Archäologen finden Schiffswracks und uralte Pfahlbauten / Sporttaucher entdecken Historisches oder suchen nach der Totenkopfkiste

Von Karin BenzmannEben steckte der Damenring aus Gold mit kleinen Rubinen besetzt noch bei Ute am Finger. Jetzt ist er weg. Im Heck des Segelschiffes fiel er herunter, berührte die Gräting, das Holzbrett auf dem Boden, sprang hoch, hüpfte noch einmal kurz auf und verschwand in einem Loch im Schiffsboden lautlos auf Nimmerwiedersehen im Bodensee. Normalerweise soll durch die Öffnung nur Wasser hinauslaufen, wenn mal eine Woge über Bord kippt. Der Verlust ist mit rund 500 Euro recht teuer. Was nun? Ja, kostbare Damenringe sollten beim Segeln zu Hause bleiben. Das ist richtig. Richtig ist aber auch: Der Ring ist weg. Sich die Taucherausrüstung anzulegen und nach dem Schmuckstück suchen? Niemals, das Wasser ist im Winter mit rund sechs Grad kalt, bitterkalt. Also ergänzt der Klunker nun eben die Schätze im See.

Davon gibt es jede Menge, wie Sporttaucher wissen. Allerdings werden Ringe sehr selten wiedergefunden. Viel wertvoller sind die archäologischen Schätze unter Wasser. Auf die Suche danach gehen Sporttaucher sogar in der kalten Jahreszeit – entsprechende Taucheranzüge schützen sie vor der Kälte. Die eisigen Temperaturen können auch die Archäologen des Landesdenkmalamtes von Baden-Württemberg, Zweigstelle Gaienhofen-Hemmenhofen (Kreis Konstanz), wenig beeindrucken. Werden ihnen historische Funde aus dem See gemeldet, tauchen sie ab. Was sie mit an die Oberfläche bringen können, liegt im Amt fein säuberlich in Cellophan eingehüllt.

Mit Informationen zum Thema Schatzsuche geizt die Stelle: "Hände weg", lautet die Devise von Helmut Schlichtherle beim Landesdenkmalamt für Feuchtbodenarchäologie in Gaienhofen-Hemmenhofen und dessen Kollegen, Kantonsarchäologe und Chef des Amtes für Archäologie des Kantons Thurgau Hansjörg Brem. Die beiden Experten fürchten die Hobbytaucher, die unwissend Kunstschätze heben, oder schlimmer noch: zerstören.

Die beiden haben das Gesetz auf ihrer Seite. In einem Fachbeitrag über den Denkmalschutz am Bodensee schreibt Schlichtherle: "Das Schatztauchen ist nicht nur unsportlich, es verstößt gegen das Gesetz. Strafbar macht sich vor allem auch, wer mit Metalldetektoren, Sonaren oder anderen technischen Geräten nach archäologischen Funden sucht." Wer gegen das Denkmalschutzgesetz verstößt, kann angezeigt werden und muss mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. Der Staat kann die Hand auf jeden Fund legen.

Die Rechtssituation in der Schweiz ist ähnlich. Brem erklärt: "Der Seegrund gehört den Kantonen. Es gelten die gleichen Regeln wie bei Grundstücken." Sein Appell an alle Sporttaucher: "Nichts berühren, nur anschauen, die genaue Position feststellen und den Fund melden."

Bei niedrigem Pegel im Winter liegen einige Fundstellen trocken

Nichtsdestotrotz sind Tauchgänge zu Unterwasser-Attraktionen beliebt. Wie man sie besichtigt, ohne die Pfade des Gesetzes zu verlassen, erklärt das offizielle Lehrbuch des Verbandes Deutscher Sporttaucher (VDST) "Denkmalgerechtes Tauchen, Unterwasserarchäologie, Wracktauchen".

Doch damit offenbar nicht genug: Am Bodensee haben bereits die drei Anrainer Österreich, Schweiz und Deutschland über ein generelles Tauchverbot nachgedacht. Denn es sind Schäden bekannt, die von Tauchern verursacht wurden, als die in Wracks eingetaucht sind. Schlichtherle spricht von Hunderttausenden, die jährlich in die kühlen Fluten des Sees abtauchen, um spektakuläre Dinge zu entdecken. Taucheinstiege gibt es viele entlang des 263 Kilometer langen Ufers.

