Stefan Klein, ein Schreinergeselle „auf der Walz“ bei seinem Besuch bei den Beruflichen Schulen Schramberg. Foto: Berufliche Schulen

Der Wandergeselle Stefan Klein aus Bayern besuchte die Schramberger Berufsschule.

Die Schreinerlehrlinge der Beruflichen Schulen Schramberg staunten nicht schlecht, als der 23-jährige Schreinergeselle Stefan Klein aus Moosburg an der Isar von seiner „Walz“ berichtete.

Klein ist Mitglied der Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmer- und Schieferdeckergesellen. „Seit eineinhalb Jahren bin ich ohne Smartphone in ganz Deutschland und im europäischen Ausland unterwegs“, erzählte er. Vom Mittelalter bis zur Industrialisierung war es für Handwerksgesellen Pflicht, nach den Lehrjahren auf Wanderschaft zu gehen. „Wir sind mindestens drei Jahre und einen Tag unterwegs, einen Tag länger als die Lehrzeit“.

Der Abschied von Familie und Freunden fiel ihm kurz schwer, aber die abwechslungsreiche Anfangszeit ließ ihn kaum an zu Hause denken. Während seiner Wanderschaft hielt sich Klein an die traditionellen Regeln seiner Gesellenvereinigung. Auf ein Handy musste er verzichten, dafür trug er jeden Tag seine traditionelle Kluft: schwarze Cordhose, schwarze Weste, weißes Hemd, schwarze Jacke sowie Hut und Krawatte.

Abgeschlossene Lehre

Um auf Wanderschaft gehen zu können, muss man eine Handwerkslehre erfolgreich abgeschlossen haben, nicht älter als 30 Jahre alt sein, unverheiratet sein, keine Kinder haben. Die Wanderschaft diene der persönlichen Reifung, dem Erwerb neuer handwerklicher Fähigkeiten sowie dem Kennenlernen von Land und Leuten.

Für Reise und Unterkunft darf n Klein kein Geld ausgeben, er reist zu Fuß oder per Anhalter und schläft manchmal im Freien. Das Flugzeug darf er nur in Ausnahmefällen benutzen, den Zug nur, wenn der Schaffner ihn ohne Bezahlung mitnimmt.

Bis Portugal unterwegs

Trotz dieser Einschränkungen gelang es ihm, durch ganz Deutschland und durch Frankreich und Spanien bis an die Algarve in Portugal zu reisen.Dort arbeitete er drei Monate bei Raphael Much, einem ehemaligen Schüler der Schramberger Berufsschule, der in Lagoa eine Schreinerei betreibt.

Die Schüler waren fasziniert von dem Bericht und stellten viele Fragen zu Erlebnissen, finanziellen Angelegenheiten und Kontakten, die er a knüpfte. Auf die Frage, ob auch Frauen auf Wanderschaft gehen, antwortete Stefan Klein, dass in dieser Tradition nur zehn Prozent der Wandergesellen Frauen seien und viele Gesellenvereine leider noch keine Frauen zuließen.

Brief der Familie wertvoll

Abschließend wurde er gefragt, was sein wertvollster Gegenstand in seinem kleinen Handgepäck sei. Nach kurzem Überlegen antwortete er: „Der Brief zum Abschied von meiner Familie ist mir sehr wichtig.“ In schwierigen Zeiten, in denen er an zu Hause denke, lese er diesen Brief und habe gewusst, dass „meine Familie in Gedanken bei mir ist und sich mit mir freut“. Das sei zum Beispiel im Winter gewesen, als er unter einer Brücke in Paris schlief – bei sechs Grad Kälte. Aber die schönen Momente würden bei weitem überwiegen, fügt er lächelnd hinzu. Sein Weg führt ihn nun nach Bayern und dann hoch in den Norden nach Lüneburg zu einem Treffen der Wandergesellen.

Info

 Die Farben der Kluft
repräsentierten die verschiedenen Handwerkszweige. Den Hut würde er nie abnehmen, „auch nicht vor einem Präsidenten oder König“, betonte Klein. Zu Zeiten des Adels sei nur den „Herren“ das Tragen von Hüten erlaubt gewesen. Die sechs Knöpfe an seiner Jacke stünden für die sechs Arbeitstage und die 8 Knöpfe an der Weste für die 8 Stunden Arbeit pro Tag. Ein weiteres Utensil sei sein „Stenz“, ein Wanderstab der aus einem gedreht gewachsenen Holz gemacht wurde.

Sehr wichtig auf seiner Reise sei sein Wanderbuch,
in dem er in den Städten, in denen er sich aufhält, einen Stempel sammelte und in dem die Meister der Betriebe, bei denen er beschäftigt war, handschriftlich Zeugnis über seine Arbeit ablegen. Dieses Dokument dient ihm als Nachweis seiner Reise und wird ihn ein Leben lang an diese Zeit erinnern