Narrenzunft übernimmt das Zimmerner Rathaus / Bruder Paolo kümmert sich liebend gern um neue "Schäfele"

Von Verena Schickle

Zimmern o. R. Ja, auch in Zimmern herrschen seit gestern andere Zeiten beziehungsweise die Oberen der örtlichen Narrenzunft. Die hatten sich auf ihre neue Aufgabe gründlich vorbereitet.

An zwei Dinge hapert es in Zimmern besonders: zum einen fehlt ein Pfarrer, zum anderen ein gescheiter Brunnen. Diese Lücken zu stopfen hat sich die Narrenzunft für ihre Regierungszeit vorgenommen. Weil derlei Problemen in zweieinhalb Tagen nicht wirklich beizukommen ist, hatten die Herren Vorarbeit geleistet.

Um die Pläne endlich vorstellen zu können, war natürlich die Machtübernahme notwendig. Den Schlüssel zum Rathaus übergab Bürgermeister Emil Maser diesmal gern – gab es doch im vergangenen Jahr allerlei, was ihm die Arbeit schwer machte. Was so ein Schultes am liebsten schnell ad acta legt, kommt an der Fasnet an die Öffentlichkeit. Anrufe von erbosten Bürgern beispielsweise, die nicht verstehen können, warum sie für die Beseitigung des Niederschlagswassers bezahlen sollen ("was vom Himmel runter kommt, geht mich nichts an"). Oder Anrufe, die die Verwaltung vor Rätsel stellen: Warum geht nachts immer wieder die Beleuchtung in der Festhalle an und aus?

Aber mit solcherlei Dingen kann sich bis morgen Abend ja Narrenmeister Daniel Rühle herumschlagen. Genauso wie mit der Verstädterung Zimmerns, die allerorten Thema ist. Da legte Maser der Zunft doch gleich mal nahe, die Sache amtlich zu machen und im Landratsamt das Stadtrecht einzufordern – als Wiedergutmachung für den in einer Nacht-und-Nebelaktion beseitigten Parkplatz Richtung Flözlingen.

Nicht nur mit dem Kreis, auch mit Bauanträgen im Gemeinderat dürfen sich Rühle und Co. jetzt befassen. Keine einfache Aufgabe: "Bei jedem Bauantrag wird die Waffe dörflicher Charakter gezückt. Da wirst du als Vorsitzender fast verrückt", erklärte der Schultes, bevor er den Rathausschlüssel übergab.

Rühle ließ sich dennoch vereidigen und von seinem Vize Mario Teufel dabei allerhand in den Mund legen – Kommunalpolitisches wie die Ansage, zur Flözlinger Halle keine Stellung beziehen zu können, da er als künftiger "Flammer"-Wirt befangen sei, aber auch Schlüpfriges.

Tja, und kaum waren die Narren an der Macht, stellten sie ihren Kandidaten für die Nachfolge von Pfarrer Anton Cingia vor: Nein, Ex-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst war es nicht – obwohl er sich beworben hatte. Allerdings hatte der Gemeinderat dessen Antrag auf den Bau eines Prachtbaus in der Heerstraße doch glatt abgelehnt. Und Margot Käßmann, einst Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, scheiterte nicht etwa an der Konfession, sondern daran, dass sie auf der Fahrt nach Zimmern in eine Alkoholkontrolle geraten war. Blieb noch Bruder Paolo, den die Narrenzunft auf Anraten des Papstes hin beim Ramazotti-Fest in Mailand aufgetan hatte. Der kam gleich mit Übersetzer und kündigte an, er wolle während der Fasnet seine neuen "Schäfele" im Auge behalten. "Überfresset euch nicht" und "saufet net so viele" erklärte sein Dolmetscher mit herrlich italienischem Akzent, wilder, schwarzer Mähne und Ramazotti-Flasche in der Hosentasche. "Felice Carnevale!" skandierte Paolo und kam in der Zimmerner "Sonne" damit bestens an.

Ähnlich feucht-fröhlich ging’s weiter: Schließlich hatte sich die Narrenzunft um das Sprudlerfeld in der Neuen Mitte erbarmt. Denn was ist schon ein Brunnen, den keiner sieht? Ein bisschen spektakulärer darf’s sein, meinte die Narrenzunft und schrieb einen Wettbewerb aus. Als Vorschläge gingen etwa ein "Brunzbrunnen" ("dann ist das Wasser schon Gelb und man müsste es nicht mehr mit LEDs beleuchten") oder ein Trinkwasserbrunnen ein. Letztere fiel durch, weil sonst am Ende die Rottweiler noch kommen, sollte dort mal wieder jemand ins Trinkwasser "scheißen". Stattdessen will die Zunft den Brunnen dem kleinen Mann widmen. Klein? Und im Gemeinderat? Die Wahl fiel auf Timo Weber, der in der Folge zusammen mit Zunftsäckelmeister Alexander Hirt als lebende Brunnenfiguren agierte.

Die beiden saßen sich in einem aufblasbaren Planschbecken gegenüber, den Mund voll Wasser. Das sollten sie solange wie möglich drin behalten. Keine leichte Aufgabe, wenn jemand nebenher Witze erzählt. Kostprobe: "Herr Doktor, ich hab morgens um sieben immer Stuhlgang." Antwort: "Das ist ja super." "Aber ich steh erst um halb acht auf." Da wurden die beiden im Becken einmal mehr zu dem, was sie sein sollten: lebende Wasserspeier. Das gefiel den Zimmernern genauso wie der neuen Obrigkeit in Zimmern ob Narrweil.