Doch die Sporttaucher sind nicht nur Störenfriede, sondern auch wertvolle Helfer der Landesdenkmalämter. Ihre Fundmeldungen gelten als wichtige Hilfe bei der Erfassung und Kartierung des archäologischen Kulturgutes.

Doch was sind es für Schätze, die da unter Wasser schlummern? Zum Beispiel Schiffswracks und speziell am Bodensee die Pfahlbauten. Die ersten vorgeschichtlichen Pfahlbausiedlungen wurden am Bodensee 1856 entdeckt. Dabei handelt es sich um Ufersiedlungen, deren Ruinen unter Wasser gerieten, wenn der Seespiegel angestiegen war. Seekreide und Sand deckten sie ab. So konnten sie Jahrtausende überdauern. Am Bodensee gehen die ältesten Ufersiedlungen an den Beginn des vierten Jahrtausends vor Christus zurück, die jüngsten enden um 850 vor Christus. In seinen Flachwasserzonen und in den Tiefen sind zahlreiche Siedlungsreste, also Pfahlbauten der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, zu entdecken. Schiffswracks der historischen Zeitepochen, verloren gegangene Steinbeile, Pfeilspitzen, historische Münzen sowie mittelalterliche und frühneuzeitliche Waffen lassen sich ebenfalls finden. Wird etwas gefunden, greifen die Denkmalschutzgesetzgebungen der Seeanrainer.

Seit 1979 gingen beim Landesdenkmalamt immer wieder Fundmeldungen zu am Seegrund liegenden Schiffen und Schiffsteilen ein. Ehrenamtliche Mitarbeiter, Polizeitaucher und Sporttaucher entdeckten alte Holzschiffe im Ober- und Untersee.

Auf Zufallsfunde allein will sich das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg nicht verlassen. Die Behörde erfasst die vorgeschichtlichen Ufersiedlungen seit 1979 durch systematische Bohrungen und Vermessungen. In Gaienhofen-Hemmenhofen wurde eine ständige Außenstelle "Pfahlbauarchäologie" des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg eingerichtet. Von hier aus werden Rettungsgrabungen und taucharchäologische Bergungen sowie Ausgrabungen vorgenommen. Bei Niedrigwasser in den Wintermonaten liegen teilweise einige Fundstellen trocken.

Schiffswracks dagegen liegen meist tief unter Wasser. Ein Schiffswrack des Mittelalters wurde vor der Insel Reichenau gefunden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es im Zusammenhang mit dem Kloster auf der Insel steht.

Brem ist begeistert von seiner Arbeit: "Der Bodensee ist wie eine riesige Wundertüte." Ein kleines Problem bei der Sache: Die entdeckten Kulturschätze lassen sich nicht umbetten. "Wir müssen konservieren", so die Meinung von Schlichtherle. Schließlich sollen die Funde für die Nachwelt erhalten bleiben.

Auch die Sporttaucher der Tauchgruppe Überlingen (TGÜ) wissen um die Wichtigkeit archäologischer Funde. Eine Entdeckung werden sie aber gewiss nicht melden: Am 6. Januar wird nämlich von Sporttauchern eine Schatzkiste aus dem Überlinger See geborgen. Das ist seit 40 Jahren beim TGÜ so üblich. Der Verein um Vorsitzenden Uli Stoermer versenkt eine Schatzkiste mit einem Totenkopf auf dem Deckel. 80 mal 40 Zentimeter groß und 40 Zentimeter hoch ist das begehrte Stück. Erfahrungsgemäß kommen am Dreikönigstag rund 300 Taucher aus ganz Baden-Württemberg an den See, um genau diese Schatztruhe zu suchen. Sie befindet sich meist in einer Tiefe von 40 Metern. Wo genau – das weiß noch kaum jemand. Doch ein suchender Sporttaucher wird sie wohl auch 2011 wieder finden, die Kiste unter Wasser – aber nicht den Ring.

Weitere Informationen: Das Schatzkistentauchen findet am 6. Januar 2011 in Überlingen statt. Getaucht wird zwischen 7.30 und 14 Uhr. Treffpunkt ist am Überlinger Mantelhafen. Dort werden auch die Anmeldungen entgegengenommen. Teilnehmen kann jeder, der sich den Tauchgang zutraut.