An jedem Wochentag schaut mindestens ein Ehrenamtlicher in der Friedhofstraße vorbei: Birgit Jansen-Ottilinger, Rainer Ottilinger, Ursula Kissling, Gabi Bühler, Helmut Bühler, Maria Nestele, Sabine Froemel, Claudia Elbing, Michael Schmid und Dagmar Arlt teilen sich diese Aufgabe. Foto: Retter Foto: Schwarzwälder-Bote

Integration: In Winterlingen steht eine Gruppe von Ehrenamtlichen Geflüchteten mit Rat und Tat zur Seite

Von Anne Retter

Fünf Familien und ein alleinstehender Mann teilen sich das alte Haus in der Friedhofstraße: Es ist die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Die 31 Personen leben dort unter der Betreuung von Ute Linder, deren Stelle der Landkreis finanziert.

Winterlingen. Während Ute Linder sich viel mit bürokratischen Angelegenheiten befasst, unterstützen zehn Ehrenamtliche die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in der Winterlinger Asylbewerberunterkunft im Alltag. Vier Realschüler haben im Rahmen eines Sozialprojekts in den vergangenen Wochen mitgeholfen.

Es gibt viel zu tun in der Gemeinschaftsunterkunft, wo die potenziellen neuen Bürger mehrheitlich noch auf die Anerkennung ihrer Asylanträge warten: Kleidung und Geschirr müssen ausgegeben und sortiert werden, die Begleitung zu Arztbesuchen und bei Gängen zu Ämtern, zur Bank und in die Schulen der Kinder ist notwendig, vor allem aber: Deutsch zu lernen.

Einmal in der Woche hält Sabine Froemel den Unterricht für alle, Maria Nestele hilft zwei Frauengruppen beim Spracherwerb, um Helmut Bühler herum haben sich die Männer zum gleichen Zweck geschart. Seit einem halben Jahr gibt es auch einen offiziellen Deutschkurs, den die Volkshochschule zwei Mal in der Woche in der Begegnungsstätte anbietet.

Froemel ist besonders das Thema Schule wichtig. Sie und Gabi Bühler leisten einmal in sieben Tagen den Kindern Hilfe beim Lernen und den Hausaufgaben – jede der Familien hat mindestens vier Söhne und Töchter. Die spielen auch gerne im angrenzenden Garten. Ausflüge und Bastelangebote machen die Ehrenamtlichen zusätzlich.

"Die Leute freuen sich sehr, wenn man sie einfach besucht. Die meisten sind wahnsinnig freundliche Menschen und oft auch sehr fröhlich trotz der schlimmen Dinge, die hinter ihnen liegen", berichtet Ursula Kissling. Dass man ohne Tee und Obst oder komplettes Abendessen gar nicht mehr gehen darf, diese Erfahrung haben die Ehrenamtlichen alle gemacht. "Die Leute hier legen großen Wert auf das Gemeinsame", berichtet Sabine Froemel, "man nimmt sich viel Zeit für den Anderen". Schön sei das, finden alle.

Die Flüchtlinge haben das Gemeindeleben immer wieder unterstützt, indem sie bei Sammlungen, dem Umstecken von Weidezäunen und der Renovierung der Kirche behilflich waren. "Es ist uns wichtig, die Leute einzubinden. Wir laden sie ein, uns auch bei anderen Aktionen und Unternehmungen zu begleiten", erzählt Maria Nestele. Ob Frauenfrühstück, Gymnastik oder eine sonntägliche Ausfahrt: Die Ehrenamtlichen nehmen ihre neuen Nachbarn einfach mit.

Denn so viel ist klar: Gelingende Integration ist nur durch gegenseitige Bereitschaft und Aktivität möglich. "Ich habe mir eben gedacht, wenn ich der Meinung bin, dass bei früheren Einwanderungswellen der große Fehler war, die Integration und den Spracherwerb nicht ausreichend unterstützt zu haben, dann muss ich jetzt auch selbst etwas dafür tun, dass das nicht wieder schief läuft", stellt Helmut Bühler fest: "Wer die gemachten Angebote nutzt, kommt weiter."

"Wir spüren, dass die Familien uns wirklich brauchen. Es ist ein gutes Gefühl, zu helfen. Übertreiben dürfen wir es allerdings auch nicht", erklärt Sabine Froemel und freut sich, dass immer wieder Bürger bereit sind, sich punktuell unterstützend einzubringen.

Ursula Kissling und Maria Nestele möchten den Asylbewerbern auch den christlichen Glauben vertraut machen: "Sie sollen unsere Religion kennen lernen. Gespräche über den Glauben sind sehr unverkrampft möglich – sie berichten von ihren Bräuchen und sind neugierig darauf, wie wir es sehen. Gerade die Kinder sollen auch die Chance bekommen, an Jugendfreizeiten teilzunehmen", findet Kissling.

Die Motivation der zehn Helfer geht auch darauf zurück, dass sie die Gastfreundschaft ihrer Heimat unter Beweis stellen möchten. "Und ganz oft spüre ich auch, wie dankbar ich dafür sein darf, dass es mir hier so gut geht", bekennt Ursula Kissling.

Was sich die Helfer am meisten wünschen? Ganz dringend: Arbeitsgelegenheiten für die Männer – und ab und zu einen Dolmetscher.