Frau, Mann, Frau, Mann – dieses Muster wollte Grün-Rot eigentlich für alle Listen der Kommunalwahl vorschreiben. Doch jetzt bekommt die Regierung kalte Füße – zum Ärger vieler Frauen. Foto: dapd

Abkehr von Quote sorgt bei Grünen und Roten für Ärger – CDU beschränkt sich auf parteiinterne Soll-Vorschrift

Stuttgart - Der Landesfrauenrat, ein überparteilicher Dachverband von 52 frauenpolitischen Organisationen, hat das Abrücken der grün-roten Landesregierung von einer strengen Frauenquote für die Kommunalwahllisten scharf kritisiert. „Wir sehen zwar die Schwierigkeiten einer verfassungsgemäßen Reform, aber Grün-Rot hätte ein deutlicheres Zeichen setzen können“, kommentierte Vorstandsmitglied Claudia Sünder die Pläne der Koalition.

Vor allem das Innenministerium habe sich „überlegt, wie es nicht gehen kann, anstatt nach einem gangbaren Weg zu suchen“, so Sünder mit Blick auf das Gutachten, das Innenminister Reinhold Gall vor wenigen Wochen vorgelegt hatte. Die Vorsitzendes des Landesfrauenrats, Angelika Klingel, hatte das Gutachten als „Arroganz der Macht“ bezeichnet.

Trotzdem zeigt sich die Grünen-Landtagsfraktion von den Verfassungsbedenken beeindruckt. „Wir wollen nicht, dass wir vor dem Staatsgerichtshof landen“, sagt Fraktionsvize Charlotte Schneidewind-Hartnagel und räumt ein, eine Reform des Kommunalwahlrechts müsse wasserdicht sein.

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“

Dass dies möglich ist, glaubt sie nach wie vor. „Das Innenministerium wollte das aber bewusst enger sehen.“ Deshalb werde nun auch die weichere Soll-Regelung erwogen, sagt die Grünen-Politikerin: „Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“

Uli Sckerl, Fraktionsvize und Parlamentarischer Geschäftsführer, sieht den Kurs jedoch abgesteckt: „Wir tragen den Verfassungsbedenken des Koalitionspartners Rechnung, deshalb gehe ich davon aus, dass wir uns auf eine Soll-Regelung einigen.“

Parteien, die für die nächste Kommunalwahl im Sommer 2014 ihre Listen aufstellen, wären somit zwar gehalten, Männer und Frauen darauf abwechseln zu platzieren. „Die Soll-Regelung erlaubt deutlich mehr Ausnahmen“, sagte Sckerl.

Reine Frauenlisten zum Beispiel wären bei einer strengen Quotenvorgaben nicht möglich, bei einer Soll-Regelung aber durchaus. Trotzdem geht Sckerl davon aus, dass auch der „appellative Charakter“ zu einer besseren Präsenz von Frauen auf Kommunalwahllisten führt: „Der Gesetzgeber macht deutlich, dass ihm dieses Ziel wichtig ist.“ Verweigere eine Partei die Parität, werde dies zwar nicht zum Ausschluss der Wahllisten, sehr wohl aber zu Diskussionen vor Ort führen, erwartet der Fraktionsvize.

Im Nachbarland gibt es eine strenge Quote in allen Parlamenten

Sckerl räumte ein, dass die Frauen seiner Fraktion am liebsten eine Regelung wie das französische Parite-Gesetz gehabt hätten: Im Nachbarland gibt es eine strenge Quote in allen Parlamenten.

Auch die Frauen im SPD-Landesvorstand würden sich mehr wünschen. Vor allem Landesvize Leni Breymaier hat sich massiv für eine Quote stark gemacht und den Kurs von Parteichef Nils Schmid sowie Fraktionschef Claus Schmiedel also zu zögerlich kritisiert. Auch SPD-Generalsekretärin Claudia Mast verficht eine Quote, die Jusos stellen dieselbe Forderung. Die Abkehr davon dürfte also an der Basis noch erhebliche Diskussionen auslösen.

Doch die Landtagsfraktion schließt sich weitgehend den Verfassungsbedenken des Innenministeriums an. Das kommt in einem Gutachten zum Schluss, dass die Pflicht zu paritätisch besetzten Wahlvorschlägen gleich gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes und der Landesverfassung verstößt – unter anderem gegen die passive Wahlrechtsgleichheit gemäß Artikel 28 Grundgesetz, da bestimmte Kandidaten wegen ihres Geschlechts auf bestimmten Listenplätzen nicht wählbar wären. Eine verfassungsrechtliche Prüfung sei „möglich und zu erwarten“, warnen die Juristen.

„Mit einer starren Quote kämen wir, aber auch die Sozialdemokraten nicht zurecht“

Gerade davor hatten auch stets CDU und FDP gewarnt. Ob die weiche Reform mitgetragen wird, ließ CDU-Landeschef Thomas Strobl noch offen: „Man muss sich die genauen Formulierungen anschauen“, sagte er unserer Zeitung. Dennoch sieht er sich vom grün-roten Kurswechsel bestätigt: „Wir orientieren uns am Machbaren, mit einer starren Quote kämen wir, aber auch die Sozialdemokraten nicht zurecht.“

Die CDU hat deshalb auf ihrem letzten Parteitag die Vorgabe verabschiedet, dass Frauen und Männer „möglichst“ in gleicher Anzahl auf den Listen verankert werden. „Ich glaube, dass die nächsten Listen dadurch weiblicher geprägt sind“, sagte Strobl. Die SPD will sich auf solche weichen Vorgaben nicht verlassen und sterbt wenigstens parteiintern eine strenge Quote an: Am 30. September soll die Satzung entsprechend geändert werden.