Waagenhersteller Bizerba baut Arbeitsplätze ab. Foto: Nico Pudima

Der Schock bei den Beschäftigten sitzt tief. Der Balinger Waagenhersteller Bizerba will weltweit zehn Prozent der Arbeitsplätze abbauen und begründet dies unter anderem auch mit dem Cyberangriff.

Die Enttäuschung und Fassungslosigkeit bei den Bizerba-Beschäftigten über den geplanten Jobabbau ist groß, ebenso die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Entsprechend voll war es bei den Betriebsversammlungen, die diesen Mittwoch am Stammsitz Balingen (Zollernalbkreis) und im Werk Meßkrich (Kreis Sigmaringen) stattfanden. Allein in Balingen nahmen über 1000 Beschäftigte teil.

Bizerba hatte angekündigt, weltweit zehn Prozent der Arbeitsplätze zu streichen. Das entspricht 450 der weltweit 4500 Jobs. Auch die Standorte Balingen mit seinen rund 1400 Beschäftigten und Meßkirch mit rund 240 Mitarbeitern trifft es. Nach Angaben einer Firmensprecherin sollen in Balingen etwa zehn Prozent der Stellen abgebaut werden, in Meßkirch liege die Prozentzahl höher. Das liege daran, dass dort in den vergangenen zwei Jahren ein bedeutender Großauftrag abgewickelt wurde, der die Schaffung zusätzlicher befristeter Stellen erforderlich mache, die nun planmäßig ausliefen, so die Sprecherin. In Deutschland beschäftigt Bizerba gut 1900 Mitarbeiter.

„Können betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen“

„Wir setzen dabei hauptsächlich auf Vorruhestandsregelungen und Aufhebungsvereinbarungen, können betriebsbedingte Kündigungen zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht ausschließen“, lässt sich Bizerba-Geschäftsführer Andreas W. Kraut in einer Pressemitteilung zitieren. Man habe die Entscheidung, weltweit Stellen abzubauen, nicht leichtfertig getroffen, aber angesichts der aktuellen Lage sei sie unausweichlich.

In Deutschland sollen etwa 280 Arbeitsplätze gestrichen werden, wie Michael Föst, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt, sagte, der bei den Betriebsversammlungen dabei war. „Das ist ein schwarzer Tag für die Beschäftigten“, sagte Föst, auch wenn der Abbau möglichst sozial verträglich ablaufen soll. Hinter jedem, der seinen Job verliere, stünden ja auch Familien. Der Gewerkschafter war nicht in die Gespräche einbezogen. Der Bizerba-Betriebsrat führte – mit Unterstützung eines Rechtsbeistands – die Verhandlungen mit der Bizerba-Geschäftsführung. Es gebe ein Eckpunktepapier bezüglich Interessenausgleich und Sozialplan. Allerdings müssen die Gremien an den einzelnen Standorten zustimmen. Auch soll es laut Aussagen der Geschäftsführung auf der Betriebsversammlung die Möglichkeit geben, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

Massive Beeinträchtigungen durch Cyberangriff

In einer Zeit, die von Ereignissen wie der Coronakrise, dem Ukraine-Krieg, Lieferproblemen und dem Nahostkonflikt geprägt ist, sieht sich Bizerba nach eigenen Angaben mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. So musste das Familienunternehmen 2022 „einen schwerwiegenden Cyberangriff bewältigen, der den regulären Geschäftsbetrieb monatelang beeinträchtigte“. Damit waren hohe Verluste verbunden, denn das Unternehmen musste weltweit alle Systeme abschalten und konnte über Wochen keine Produkte ausliefern.

„Wir leben in einer sich ständig wandelnden Welt und wir müssen uns ebenso schnell verändern und anpassen, um auch Krisenzeiten zu überstehen“, so der Bizerba-Chef. Um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen, habe man verschiedene Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehört laut Pressemitteilung unter anderem auch die Weiterentwicklung der Organisationsstruktur sowie die Überprüfung des Produktportfolios in den einzelnen Märkten. Dadurch sollen Synergien innerhalb des Unternehmens besser genutzt und die Profitabilität verbessert werden. Mit den Maßnahmen gehe eine Unternehmenstransformation einher, die einen weiteren Schritt erforderlich mache, heißt es mit Blick auf den geplanten Personalabbau.

„Unsere Unternehmensplanung war für die kommenden Jahre auf ein konstantes Wirtschaftswachstum ausgerichtet – so auch die Personalplanung. Leider mussten wir, wie sehr viele andere Unternehmen auch, diese Planungen nach unten korrigieren. Mit großem Bedauern sehen wir uns daher gezwungen, konzernweit etwa zehn Prozent der Stellen abzubauen”, so der Bizerba-Chef. Erst im April 2023 hatte Bizerba ein neues Werk im serbischen Valjevo mit Platz für bis zu 300 Beschäftigten eröffnet, um die Produktionskapazitäten zu erweitern und strategisch wichtige Wachstumsmärkte optimal bedienen zu können, wie die Firma seinerzeit mitteilte.

Zu 100 Prozent in Händen der Gründerfamilie

Das Familienunternehmen Bizerba, ein führender Hersteller von Wäge-, Schneide- und Etikettier-Systemen für Kunden vom Einzelhändler über Bäcker, Metzger bis zum Industriebetrieb, ist international aktiv und zu 100 Prozent in den Händen der Gründerfamilie Kraut, zu der auch Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut gehört. Ihr Bruder Andreas Wilhelm Kraut ist Vorsitzender der Bizerba-Geschäftsführung, ihre Schwester Angela Kraut Finanzchefin des Unternehmens.

Familienunternehmen seit 1866

Anfänge
Mechanikermeister Andreas Bizer gründet 1866 eine Werkstatt – die A. Bizer Waagenfabrik. Aus der Verbindung der Namen „Bizer“ und „Balingen“ ergibt sich 70 Jahre später der Name „Bizerba“.

Namenswechsel
1906 wechselt der Name der Unternehmerfamilie. Andreas Bizer verkauft den Betrieb an seinen Schwiegersohn Wilhelm Kraut. Ende der 20er Jahre hat das Unternehmen bereits rund 800 Mitarbeiter.

Generationswechsel
Innovationen treiben den Erfolg. Mit 17 Jahren tritt Sohn Wilhelm Kraut junior 2023 in die Leitung der Firma ein. Die Internationalisierung wird vorangetrieben. 1964 übernimmt mit Günter Kraut die vierte Generation. 2011 wird Andreas Wilhelm Kraut als Vertreter der fünften Generation Bizerba-Chef. Seit 2016 sind sämtliche Firmenanteile wieder in Familienbesitz, zwischenzeitlich waren auch externe Investoren an Bord.