Der Albstädter Gemeinderat hat zum Jahresende die Abwassergebühren erhöht. (Symbolfoto) Foto: Lino Mirgeler/dpa

Der Albstädter Gemeinderat hat zum Jahresende die Abwassergebühren erhöht, und zwar beträchtlich. Aus der Textilindustrie kommt heftiger Protest.

Albstadt - Anstoß erregt vor allem die Neukalkulation der Schmutzwassergebühr: Sie steigt von 2,43 auf drei Euro pro Kubikmeter, also um mehr als 20 Prozent. Die Niederschlagswassergebühr wird von 48 auf 43 Cent pro Kubikmeter erhöht. Das Ausmaß der Erhöhung speziell der Schmutzwasserkalkulation ist zum einen stark gestiegenen Ausgaben geschuldet. Die Gesamtaufwendungen liegen mit 11,68 Millionen Euro um 1,41 Millionen Euro über den Vorjahresplanungen; allein die Sachaufwendungen steigen um 400 000 Euro – die hohen Stromkosten und die Kosten der Abfallbeseitigung schlagen ins Kontor.

Zum anderen ist die Stadtverwaltung einem Vorschlag des Verwaltungs- und Finanzausschusses des Gemeinderats gefolgt und hat die Unterdeckung des Jahres 2020 – sie betrug 818 535 Euro – in den Gebührensätzen für 2023 verrechnet. 2021 betrug die Unterdeckung noch 533 632 Euro; sie muss bis 2027 ausgeglichen werden. Für 2022 rechnet die Kämmerei mit einer hundertprozentigen Kostendeckung.

40 Prozent weniger Verbrauch

Die vierköpfige Durchschnittsfamilie zahlt laut Berechnung der Stadt künftig 6,84 Euro monatlich mehr die Abwasserbeseitigung – macht etwa 80 Euro im Jahr. Wesentlich höher als der Entsorgungsbedarf des Normalverbrauchers ist der der heimischen Textilindustrie. Jens Meiser, Firmenchef der Tailfinger Firma Carl Meiser, die führend in der Herstellung Technischer Textilien ist, räumt in einem offenen Brief an den Albstädter Gemeinderat freimütig ein, dass seine Branche in punkto Ressourcenverbrauch und Umweltzerstörung weit oben mitspiele – 20 Prozent aller stark verschmutzten Abwässer und zehn Prozent der globalen CO2- Emissionen würden durch die Textilindustrie verursacht. Allerdings sei es gerade darum absolut kontraproduktiv, ausgerechnet deutsche Textilproduzenten, die wesentlich ressourcenschonender produzierten als die asiatische Konkurrenz und unter anderem an die 40 Prozent weniger Wasser verbrauchten, mit zusätzlichen Kosten zu belasten und im Wettbewerb über Gebühr zu schwächen.

"Das ist Selbstbedienungsmentalität"

Nicht dass man sich weigere, seinen Beitrag zu leisten, betont Meiser weiter, er und seine Kollegen seien auf eine Gebührenerhöhung eingerichtet gewesen – aber eben nicht in dieser Größenordnung. "Das ist doch Selbstbedienungsmentalität." Das Ende vom Lied werde sein, dass diejenigen, die global am wenigsten Umweltauflagen zu erfüllen hätten, übrig blieben und den Markt dominierten – ob damit der Umwelt gedient sei? Diejenigen, die an der Gebührenschraube drehten, erreichten das Gegenteil dessen, was sie wollten. "Die Chancen unserer Gesellschaft auf den nachhaltigen Wandel werden zerstört. Vielen Dank!"

Spitzenreiter ist Albstadt nicht

Innerhalb des Kreises liegt Albstadt nach dem Beschluss vom 15. Dezember derzeit im oberen Drittel der Vergleichstabelle, aber nicht an der Spitze: Beim Schmutzwasser ist Rosenfeld mit 4,80 Euro Spitzenreiter vor Nusplingen 4,10 Euro und Meßstetten mit 3,30 Euro. Eine Diskussion gab es in der Ratssitzung nicht; die Zeit war weit fortgeschritten. Einstimmig wurde der Beschluss nicht einstimmig gefasst – fünf Stadträte votierten dagegen.