Der Dichter und Lyriker Walle Sayer liest in der "Schenke" aus seinem Werk "Zusammenkunft" / Fußball ist sein Steckenpferd

Von Ingrid Letzgus und Eberhard Wagner

Waldachtal-Tumlingen. Ein besonderes "Schmankerl" bot sich den zahlreichen Besuchern der "Schenke" im alten Schulhaus am Sonntag in Tumlingen.

Passend zum Beginn der dunkleren Jahreszeit, in der man wieder etwas zur Ruhe kommt, gab der bekannte Dichter und Lyriker Walle Sayer eine Lesung und entführte seine Zuhörer in seine eigene Gedankenwelt.

Zur Einstimmung las der Poet eine kleine Auswahl aus seinem "Best-of"-Werk "Zusammenkunft" vor, das so manchem Gast ein Schmunzeln ins Gesicht zauberte. Mit fast schon wehmütigen Eindrücken und doch mit einem Schuss Ironie, schilderte Sayer mit "Kindheits-Kaleidoskop" die eigene Jugendzeit, wie sie vielen anderen auch noch in Erinnerung sind. So zum Beispiel den unausweichlichen Gang zum Gräbergießen auf dem Friedhof, bei dem die Lebensgeschichten der Verstorbenen wieder in Erinnerung kommen, die erste Verliebtheit oder gar das Abnabeln der Kindheit, wenn "Mutters Rockzipfel nur noch zum Schneuzen benutzt wird".

Gespickt mit einzelnen schwäbischen Wörtern, die den Prosaerzählungen eine gewisse Würze verleihen, gelingt es Sayer, dem Zuhörer Bilder aus deren eigenen Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen. Zu diesen Bildern zählen auch die "Ode an den Schulbus", den Flohmarkt der Kinder oder die "Kinderzeichnung".

Ein Steckenpferd des Dichters ist schon seit seiner Jugend der Fußball. Ein, nach eigener Aussage eher "unpoetisches Thema", das jedoch für den Dichter kein größeres Problem darstellt. In seinem Band "Irrglauben" thematisiert er diesen Sport in einigen Passagen.

Auch in seinem neuen Buch, das im Frühjahr 2016 erscheinen wird, ist die beliebte Ballsportart vertreten. In diesem neuen Band wird laut Sayer auch das Thema Alter eine Rolle spielen.

Um den Zuhörern einen kleinen Vorgeschmack zu geben, trug der Dichter auch hierzu eine kleine Kostprobe vor. Liebevoll, nuanciert und treffend beschreibt der Poet aus eigener Erfahrung, wie ein alter Mensch immer noch in dem Glauben lebt, sich sicher im Straßenverkehr bewegen zu können. Dem Zuhörer entging, trotz humoristischen Aufdeckens aller Schwächen, dabei vor allem nicht die Sympathie des Verfassers für die Schwächen der älteren Generation.

Viel zu schnell schien die Zeit zu verstreichen, in der die Gäste der "Schenke" die Möglichkeit hatten, ganz alltägliche Dinge mit den wachsamen, scharfsinnigen Augen eines Dichters zu sehen.

Sayer ist ein Dichter, der selbst den kleinsten und unbedeutendsten Dingen Beachtung schenkt und diese mit Tiefsinn und Poesie in ein besonderes Licht rückt. So kann eine alte Scheunenwand, die jahrelang Woche um Woche neu plakatiert wird, zu etwas ganz Besonderem werden, da sie allein durch die alten Plakate eventuell eine vergangene Geschichte erzählt oder auch eine neue erfindet.

Walle Sayer betrachtet Motive, ob vergänglich oder nicht, beleuchtet Szenen aus dem Alltag und fügt sie in unvergessliche Zeilen ein. Tiefblick und autobiografische Erfahrungen würzen viele seiner Erzählminiaturen. Sayer ist ein Künstler, der im Alter von 23 Jahren seine Karriere als Poet und Dichter begann. "Ich sehe alles in Bildern – wie aus Momentaufnahmen aus Fotografien", gestand er dem Publikum. Inzwischen zählt er zu den großen seiner Zunft. In mehr als zwanzig Lesungen pro Jahr und vielen Workshops in Schulen bereichert er Groß und Klein mit seinen Betrachtungsweisen des Alltags.