Seminar am Wildberger Bildungszentrum findet seinen Abschluss im Nagolder Hochseilgarten / Die Zukunft des Projekts unsicher

Von Tim Geideck Wildberg. "Cool sein" heißt nicht, in Konfliktsituationen zuzuschlagen. Genau dies wird seit April Schülern des Bildungszentrums bei einem "Coolness-Training" vermittelt. Zum Abschluss des Seminars hangelten sich die Fünft- und Sechstklässler durch den Nagolder Hochseilgarten.Manch einer, der auf dem Schulhof gerne mal "eine große Klappe" hat, wird beim Anblick des in luftiger Höhe gelegenen Parcours plötzlich ganz klein. Und trotzdem steigt jeder der Wildberger Schüler in den Sicherungsgurt und wagt den Aufstieg entlang der Kletterwand. Unten stehen die Klassenkameraden, sprechen Mut zu und klopfen anschließend auf die Schulter. "Das war cool", meint einer. Und genau darum geht’s im "Coolness-Training".

Auch am Bildungszentrum gibt es Schüler, die aus einem Gewaltmilieu kommen. "Das Kind liegt abends im Bett und soll einschlafen, während sich vor der Zimmertür die Eltern prügeln", sagt die Wildberger Schulsozialarbeiterin Ulrike Schmelzle, die die Ursprünge nur zu gut kennt: "Da verschwindet jedes Vertrauen in die Welt." Und aus diesen Opfern werden später Täter. Dass man sich auch mit Worten wehren kann, haben sie nie gelernt.

"Wichtig für diePersönlichkeitsbildung"

"Es geht nicht in Richtung Entschuldigungspolitik, wie man sie aus den 80er- und 90er Jahren kennt", betont der Anti-Gewalt-Trainer Markus Leipersberger. Der gebürtige Gültlinger – einst selber Schüler am Bildungszentrum – leitet das Seminar. Seine Philosophie: Zwar Verständnis zeigen für das Umfeld, aus dem die Schüler kommen, aber ihnen auch ganz ungeschminkt den Spiegel vorhalten und sie mit ihrem Verhalten konfrontieren. "Zeigen, dass es so nicht geht", sagt Leipersberger.

Die Arbeit des Anti-Gewalt-Trainers basiert auf drei Stufen: In der ersten Stufe setzt Leipersberger früh an, möglichst schon in der Grundschule. Trägt die Arbeit dort keine Früchte, beginnt die zweite Stufe, der beispielsweise das "Coolness-Training" zuzuordnen ist. Erst in der dritten Stufe startet das klassische Anti-Aggressions-Training mit Jugendlichen, die schon kurz vor der Volljährigkeit stehen – meist gerichtlich angeordnet. "Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist", so Leipersberger.

Damit es so weit nicht kommt, richtet sich das Augenmerk verstärkt auf die ersten beiden Stufen. Schmelzle: "Wir möchten die Jungs erwischen, bevor sie straffällig werden." Sie hat sich auf die Fahne geschrieben, verhaltensauffällige Kinder nicht auf die Förderschule zu schicken, sondern sie in ihren gewohnten Schulalltag zu integrieren. Kernthema ist, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, so dass sie sich in Konfliktsituationen mit Worten zu wehren wissen. Schmelzle schwebt nicht nur vor, dass das "Coolness-Training" fester Bestandteil ihrer Arbeit am Bildungszentrum wird, sondern es schulübergreifend mit Nachbarkommunen anzubieten. Auch Leipersberger sagt: "Verhaltensauffällige Schüler gibt es nicht nur in Wildberg, die gibt es überall." Während in anderen Landkreisen solche Seminare aber schon fest an den Schulen etabliert sind, fehlen aus seiner Sicht im Landkreis Calw noch die entsprechenden Strukturen.

Fraglich ist daher, ob es das "Coolness-Training" nach den Sommerferien noch geben wird. Neben dem Landratsamt, der Stadt Wildberg, dem Kreisjugendring und dem Förderkreis des Bildungszentrums ist der Tübinger Bewährungshilfeverein Hauptsponsor des Seminars. Der ist aber vorwiegend in der sogenannten dritten Stufe aktiv, eine weitere Finanzierung ist seinerseits deshalb nicht geplant.

Vor der Kletterwand steigen derweil die letzten beiden Wildberger Schüler in den Sicherheitsgurt. "Man merkt, dass die dabei sein wollen", lobt der Hochseilgarten-Betreiber Dieter Nell das Engagement der Fünft- und Sechstklässler, die freiwillig kommen und dafür jedes Mal ihren schulfreien Nachmittag opfern. Ebenso ist die Klassenlehrerin Rosemarie Pfeifer zufrieden, die als Co-Trainerin an Bord ist: "Ich habe gemerkt, wie wichtig dieses Training für die Schüler ist, vor allem für ihre Persönlichkeitsbildung."