Vöhringen floriert – dennoch kann die Gemeinde erst seit Kurzem wieder ein bisschen durchschnaufen. Der ehemalige Bürgermeister und sein Kämmerer haben der Kommune unter anderem durch die Erschließung von Bau- und Gewerbegebieten bei desolater Haushaltslage eine gewaltige Zinslast verpasst. Seit gestern wird am Rottweiler Landgericht gegen die Pensionäre verhandelt. Der Vorwurf: Untreue. Foto: Steinmetz

Staatsanwaltschaft: "Untreue in besonders schweren Fall". "Mit einem Loch das andere gestopft".

Vöhringen - Große Sprünge kann die Gemeinde noch immer nicht machen. Dabei läuft es eigentlich gut in Vöhringen. Wären da nicht die Altlasten. Seit gestern stehen der ehemalige Bürgermeister und der seinerzeitige Kämmerer vor Gericht.

Die Blase platzte 2006. Autobahnanschluss, florierendes Gewerbe und viel, viel Fläche für Erweiterung: Es half nichts. Die Gemeinde war pleite. Nicht zuletzt deshalb, weil der Bürgermeister und der Kämmerer das getan hatten, was man gemeinhin "mit einem Loch das andere stopfen" bezeichnet. In diesem Fall sagt die Staatsanwaltschaft "Untreue in einem besonders schweren Fall" dazu, und das in insgesamt mehr als 50 Fällen.

Gestern wurde die Sache vor der Ersten Großen Strafkammer am Rottweiler Landgericht verhandelt. Oder besser: Der Prozess begann – und wurde ziemlich rasch wieder unterbrochen. Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen hatte, was fast eine Stunde in Anspruch nahm, denn jeder einzelne Fall – und in der ursprünglichen Fassung sind es eben weit mehr als 100 Einzelfälle – muss darin berücksichtigt werden, zogen sich die Verfahrensbeteiligten zu einem Gespräch zurück. Es sollte sondiert werden, ob prinzipiell die Möglichkeit eines Rechtsgesprächs bestehe. Wieder eine Stunde später stand fest: Ja, alle Beteiligten haben durchaus ein Interesse daran.

Daraufhin zog sich die Kammer wieder zurück, um zunächst intern zu beraten und die Schöffen auf den aktuellen Stand zu bringen. Denn die Materie ist spröde, "schwierige Rechtsfragen" seien in diesem Verfahren zu klären, merkte der Vorsitzende an, außerdem spiele auch der lange Zeitablauf eine Rolle. Welche, das muss geklärt werden. Für Letzteres sind übrigens nicht die beiden Angeklagten verantwortlich, sondern die Justiz. Bereits 2009 war Anklage erhoben worden, wegen aufwendiger Prozesse mit Untersuchungshaft und absehbarer Wechsel der Besetzung konnte ein weiteres Großprojekt nicht angegangen werden. Zudem hatte es Nachermittlungen gegeben.

Hintergrund der Vorwürfe ist die Umleitung von Geldern, aus Grundstückserlösen, mit denen eigentlich die Erschließungsdarlehen getilgt werden sollten, in den Haushalt. Außerdem wird den Angeklagten vorgeworfen, eine Erschließung, auch diese auf – Kreditbasis – angeleiert zu haben, obwohl klar war, dass das Gemeindeprüfungsamt keine Genehmigung für eine weitere Kreditaufnahme erteilen würde. In der Folge wurden viele Planungs-, Gutachten- und Grunderwerbskosten bezahlt, allerdings konnte, nachdem fast eine Million Euro verbraten war, das Gebiet nicht weiterentwickelt werden. "Die Ausgaben waren nutz- und wertlos", heißt es in der Anklage, die den Zinsschaden durch die den beiden zur Last gelegten Taten mit mehr als 1,5 Millionen Euro ausweist. Am Montag wird der Prozess im Schwurgerichtssaal fortgesetzt.