Kirchenmusikdirektor Lie­decke rechnete die Orgel in Gültlingen in seinem Abnahmebericht 1959 "zu den feinsten einma­nualigen alten Orgeln in unserem Lande". Foto: Götz Foto: Schwarzwälder-Bote

Instrument in der Michaelskirche ist 200 Jahre alt / Festkonzert mit Stefan Skobowsky

Wildberg-Gültlingen. In diesem Jahr ist die Orgel der Michaelskirche Gültlingen 200 Jahre alt geworden. Bereits im Jahr 1748 trugen die Gültlinger die Bitte nach einer neuen Orgel an den Kirchenrat herangetragen: "Wir melden demütig, dass die Orgel, schon eine geraume Zeit bei dem Gottesdienst fast nicht mehr zu spielen ist, die Windladen sehr verdorben, die Register zu schwach sind und bitten eine neue aufstellen zu dürfen".

Bis es endlich soweit war, zog das Jahr 1815 ins Land. Unter welchen Opfern damals das neue Orgelwerk gebaut wurde, kann man nur ermessen, wenn man weiß, dass im Jahre 1815 eine große Hungersnot herrschte. Der damalige König, Wilhelm I. von Württemberg, bat die Kirchen "Erntebittgottesdienste" abzuhalten. Diese Gottesdienste werden bis auf den heutigen Tag nur in der Württembergischen Landeskirche gehalten. Im Jahre 1815 lautete die Bitte: "Herr, gib uns Brot, denn uns hungert".

Johann Jakob Weinmar aus Bondorf wurde mit dem Bau des neuen Orgelwerkes beauftragt. Die Orgelbauerdynastie Weinmar erbaute im Bereich des heutigen Dekanats Nagold eine ganze Reihe von Instrumenten: Nagold "Unserer lieben Frau" (1752 –14 Register), Haiterbach (1762 – zwölf Register), Altensteig (1772 – zwölf Register), 1773 Wildberg (1773 – zwölf Register), Grömbach (1783), und Gültlingen (1815 – 13 Register).

Die Arbeiten können nicht genau auf Vater, Sohn oder Enkel zugeordnet werden. Wenn man das Gehäuse der Gültlinger Orgel betrachtet, könnte es stilistisch eher der Zeit um 1760/70 zugeordnet werden, allerdings ist bekannt, dass der Familienbetrieb Weinmar sehr konservativ gearbeitet hat.

Das siebenteilige Orgelgehäuse im Chorraum ist für eine kleine Dorfkirche eine großzügige Anlage. Bis zum Jahr 1959 präsentierte sich die Orgel noch vorteilhafter: Sie stand auf einer Chorempore, ähnlich Wildberg. Die Tragsteine der Empore sind noch über dem Altar zu sehen. Im Prospekt der Orgel stehen Pfeifen der Register Prinzipal und Cornet. Die Aufstellung der Prospektpfeifen spiegelt den inneren Aufbau des Instrumentes wider; es sind keine Windverführungen notwendig, alle Pfeifen stehen direkt auf der Windlade.

Jüngste Renovierungfördert eineSignatur zutage

Im Jahr 1988 wurde das Orgelwerk durch die Orgelbaufirma Peter Vier aus Friesenheim-Oberweier gründlich restauriert. Und im vergangenen Jahr, ebenfalls von der Firma Vier, gründlich gereinigt und neu gestimmt. Dieses Orgelwerk ist somit eines der am vollständigsten erhaltenen Weinmar-Orgeln und von außerordentlichem Selten- heitswert. Es hat sich so innerhalb der Gesamtgemeinde Wildberg wenigstens eine Weinmar-Orgel erhalten.

"Alles in allem", so schrieb bereits Kirchenmusikdirektor Liedecke in seinem Abnahmebericht nach der Renovierung im Jahre 1959, "kann man die Orgel in Gültlingen zu den feinsten einmanualigen alten Orgeln in unserem Lande rechnen..." Damals konnte man übrigens das Alter dieser 200 Jahre alten Orgel lediglich schätzen; die längst erhoffte Signatur über Alter und Baumeister des Instrumentes wurde erst bei der jüngsten Renovierung gefunden. Sie lautet: "Johann Michel von Fulda, Orgelmachergesell, 1815 den 3. August – Jackob Weinmar Meister von Bondorf."

Am Freitag, 10. Juli, ab 19 Uhr gibt Kilianskantor Stefan Skobowsky – der ehemalige Bezirkskantor von Nagold – aus Heilbronn geben.