"Wir schauen von Stein zu Stein." Sebastian Schweizer (Mitte) weiß, dass es in Pilsen auch auf die Nerven ankommen wird. Foto: Gray

Curling: Für den Schwenninger geht es in Pilsen um die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele. Mit Kommentar

Vor der Woche der Wahrheit entscheidet sich Sebastian Schweizer für Hähnchen. Okay, die Pommes dazu sind nicht gerade die typische Sportlernahrung, doch wenige Tage vor dem bisher wichtigsten Turnier seiner Karriere dienen die Fritten auch als Nervennahrung. "Die Vorfreude auf das Olympia-Qualifikationsturnier in Pilsen ist riesig. Aber natürlich ist auch die Anspannung groß", gibt der Curler des CC Schwenningen zu. Kein Wunder – in den nächsten Tagen wird es sich zeigen, ob sich Schweizer zusammen mit dem Team Baumann in der tschechischen "Bierstadt" den Traum von den Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang erfüllen kann.

Herr Schweizer, wie ist die Stimmungslage so kurz vor dem "Turnier der Turniere"?

Gut. Wir werden nach dem starken fünften Platz bei der Europameisterschaft in St. Gallen am Montag mit viel Selbstbewusstsein nach Pilsen fahren. Natürlich wissen wir, dass es bis zum Sonntag um extrem viel geht. Das ist schon unser bisher wichtigstes Turnier des Lebens. Wir wollen unbedingt nach Südkorea.

Kein bisschen nervös?

(lacht) Doch – natürlich. Das ist ja auch normal. Man hat schon einmal feuchte Finger oder denkt beim Einschlafen an den olympischen Traum. Deshalb wird es auch Zeit, dass die Spiele beginnen. Wir können es also kaum erwarten, auf dem Eis zu stehen, die ersten Steine zu legen.

Nach dem fünften Rang bei der EM zählt Ihr Team sicher zu den Mitfavoriten. Doch nur zwei der acht Team lösen Olympia-Tickets.

Ich denke, dass es keinen wirklichen Favoriten gibt. Jedes Team kann an einem guten Tag jeden Gegner schlagen. Aber wir reisen eben nach den guten Leistungen in St. Gallen mit viel Selbstbewusstsein an. Die EM hat für einen zusätzlichen Schub gesorgt. Wir wissen, dass wir gut in Form sind.

Diese wollen Sie gleich im ersten Spiel gegen China (Dienstag, 20 Uhr) unter Beweis stellen.

So ist es. Wobei China ein sehr starkes Team stellt. Das sind ja Vollprofis, während wir Curling sozusagen ja nur als "Nebenberuf", als sehr ambitioniertes Hobby betreiben.

Danach geht es in der Round Robin weiter gegen die Niederlande, Gastgeber Tschechien, Italien, Dänemark. Russland und Finnland.

Gegen die Niederlande haben wir noch nie verloren. Das soll in Pilsen natürlich so bleiben. Tschechien hat zuletzt bei der B-WM den Aufstieg in die A-Gruppe verpasst, ist nun im eigenen Land auf Wiedergutmachung aus. Gegen Italien haben wir bei der EM deutlich verloren. Da sinnen wir auf eine Revanche. Dänemark ist bei der EM mit einem anderen Team angetreten, während sich die Pilsen-Mannschaft in Kanada auf die Olympia-Qualifikation vorbereitet hat. Wir haben aber in Basel bei einem Turnier dieses Team geschlagen. Russland liegt uns eigentlich ganz gut. Die Russen haben wir ja auch bei der EM geschlagen. Gegen Finnland haben wir eine 1:1-Bilanz. Das wird sicher ein enges Spiel.

Auf was wird es am Ende ankommen?

Sicher auf die Konstanz. Wir müssen die komplette Woche ohne Durchhänger bestreiten. Wichtig wird es auch sein, die Nerven im Griff zu haben. Diese Woche wird extrem anstrengend, vor allem mental. Es geht darum, auch bei Rückschlägen ruhig zu bleiben. Wir schauen von Stein zu Stein, von Spiel zu Spiel.

