Ein Kinderarzt untersucht ein Kleinkind. Die Neuregelung der kinderärztlichen Notdienste sorgt für Diskussionen. Foto: Wüstneck

Weite Wege und ewig lange Wartezeiten: Mediziner kritisieren Notfallregelung.

Zollernalbkreis - In vielen Kinderarztpraxen im Zollernalbkreis und im Kreis Sigmaringen liegen derzeit Unterschriftenlisten aus: Eltern, die die Einrichtung einer Notfallpraxis am Zollernalb-Klinikum in Albstadt wünschen, sind aufgefordert, sich dort einzutragen.

"Die meisten Kollegen sind dafür", sagt ein Kinderarzt aus dem Raum Albstadt, der diese Aktion mit initiiert hat. Nicht alle. Aber letztlich müsse das jeder für sich entscheiden.

Wie bereits berichtet, ist eine Neuregelung der kinderärztlichen Notdienste vorgesehen. Konkret bedeutet das: Die Kinderärzte aus dem Zollernalbkreis und dem Landkreis Sigmaringen sollen ab 1. Februar 2017 an Wochenenden und Feiertagen in sogenannten Portalpraxen in den Kinderkliniken Reutlingen, Tübingen, Ravensburg oder Singen Dienst machen.

Kürzere Anfahrtswege

Ein Gegenvorschlag der Kinderärzte aus dem Zollernalbkreis: eine kinderärztliche Notfallpraxis im Albstädter Krankenhaus. Der Vorteil dabei: Die kinderärztliche Versorgung bleibt vor Ort erhalten und wird nicht in die städtischen Gebiete abgezogen, die ohnehin mit genügend Kinderärzten versorgt sind. Anfahrtswege würden kürzer werden und die stark frequentierten Kliniken in den genannten Städten entlastet, wo man oft stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen müsse. Und für die Ärzte würde es eine überschaubare und leistbare Dienstbelastung bringen.

"Natürlich ist dies nicht für alle Betroffenen eine Lösung, aber von allen bisherigen Vorschlägen der beste", sagt der Albstädter Mediziner. Bei einem Treffen der Kinderärzte aus den beiden Landkreisen seien die Unterschriftenlisten verteilt worden, und die Kinderärzte hätten sich positioniert: "Sieben sind für eine Notfallpraxis in Albstadt. Vor allem die Kollegen aus Albstadt und Meßstetten stehen voll dahinter", sagt der Mediziner. Und die Arztkollegen aus dem Landkreis Sigmaringen sind geschlossen für das Modell Albstadt.

Der Albstädter Kinderarzt will nicht, dass sein Name genannt wird, weil er nicht den Eindruck erwecken möchte, allein vorzupreschen. Schließlich sei nicht er allein es gewesen, der die Ansicht vertrat, eine kinderärztliche Notfallpraxis in Albstadt sei wesentlich günstiger und familienfreundlicher als die von der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehenen Portalpraxen neben den Kinderkliniken in Reutlingen, Tübingen, Ravensburg oder Singen. Allerdings weiß er auch, dass manche Kollegen es vorziehen würden, in Tübingen Dienst zu schieben – allein schon wegen der kürzeren Anfahrtsstrecke.

Vom stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Johannes Fechner, sei ein Schreiben an die Kinderärzte in Reutlingen verfasst worden, in dem mitgeteilt werde, dass die Mehrheit der Kinderärzte aus dem Zollernalbkreis nach Tübingen wolle. "Dabei sind es nur zwei Leute, die vehement dafür plädieren und unsere Position untergraben."

Die Kinderärzte hätten bei der Kassenärztlichen Vereinigung Einspruch eingelegt, aber eine schriftliche Benachrichtigung sei bislang nicht gekommen. Daher sei die Neuregelung erst mal aufgeschoben, und für das erste Quartal 2017 gebe es einen Dienstplan nach dem bisherigen Modell. "Bisher haben wir keine weiteren Informationen der KV bekommen. Es könnte sich also schon im Februar alles ändern", sagt der Albstädter Arzt.

Für den Fall, dass alle Stricke reißen, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: den kinderärztlichen Notdienst im Zollernalbkreis ganz aufzulösen und sich dem allgemeinärztlichen Notdienst anzuschließen. Darüber müsste allerdings abgestimmt werden: "Nur wenn die Mehrheit dafür ist, können wir diesen Schritt gehen", sagt der Kinderarzt. Und nur, wenn das auch für die anderen Ärzte, die in den Notfallpraxen im Klinikum Dienst machen, eine Option wäre.

Zum einen sei es "dringende Pflicht", den Familien im Zollernalbkreis und im Kreis Sigmaringen eine qualitativ angemessene kinderärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung zu ermöglichen, fordert auch Landrat Günther-Martin Pauli. Und zum anderen befürchte man eine "Zweiklassenmedizin", weil Kinder aus dem mittleren und südlichen Teil des Zollernalbkreises dem allgemeinärztlichen Notdienst zugeführt werden. Eine gute kinderärztliche Versorgung sei auch ein wichtiger Standortfaktor für junge Fachkräfte, die mit ihren Familien in den Landkreis ziehen möchten.

"Wir dürfen die Bereitschaft, einen kinderärztlichen Notdienst aufzusuchen, durch Verlängerung der Anfahrtswege nicht zu sehr beeinträchtigen", sagt der Arzt. "Denn nicht immer kann davon ausgegangen werden, dass die Eltern den kritischen Zustand ihres Kindes erkennen, wie in dem Fall eines Säuglings mit RSV Bronchiolitis." Es gebe bei vielen eine Hemmschwelle: Die Mutter habe nicht gleich zum Notdienst fahren wollen, und als sie am anderen Tag in die Praxis kam, sei es fast schon zu spät gewesen. Eine Portalpraxis in Albstadt sei "machbar, und für uns wäre es auch in Ordnung", bringt es der Kinderarzt auf den Punkt.

 Die Unterschriftenaktion in den Kinderarztpraxen wird voraussichtlich noch bis Mitte Januar gehen.