Violette (Emmanuelle Devos, li.) trifft Simone de Beauvoir (Sandrine Kiberlain) Foto: Kool

Exaltiert, kapriziös und selbstbezogen, aber auch liebeshungrig, unsicher, dem Wahnsinn nah: So zeichnet Provost das Bild der Schriftstellerin Violette Leduc (1907–1972). „Lieben ist eine beträchtliche Arbeit. Wir wissen nicht, ob wir dabei nicht unsere Haut lassen“, schreibt die Autorin.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Violette"

Die verstörende Künstlernatur, die berückende Schönheit der Bilder, die bestürzende Ausdruckskraft der Schauspielerin Yolande Moreau haben Martin Provosts Künstler-Biografie „Séraphine“ (2008) so besonders gemacht – sieben Césars hat er beim französischen Filmpreis dafür bekommen. Jetzt becirct der 57-jährige Franzose erneut mit der Übertragung eines realen Frauenschicksals auf die Kino-Leinwand. Exaltiert, kapriziös und selbstbezogen, aber auch liebeshungrig, unsicher, dem Wahnsinn nah: So zeichnet Provost das Bild der Schriftstellerin Violette Leduc (1907–1972).

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„Lieben ist eine beträchtliche Arbeit. Wir wissen nicht, ob wir dabei nicht unsere Haut lassen“, schreibt die Autorin. Glaubt man trotz aller fiktiven Sequenzen dem Film (und warum sollte man das nicht?), muss der bisexuell orientierten Frau die Haut in Fetzen von der Seele gehangen haben. So hungrig, wie sie geliebt hat, so wenig fühlte sie sich wiedergeliebt. Enttäuschung und Verzweiflung waren der Motor des späteren literarischen Erfolgs der unehelich geborenen Tochter eines französischen Dienstmädchens. Erst in der Begegnung mit der Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir fand die „Bastardin“, wie sie sich selbst nannte und ihre 1964 erschienene Autobiografie titelte, Öffentlichkeit und späte Anerkennung.

Der Film lebt nicht nur von Violettes Ambivalenzen, er lebt auch von der kontrastreichen Zeichnung der Charaktere. Sandrine Kiberlain gibt Simone de Beauvoir, Tochter aus reichem und gebildetem Haus, Emmanuelle Devos die robuste, ungehobelte Violette Leduc – und die Rollen könnten stimmiger nicht besetzt sein. Die komplizierte Annäherung der beiden Frauen, die beide als Pionierinnen des Feminismus gelten dürfen, lässt der Regisseur in elegischen, aber auch ruppigen Szenen zu.

Martin Provost ist ein Maler mit cineastischen Mitteln und ein hoch musikalischer Regisseur. Er rhythmisiert den rauen Stoff, indem er ihn in sechs Kapitel gliedert. Und er gibt seinem Film eine harmonisierende und bindende Leitmelodie aus Arvo Pärts Komposition „Fratres“. Archaisch, spirituell, leuchtend in klaren Farben hat der Este diese Musik komponiert. Musik, die dem Chaos in Violettes Seele auch in bizarrsten Situationen Einhalt zu gebieten vermag. „Mein Film ist eine Beschwörung“, sagt Martin Provost über „Violette“. Wie wahr!

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