Im Sattelacker Hof dürfen vorerst keine Flüchtlinge untergebracht werden. Foto: Archiv: Hopp

Mutter-Kind-Klinik bekommt Recht: Sattelacker Hof passt als Flüchtlingsunterkunft nicht in Bebauungsplan. Mit Kommentar.

Waldachtal-Lützenhardt - Das ehemalige Hotel Sattelacker Hof darf vorläufig nicht mit Flüchtlingen belegt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschieden. Das Gericht gibt der nahe gelegenen Mutter-Kind-Klinik recht. Sie argumentiert, dass eine Flüchtlingsunterbringung traumatisierte Patienten bei ihrer Genesung stören könnte.

Mit einem gestern veröffentlichten Beschluss hat die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe der Betreiberin der Klinik am Zauberwald, Gudrun Riebenstahl, vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nutzungsänderung des benachbarten ehemaligen Hotels Sattelacker Hof in eine Asylbewerberunterkunft gewährt.

Sowohl die Mutter-Kind-Klinik und Antragstellerin des Verfahrens als auch das ehemalige Hotel liegen etwa 265 Meter voneinander entfernt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Schelmenhecke – 2. Änderung" in Lützenhardt. Der Bebauungsplan weist im nördlichen Teil, in dem sich die Klinik befindet, ein Sondergebiet 1 aus. Dort sind Kliniken, Sanatorien und ähnliches einschließlich der dazugehörigen Nebenanlagen zulässig. Das ehemalige Hotel liegt südlich davon im Sondergebiet 2, in dem Einrichtungen für den Fremdenverkehr wie Gästezimmer, Ferienwohnungen einschließlich der zugehörigen Nebeneinrichtungen sowie Schank- und Speisewirtschaften zulässig sind. Ausnahmsweise können im Sondergebiet 2 auch Wohngebäude, private Krankenanstalten und Kurkliniken zugelassen werden.

Am 2. November hatte der in dem vorliegenden Verfahren geladene Bauherr für das seit fünf Jahren leer stehende Hotel die Erteilung einer Nutzungsänderung von Hotel in eine Asylbewerberunterkunft für mindestens 120 Personen beantragt. Die Klinikbetreiberin hatte dagegen Einwendungen erhoben.

Nachdem das Regierungspräsidium Karlsruhe eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugelassen hatte, erteilte der Gemeindeverwaltungsverband dem Bauherrn die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung. Hiergegen legte die Fachklinikbetreiberin Widerspruch ein und beantragte zugleich beim Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Asylbewerberunterkunft ist keine Einrichtung für Fremdenverkehr

Mit einem Beschluss vom 11. März hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung angeordnet. In der Begründung heißt es, dass das Nutzungsänderungsvorhaben wohl gegen nachbarschützende Vorschriften des Bebauungsplans verstoße. Bei der geplanten Asylbewerberunterkunft handele es sich nicht um eine dort zugelassene Fremdenverkehrseinrichtung. Sie falle auch nicht unter die nach dem Bebauungsplan ausnahmsweise zulässige Wohnnutzung.

Die Bewohner könnten aufgrund der Gemeinschaftsunterbringung ihre Haushaltsführung nicht – wie bei einer Wohnnutzung erforderlich – selbst gestalten. Deshalb sei das Vorhaben als eine im Plangebiet nicht zulässige soziale Einrichtung einzuordnen. Eine Befreiung könne nicht erteilt werden. Zwar lasse Paragraf 246 Absatz 14 des Baugesetzbuchs (BauGB) es unter anderem bei Gemeinschaftsunterkünften bis zum 31. Dezember 2019 zu, unter bestimmten Voraussetzungen von Bebauungsplanvorschriften abzuweichen, diese Abweichungsvoraussetzungen seien aber wohl schon tatbestandlich nicht erfüllt. Paragraf 246 Absatz 14 BauGB verlange nämlich eine strenge Erforderlichkeitsprüfung und lasse es nicht zu, dass die zur Genehmigung gestellte Kapazität der geplanten Unterkunft die nach der Abweichungsvorschrift zulässige Bedarfsdeckung überschreite. Es spreche einiges dafür, dass eine Überschreitung in diesem Fall vorliege.

Die antragstellende Fachklinikbetreiberin selbst habe dem Landkreis in der Gemeinde alternative Objekte zur Flüchtlingsunterbringung angeboten. Auch spreche vieles dafür, dass in der Gemeinde anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten für zumindest einen Teil der unterzubringenden Asylbewerber bestehe. Hinzu komme, dass das ehemalige Hotel auf maximal 56 Gäste ausgelegt sei, weshalb eine Nutzungsänderung, die die Aufnahme von mehr als doppelt so vielen Personen ermögliche, wohl den rechtlich zugelassenen Umfang überschreite.

Zukünftiger Bedarf kann nicht berücksichtigt werden

Der zukünftige Unterbringungsbedarf könne nicht berücksichtigt werden, weil die Regelung des Paragrafen 246 Absatz 14 BauGB sich wohl an der Zahl der konkret Unterzubringenden ausrichte. Die Abweichungsentscheidung sei aber auch ermessensfehlerhaft. Zwar lasse die Baugenehmigung erkennen, dass eine Abwägung der verschiedenen Interessen stattgefunden habe. Die besondere Störempfindlichkeit der Fachklinik und deren vorgetragenen Argumente zur Ruhe- und Erholungsbedürftigkeit der mehrheitlich psychisch gestörten, nicht selten aufgrund häuslicher Gewalt traumatisierten Patienten, seien aber nicht hinreichend berücksichtigt worden. Demzufolge verstoße das Nutzungsänderungsvorhaben wohl gegen Festsetzungen des Bebauungsplans zur Nutzungsart. Diese Festsetzungen seien auch nachbarschützend, weshalb sich die Antragstellerin auf die Verletzung der Vorschriften auch berufen könne.

Der Gerichtsbeschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb von zwei Wochen Beschwerde am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

Kommentar: Ruhebdürftig

Von Daniel Begemann

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe gegen eine Flüchtlingsunterbringung im Sattelacker Hof läuft Gefahr, missverstanden zu werden. Die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Sattelacker Hof haben sich weitgehend um Flüchtlinge gedreht. Zwischen den Bemühungen, Flüchtlingen in Waldachtal bei der Integration zu helfen, und möglichen Ängsten vor einer Überforderung vor zu vielen Flüchtlingen mag untergehen, worum es in diesem Prozess eigentlich geht. Die Anliegen der Mutter-Kind-Klinik, die sich in dem Urteil des Verwaltungsgerichts wiederfinden, haben nur oberflächlich mit Flüchtlingen zu tun. Das ehemalige Hotel Sattelacker Hof war auf maximal 56 Gäste ausgelegt. Es ist also nachvollziehbar, dass Patienten, die viel Ruhe benötigen, sich durch 120 neue, überwiegend männliche Bewohner in der Nachbarschaft gestört fühlen könnten – egal, ob es sich dabei um Flüchtlinge oder beispielsweise Bewohner eines Männerwohnheims handelt.