Und dann wird am Sonntag mit einem Bierchen in Pilsen auf die Olympia-Qualifikation angestoßen?

Das ist natürlich unser großes Ziel. Wir haben zuletzt in St. Gallen unser bestes Curling gezeigt. Zudem sind wir ein echtes Team. Kleine Fehler werden von den Mitspielern zudem derzeit perfekt ausgebügelt. Wir sind also sehr zuversichtlich, dass wir uns in Pilsen den olympischen Traum erfüllen können. Wir wissen aber auch, dass wir dazu unser Leistungsvermögen eben konstant abrufen müssen.

In Pilsen geht es auch um die Gelder der Sportförderung, die von 2019 an vom Deutschen Olympischen Sportbund neu verteilt werden. Fehlen die Curler bei Olympia, könnte es finanziell eng für den Deutschen Curling Verband werden.

Ja, es wäre für unseren Sport, wir sind ja der kleinste olympische Wintersportverband in Deutschland, sehr wichtig, dass die Männer und auch die Frauen die Olympia-Quali schaffen. Aber darüber machen wir uns in dieser Woche keine Gedanken. Der Druck ist ja auch so schon sehr groß. Positiv ist auf jeden Fall, dass beide deutsche Teams bei der EM die Tickets für die Weltmeisterschaften – und auch schon für die Olympia-Qualifikation für die Spiele 2022 – gelöst haben. 

Kommentar: Olympia-Tickets

Von Gunter Wiedemann

Für Sebastian Schweizer geht es also um das Ticket für die Winterspiele in Südkorea. Wer aber könnte den Schwenninger aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis begleiten? Skispringer oder Kombinierer, früher oft für Medaillen gut, mischen derzeit nicht ganz vorne in Deutschland mit. Kombinations-Ass Fabian Rießle (Breitnau) ist ja ein Hochschwarzwälder. Langläuferin Sandra Ringwald (ST Schonach-Rohrhardsberg) hat gute Chancen, läuft aber der Olympia-Norm noch hinterher. Skicrosserin Daniela Maier (SC Urach) ist verletzt, für Snowboard-Talent Jana Fischer (Bräunlingen) sowie die Biathletinnen Janina Hettich (SC Schönwald) und Christin Maier (SC Urach) kommen die Spiele zu früh. Bleiben noch die Schwenninger Slalom-Hoffnung David Ketterer und vielleicht Eishockey-Spieler der Wild Wings. Es sah schon rosiger im hiesigen Wintersport aus!

Info: Spielplan & Modus

Die Vorrunde Dienstag, 5. Dezember: Deutschland – China (20 Uhr). Mittwoch, 6. Dezember: Deutschland – Niederlande (12 Uhr), Deutschland – Tschechien (20 Uhr). Donnerstag, 7. November: Deutschland – Italien (14 Uhr). Freitag, 8. November: Deutschland – Dänemark (9 Uhr), Deutschland – Russland (19 Uhr).

Samstag, 9. November: Deutschland – Finnland (13.30 Uhr).

Die Endrunde Sonntag, 10. November: Finale um das erste Olympia-Ticket (Erster gegen Zweiter, 8 Uhr), Spiel um das zweite Olympia-Ticket (Verlierer Finale gegen den Gruppendritten, 16 Uhr).

 Der Modus Zunächst spielen die acht Teams in einer Round Robin (Jeder gegen jeden) gegeneinander. Die beiden Tabellenersten bestreiten am Sonntag (8 Uhr) das Finale. Hier wird das erste Olympia-Ticket vergeben. Der Verlierer des Finales hat dann eine zweite Chance. Er spielt am Sonntag (16 Uhr) gegen den Tabellendritten der Vorrunde das zweite Olympia-Ticket aus.