwaltung der Arztpraxen. Den Anfang macht die junge Firma mit den Praxen von Ullrich Mohr in Bisingen und Friedemann Ruoff in Rangendingen. In einigen Jahren will Go-Medicus auf diese Weise Praxen überall im Südwesten versorgen.

n Plastischer ChirurgDie Idee hatte Phillipp Gonser, der im Gesundheitszentrum am Fürstengarten als Hals-Nasen-Ohrenarzt arbeitet. Ursprünglich kommt er aus Albstadt, heute lebt er mit seiner Familie in Rottenburg. Sein Studium beendete er Ende 2010, seit 2011 war er in der plastischen Chirurgie tätig, das Jahr 2015 arbeitete er an einer Klinik für plastische Chirurgie in Spanien, danach kehrte er zurück in die Nähe seiner Heimat: nach Tübingen ans Uni-Klinikum, seit Januar 2021 arbeitet er als Hals-Nasen-Ohren-Arzt in Hechingen.