Zwischen der verzierten Barocksäule und der neuen Bronzefigur auf dem Marktbrunnen wurde das bisherige Kapitell entfernt – das ruft nun den Denkmalschutz auf den Plan. Foto:  

Die Stadt Winnenden muss sich vor dem Landesdenkmalamt verantworten: Damit die neue Figur auf dem Marktbrunnen drauf passt, wurde im Frühjahr der Brunnensockel zerstört.

Winnenden - Seit Mai dieses Jahres erfreut eine neue Figur auf dem Marktbrunnen die Flaneure in den Gassen von Winnenden. Doch nicht bei allen ist die Begeisterung derart ausgeprägt: Immer noch hagelt es Kritik an dem vom Weinstädter Bildhauer Karl Ulrich Nuss entworfenen Liebespaar. Jetzt gibt’s weiteren Ärger: Damit die Figur drauf passt, wurde im Frühjahr der Brunnensockel zerstört. Nun muss sich die Stadt dem Landesdenkmalamt gegenüber verantworten.

Es war eine höchst emotionale Angelegenheit, bis man die passende Figur zur 800-Jahr-Feier der ältesten Stadt im Rems-Murr-Kreis gefunden hatten. Fünf namhafte Künstler aus dem Rems-Murr-Kreis durften ihre Vorschläge zum zentralen Motiv einreichen, nämlich zum „Winnender Mädle“: Diese Jungfrau und Garnspinnerin wurde Anfang des 13. Jahrhunderts vom Minnesänger Gottfried von Neuffen besungen. Das Lied ist in dem Codex Manesse, der berühmtesten deutschen Liederhandschrift des Mittelalters, verewigt.

Kurz vor der Entscheidung schien die Sache auf die Arbeit des Winnender Bildhauers Martin Kirstein hinauszulaufen. In seinem Entwurf, so der Künstler seinerzeit, sei Gottfried ein „erfolgreicher Frauenverführer“, der das Bürgermädchen kurzerhand „vernascht“ habe. In einer Umfrage der Lokalzeitung erhielt sein Entwurf mehr als 70 Prozent der Stimmen. Im Gemeinderat allerdings votierte eine knappe Mehrheit für Nuss. Das rief wiederum die Anhänger des vermeintlichen Favoriten auf den Plan, die sogar eine eigene Initiative „Winnender für Kirstein“ gründeten.

Figur passte auch stilistisch nicht auf den Brunnensockel

Doch aller Protest nützte nichts, Nuss’ Paar (Kostenpunkt 60.000 Euro, davon wurden 46.000 Euro über Spenden abgedeckt) wurde aufgestellt. Kaum war das rote Verhüllungstuch weg, erkannten Kirsteins Anhänger, dass die Figur nicht nur stilistisch, sondern auch vom Fundament her nicht auf den Brunnensockel passte. Friedhelm Bütow, pensionierter Oberstudienrat und zweiter Vorstand der Initiative, beklagt die „Zerschlagung des Brunnenkapitells, was zur gegenwärtigen Verstümmelung führte“. Tatsächlich hatte ein Steinmetz im Auftrag der Stadt die vier spitzen Ecken entfernt und das Kapitell, also den oberen Teil der Säule, abgeschlagen. Nur so passe die neue Figur mit ihrem runden Bronzesockel auf die Säule, hieß es. Umgehend schaltete die Initiative, die selbst 16 000 Euro an Spenden eingesammelt hat, das Landesdenkmalamt ein. „Der Marktbrunnen unterliegt dem Denkmalschutz, der bekanntlich Verfassungsrang hat“, sagt Bütow.

Das Stuttgarter Regierungspräsidium, dem das in Esslingen ansässige Denkmalamt unterstellt ist, bestätigt, dass am Sockel eine Veränderung vorgenommen wurde. Dafür hätte die Stadt aber eine Genehmigung gebraucht. Geprüft wird nun, ob eine nachträgliche Genehmigung durch Auflagen möglich sei. Winnendens Hauptamtsleiter Peter Holub räumt auf Nachfrage ein, dass die Entfernung des Kapitells genehmigungspflichtig gewesen wäre. Er rechnet mit einer baldigen Entscheidung der Behörde. „Wir gehen aber nicht davon aus, dass die Nuss-Figur wieder weg muss.“ Allerdings droht weiter Ungemach: Nach Bütows Ankündigung will ein Winnender die Stadt wegen Beschädigung eines öffentlichen, allen Bürgern gehörenden Kulturguts verklagen.