Heimatgeschichte: Walter Schwer vollendet den ersten Band der neuen Zimmerner Chronik

"Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht": Aus diesem Grund hat Walter Schwer die Zimmerner Geschichte von 1900 bis 1945 aufgearbeitet. Das Ergebnis, die neue Chronik, wird am 3. Dezember vorgestellt.

Von Verena Parage

Zimmern o. R. "Wir wollten so schnell wie möglich wieder weg", sagt Walter Schwer schmunzelnd über seine Wahlheimat Zimmern. Offenbar kann man es dort aber doch aushalten, denn die Schwers leben inzwischen seit 1975 im Ort. Vor allem aber gibt es nur wenige Zimmerner, die so tiefe Einblicke in die Vergangenheit ihrer Heimat haben wie Walter Schwer. Der hat nämlich gerade die neue Zimmerner Chronik fertiggestellt.

Die Arbeit daran begann vor drei Jahren, als der frühere Latein-, Politik- und Geschichtslehrer – zuletzt am Albertus-Magnus-Gymnasium – in Pension ging.

Zwar ist er Historiker, aber eben kein Archivar: Zu Beginn habe er sich Tipps bei Kreisarchivar Bernhard Rüth geholt, erzählt der 66-Jährige. Schnell habe er im Gemeindearchiv ein Bekanntmachungsbuch für die Jahre 1914 bis 1944 entdeckt, darüber hinaus die Gemeinderatsprotokolle, zudem die Tageszeitungen von damals. Seit Herbst 2013 saß er fast jeden Tag am Schreibtisch. "Da sind schon ein paar Tausend Stunden zusammengekommen", erzählt er. Zumal die Protokolle in alter deutscher Schrift verfasst worden seien. Selbst beim Besuch der Enkelinnen in Saarland habe er immer den Laptop dabei gehabt.

Das klingt nach viel Arbeit. Wenn Walter Schwer erzählt, wird aber auch deutlich, wie viel Spaß ihm diese Spurensuche in der Vergangenheit gemacht hat. Auch, weil er bei seinen Recherchen mit Zimmerner Urgesteinen in Kontakt gekommen ist, die ihn von damals erzählten.

Schwer widmet sich in der Chronik dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und der Weimarer Republik dazwischen. Darüber hinaus sichtete er Kriegstagebücher, Feldpost und weitere Briefe sowie alte Fotos. "Nach einem halben Jahr war mir völlig klar: Es müssen zwei Bände werden." An das Nachfolgewerk, das bis ins Jahr 2000 reichen soll, macht er sich ab Januar.

Bei seinen Recherchen ist er auf viel Interessantes gestoßen. Etwa, dass viele Zimmerner in der Weimarer Republik kommunistisch gewählt haben und 1931 der erste Versuch, eine NSDAP-Ortsgruppe zu gründen, kläglich gescheitert war. Zu gerade einmal sechs Interessenten hatten sich doppelt so viele Kommunisten aus Schwenningen gesellt, berichtet er.

Darüber hinaus hat Schwer einige Parallelen zur Gegenwart entdeckt: eine gewisse Fortschrittsfeindlichkeit hat er ausgemacht. So seien früher Autos mit Steinen beworfen worden, und es habe "energische Diskussionen" darüber gegeben, dass der Ort die dörfliche Idylle verliere. Zudem sei schon in den 1920er-Jahren die Furcht vor einer Eingemeindung nach Rottweil groß gewesen.

Was ihn besonders beeindruckt hat, das war das Leben der Menschen während des Ersten Weltkriegs. Sie seien nach und nach enteignet worden. Zu essen gab es kaum etwas – die Rationen wurden auf 1000 Kalorien täglich gekürzt – und Kleider hätten sie aus Brennnesselfasern gemacht. Selbst Fahrradreifen wurden beschlagnahmt – was kriegswichtig war, holte sich der Staat. Man könne sich nicht mehr vorstellen, wie sehr die Bevölkerung gelitten habe, sagt Schwer. "Vor den Leuten habe ich im Nachhinein großen Respekt."

Den hat auch Walter Schwer für seine gut 260 Seiten starke Chronik verdient. Und ist er zufrieden mit seinem Werk? Darauf antwortet der Zimmerner mit einem Zitat, das er seinen Schülern in Latein mit auf den Weg gegeben habe: "In großen Dingen genügt es, gewollt zu haben", sagt Walter Schwer. Und er lacht.

Das Buch: Walter Schwer, "Zimmern o. R. im 20. Jahrhundert – Band I", 264 Seiten mit 103 Abbildungen, 23,80 Euro