Beim gemeinsamen Kochen und Essen besprechen türkischstämmige und deutsche Frauen alltägliche Dinge ebenso wie die Feinheiten der kulturellen Unterschiede. Foto: Hunkenschröder Foto: Schwarzwälder-Bote

In Gültlingen bereiten türkischstämmige und deutsche Frauen einen gemeinsamen Beitrag fürs Gemeindefest vor

Von Manuel Hunkenschröder Wildberg-Gültlingen. Integration lässt sich nicht an markigen Worten und politischen Fensterreden festmachen, sondern findet ganz alltäglich statt – zum Beispiel im Interkulturellen Frauencafé in Gültlingen.Seit einem halben Jahr treffen sich dort deutsche und türkischstämmige Frauen aus dem Ort, um sich kennenzulernen – und um in den nächsten Monaten eine größere Aktion für das bevorstehende Gemeindefest vorzubereiten. "Es gibt viele türkische Familien hier in Gültlingen", erzählt Margit Sailer, die das Projekt im vergangenen Sommer in Rollen gebracht hat. "Mir ist dann aufgefallen, dass es im Ort kaum Kontakt gab zwischen deutschen und türkischstämmigen Frauen und man eigentlich gar nichts voneinander weiß."

Um das zu ändern, begann die 61-Jährige, Kontakte zu türkischen Frauen aufzubauen und für einen gemeinsamen Treff zu werben. "Glücklicherweise stellt uns die Stadt einen Raum im alten Kindergarten kostenlos zur Verfügung", freut sich die ehemalige Sport- und Englischlehrerin. "Jetzt treffen wir uns jeweils am zweiten Dienstag im Monat. Viele bringen Kleinigkeiten zu essen mit."

Zweimal wurde auch schon richtig gekocht: Die türkischstämmigen Frauen konnten mit Spezialitäten wie roter Linsensuppe, gefüllten Weinblättern oder Börek aufwarten. Die Alteingesessenen revanchierten sich mit schwäbischen Spezialitäten wie Kässpätzle und Gulasch. Auf diese Weise können dann auch Unterschiede unaufgeregt thematisiert werden. So wurde etwa das Gulaschfleisch bei einem türkischen Metzger gekauft.

"Viele sehen unter einem Kopftuch nur den Türken und wollen sich gar nicht mehr die Mühe machen, den Menschen kennenzulernen", sagt Elvan Koc aus Erfahrung. "Es ist schön, sich in diesem Rahmen besser kennenlernen zu können."

Die gläubige Muslimin kam 1980 im Alter von acht Jahren aus Anatolien nach Gültlingen – ohne jegliche Sprachkenntnisse. Heute spricht die 39-Jährige akzentfrei Deutsch, hat eine Lehre als Schneiderin absolviert und bis zur Geburt ihres zweiten Kindes auch in dem Beruf gearbeitet. Viele Probleme der türkischen Frauen rührten daher, dass sie im Gegensatz zu ihren Männern nicht im Berufsleben standen und daher die Sprache nie richtig gelernt haben. Aus dieser Sprachlosigkeit entstünden Berührungsängste, die von den Einheimischen als Abgrenzung gedeutet werden. "Es ist mir wichtig, dass wir versuchen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen," betont Sailer.

In der Gruppe sind neben gut integrierten türkischstämmigen Frauen auch solche, die kaum ein Wort Deutsch sprechen. Dann fungieren die anderen türkischen Frauen als Dolmetscher. Deutschkenntnisse sind nach Elvan Koc aber nicht mehr das große Problem, insbesondere nicht für die jüngere Generation: "Meine Tochter hatte im letzten Deutschaufsatz eine zwei minus, ich denke das ist ganz gut." Problematischer sei das Selbstbild der jungen Migranten: "Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich nicht richtig akzeptiert, und das schlägt sich manchmal in gewissen Verhaltensweisen nieder – das ist ebenfalls ein Teufelskreis."

All diese Themen werden im Interkulturellen Frauencafé diskutiert – zwischen ganz alltäglichen Dingen wie Kochrezepten oder dörflichem Klatsch.

Das Ziel, die türkischstämmigen Frauen mehr in die Dorfgemeinschaft einzubinden, trägt auch abseits der Gruppe Früchte: Drei von ihnen haben sich nach anfänglichen Problemen mit Kleidung und Schuhwerk in einer Frauengymnastikgruppe eingelebt. Für die nächsten Treffen sind eine Tanzvorführung sowie ein Kinonachmittag geplant. Und natürlich gilt es, auf ein wichtiges Ziel hinzuarbeiten: die Beteiligung am Gültlinger Gemeindefest. Margit Sailer hat schon etwas geplant: "Wir würden gerne türkische Spezialitäten anbieten, die von uns allen zubereitet werden."